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Bewährungsprobe für Überraschungs-Leader Milan

Bewährungsprobe für Überraschungs-Leader Milan

Er ignorierte die Coaching Zone und wirkte wie der zwölfte Mann auf dem Platz.

Er sprang an der Seitenlinie herum und gab seinen Kickern Anweisungen.

Filippo Inzaghi vermittelte beim spektakulären 5:4-Sieg beim FC Parma den Eindruck, dass er noch immer mehr Spieler als Trainer ist.

Und doch – oder gerade deshalb – schöpfen die Fans des AC Milan derzeit Hoffnung auf bessere Zeiten.

„Super-Pippo“, wie die Rossoneri ihn nennen, ist der letzte Verbliebene einer goldenen Generation, die über viele Jahre hinweg den europäischen Vereinsfußball mitgeprägt hat.

Der Letzte aus der goldenen Generation

Inzaghi war Teil der siegreichen Champions-League-Mannschaft 2003 (3:2 i.E. gegen Juventus) und sogar Doppel-Torschütze und damit Matchwinner beim 2:1-Finalsieg vier Jahre später gegen den FC Liverpool.

Der 1,81 Meter große Stürmer war gefürchtet. Stets an der Grenze zum Abseits und gerne auch für eine spektakuläre Flugeinlage, bevorzugt im Strafraum des Gegners, zu haben.

Aber auch gefürchtet für seine Torgefährlichkeit. 41 Treffer erzielte er zwischen 2001 und 2012 in internationalen Bewerben für die Lombarden, was bis heute einen Klubrekord darstellt. Wettbewerbsübergreifend durfte er 126 Mal jubeln und liegt auf Rang sechs in der ewigen Bestenliste – und damit knapp vor Vereinsikone Marco van Basten.

Am wichtigsten aber ist, dass Inzaghi für Erfolg steht. Während seiner Zeit für Milan gewann der Klub je zweimal die Champions League, den Scudetto, den nationalen und den europäischen Supercup sowie je einmal die Klub-WM und den italienischen Pokal.

Der Tiefe Fall eines Traditionsklubs

In den letzten drei Jahren hingegen mussten die Fans mitansehen, wie ihr Klub immer weiter abrutschte. Der Vize-Meisterschaft 2012 folgte Rang drei im Jahr darauf. Absoluter Tiefpunkt war die vergangene Spielzeit, die die Rossoneri im Niemandsland der Tabelle – Platz acht – beendeten. Damit verpassten sie erstmals seit 16 Jahren das internationale Geschäft.

Aus wirtschaftlicher Sicht eine Katastrophe, ist doch die einst unerschöpflich erscheinende Geldquelle namens Silvio Berlusconi inzwischen nahezu gänzlich versiegt. Der Eigentümer des 18-fachen italienischen Meisters drückte vor einiger Zeit auf das Bremspedal und erwartet ein deutlich gesünderes Wirtschaften als noch zur Glanzzeit in den 90er und 2000er Jahren.

<span style=\'color: #ffff00;\'>Jahrzehnt <span style=\'color: #ffff00;\'>Internationale Titel <span style=\'color: #ffff00;\'>Nationale Titel <span style=\'color: #ffff00;\'>Gesamt
80er 3 2 5
90er
<span style=\'color: #ff0000;\'>5 <span style=\'color: #ff0000;\'>8 <span style=\'color: #ff0000;\'>13
00er <span style=\'color: #ff0000;\'>5 3 8
10er - 2 2

Die Rossoneri bauen auf "Super-Pippo"

So gesehen verwundert es nicht, dass Milan in diesem Sommer sogar einen satten Transferüberschuss von 16,2 Millionen einfuhr. Nur zum Vergleich: 2013 gab man 17 Millionen mehr aus als man einnahm, im Jahr davor waren es sogar 38,85 Millionen.

Der Sparkurs zwang Milan zu tiefen Einschnitten. Während andere Vereine in ähnlicher Situation vorwiegend auf die eigene Jugend und damit größeren Identifikationswert setzten, musste Milan auch darauf weitgehend verzichten, da mit wenigen Ausnahmen – allen voran der erst 16-jährige Hachim Mastour – kaum Nachwuchsspieler die nötige Klasse haben, um den Profis mittelfristig weiterhelfen zu können.

Inzaghi als großer Hoffnungsträger

So bauen die Fans auf Inzaghi und darauf, dass dieser das Erfolgsgen auf seine Truppe überträgt. In der Tat ist das an den ersten beiden Spieltagen gelungen. Einem 3:1-Sieg gegen Lazio folgte der eingangs erwähnte 5:4-Erfolg beim FC Parma.

Völlig überraschend lachen seine Mannen daher vor dem ersten Spitzenspiel der Saison gegen Juventus (Samstag, 20:45 Uhr) von der Tabellenspitze und gehen voller Selbstvertrauen in selbiges.

„Es ist schön, diesen Spirit zu erleben“, schwärmt Inzaghi vom Teamgeist. „Zu sehen, wie die Ersatzspieler aufspringen und jeden Treffer feiern, ist großartig.“ Mehr als 80.000 Zuschauer werden am Samstagabend ins San Siro strömen, um ihr Team zu unterstützen.

Die Begeisterung ist groß, der Wunsch nach weiteren Erfolgserlebnissen ebenso. Inzaghi ist der Star der Mannschaft und zugleich ihr größter Hoffnungsträger. Den zwölften Mann werden gegen Juve allerdings wieder die Fans bilden.


Christoph Nister