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"Vielleicht kommt auch das Angebot meines Lebens"

„Die Ungewissheit ist natürlich das Schlimmste“, gesteht György Garics im LAOLA1-Interview.

Nach dem Abstieg mit Bologna ist die Zukunft des 30-Jährigen völlig offen.

Vom bitteren Gang mit dem aktuellen Arbeitgeber in die Serie B, bis zu einem Wechsel innerhalb Italiens oder einen Neustart in einer anderen Liga scheint alles denkbar.

Dass das Herz des Rechtsverteidigers für einen Verbleib in Italien schlägt, ist kein Geheimnis: „Ich bin sicherlich in dieses Land verliebt.“

LAOLA1: Wie hast du den Abstieg mit Bologna verkraftet?

György Garics: Lustig ist es sicher nicht gewesen. Es ist leider Gottes ein Teil des Fußballs. Jedes Jahr steigen drei ab und drei kommen hoch. Ich muss ehrlich sagen, aufgrund der Leistungen, die wir gebracht haben, und der Fehler, die wir gemacht haben – angefangen von der Mannschaft bis zum Verein – war es verdient. Der Verein weiß selbst noch nicht, ob es ihn in dieser Form noch geben wird. Das ist leider das Problem in Italien momentan. Auf der ganzen Welt herrscht Krise, aber jene Länder, die in der Vergangenheit eventuell mehr Fehler gemacht haben als die anderen, leiden jetzt umso mehr darunter. Es ist nichts Neues, wenn ich erzähle, dass der italienische Fußball von den Finanzen her derzeit nicht das Beste ist. Aber es wird sicherlich eine Lösung gefunden werden, denn eine Stadt und ein Verein wie Bologna darf nicht von der Landkarte verschwinden.

LAOLA1: Wenn du Fehler des Vereins ansprichst: War der Verkauf von Alessandro Diamanti der größte? Er war offensiv das Um und auf…

Garics: Ich möchte nicht seine Qualitäten mindern oder sagen, dass er uns nicht gefehlt hat. Aber es geht nicht darum, dass du ihn verkauft hast. Der Fußball ist so. Wenn die Nachfrage da ist, wirst du eben verkauft. Am meisten ging es dabei um das Zeichen.  Denn der Präsident hat damit nicht gezeigt, dass er mit allen Mitteln in der Liga bleiben möchte, wenn er mit Diamanti einen Spieler nach dem 31. Jänner nach China verkauft, wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, einen anderen für ihn zu holen. Sein Zeichen war, dass er auf die Geldprobleme und den Moment geschaut hat. Vielleicht brauchte er ein paar Millionen mehr, um es bis zum Sommer zu schaffen. Aber wenn wir den Klassenerhalt geschafft hätten, wäre es ein großer Vorteil gewesen.

LAOLA1: Trainer Davide Ballardini hat in seinem Fazit betont, dass man im Winter vielmehr vier, fünf Spieler hätte holen müssen, weil das die Konkurrenz auch gemacht hat…

Garics: Dafür hatten wir nicht die Mittel. Das Problem beim Verein ist eigentlich, dass wir finanziell schon ewig hinterher rennen, die Schulden immer mehr werden. Wir haben eigentlich jedes Jahr die besten Spieler verkauft. Als Gaston Ramirez und Marco Di Vaio gingen, hat man Alberto Gilardino geholt, konnte ihn aber nicht halten. Heuer haben sie Diamanti verkauft. Wenn du praktisch jedes Mal den verkaufst, der dir das eine oder andere Tor garantieren kann, geht es früher oder später schief. Das hat sich schon abgezeichnet. Mir tut das natürlich sauleid, denn ich habe nicht vorgehabt, Bologna zu verlassen.

LAOLA1: Wie geht es nun bei dir weiter?

Garics: Jetzt kann alles passieren. Es kann sein, dass wir in Konkurs gehen und ich weg muss. Es kann sein, dass der Verein an mich herantritt und sagt, du musst weg, weil du zu viel verdienst. Es kann sein, dass ich weggehe, weil ich eine andere Möglichkeit habe. Oder vielleicht bleibe ich dort, weil mir nichts anderes übrig bleibt und ich muss sogar noch auf einen Teil meines Gehalts verzichten. Es wird sich in den nächsten zwei, drei Wochen herauskristallisieren, was herauskommt.

Garics mit Trainer Ballardini

LAOLA1: Wärst du von der Gehaltsregelung in der Serie B betroffen?

Garics: Es gibt die Regelung, dass man in der Serie B nur noch maximal 300.000 Euro brutto verdienen darf. Das gilt aber nur für neue Verträge und nicht für bereits länger unterschriebene. Das kann man auch nicht umgehen. Da machen die Italiener Schritte nach vorne. Es ist zwar das Land, in dem man immer wieder versucht, Hintertürl zu finden – das machen im Prinzip eh alle, in gewissen Ländern geht es vielleicht durch, in anderen weniger…

LAOLA1: Deine Situation ist völlig offen. Man könnte hergehen und das als Chance betrachten, denn als knapp 40-facher Nationalspieler muss man vermutlich keine Zukunftsangst haben. Oder überwiegt doch das unangenehme Gefühl, dass du nicht weißt, wie es weitergeht?

Garics: Ich habe meinen Vertrag letztes Jahr verlängert. Ich bin zufrieden gewesen mit dem Verein, mit der Stadt, auch meiner Familie geht es gut. Also habe ich nicht lange darüber nachgedacht. Ich habe mir gesagt: Das ist das, was ich einmal habe, und dann werden wir sehen, was kommt. Denn es ist ja immer so: Wenn die Nachfrage da ist, wirst du sowieso verkauft, und dann gehst du wahrscheinlich zu einem Verein, bei dem du noch besser aufgehoben bist. Ich muss ehrlich sagen, ich habe weder Angst, noch bin ich zu sicher. Es ist ein guter Mittelweg, den ich versucht habe, in meinem ganzen Leben zu verfolgen. Ich würde sicher etwas finden, die Frage lautet nur: Was findest du? Es könnte das Beste in meiner ganzen Karriere herauskommen, genauso könnte es passieren, dass ich durch die Finger schaue. Heutzutage gibt es die Sicherheit gar nicht mehr. Vor einigen Jahren hätte es möglicherweise ein Vorteil sein können, aber inzwischen gibt es viele gute Spieler, die ohne Verein dastehen. Das wird von den Vereinen sicherlich ausgenützt. Du weißt nicht, welche Möglichkeiten du bekommst, und die Ungewissheit ist natürlich das Schlimmste. Man muss auf alles vorbereitet sein. Ich lasse es auf mich zukommen, ich kann es sowieso nicht ändern. Das, was ich beeinflussen konnte, habe ich gemacht. Ich habe kein schlechtes Gewissen, kann jeden Tag in den Spiegel schauen.

LAOLA1: Wie reizvoll wäre ein Verbleib in Bologna, wenn wirklich Zdenek Zeman als Trainer verpflichtet wird? Dann wäre zumindest ein Spektakel garantiert…

Garics: Das mit dem Spektakel hat sich damals bei der Roma auch gut angehört und dann ist es in die Hose gegangen. Wir werden sehen, aktuell wird natürlich viel geredet. Die Presse hat einiges zu schreiben. Sie wollen natürlich alle den Präsidenten weg haben. Irgendwie sehnen sie sich nach einer Ordnung, nach einem neuen Projekt.

Garics im Gespräch mit Präsident Albano Guaraldi und Panagiotis Kone

LAOLA1: Passt es ins Bild, dass sich Präsident Albano Guaraldi bei Übernahmeverhandlungen offenbar vom Ultras-Capo als Berater begleiten ließ? Das kann’s ja auch nicht sein…

Garics: Genau. Das Problem ist, dass wir zurzeit ziemlich belächelt werden, und das auch nicht zu Unrecht. Das ist natürlich eine Situation, die in Italien auch noch nicht so oft passiert ist. Aber dafür können wir Spieler nichts, wir haben versucht, unseren Job zu machen. Da muss jeder wissen, ob er alles gegeben hat oder nicht. Diese Rechnung muss jeder mit sich selber machen. Diejenigen, die mit sich selber klar kommen, werden trotz der negativen Situation etwas Positives finden und in der Zukunft das Beste herausholen können – sei es in Bologna oder anderswo.

LAOLA1: Deine Liebe zu Italien, die sich in den vergangenen acht Jahren entwickelt hat, ist bekannt. Andererseits siehst du auch, was im Fußball dort passiert. Von dem her wäre es womöglich interessant, deinen Beruf in einem anderen Land auszuüben. Wie groß ist dieser Zwiespalt?

Garics: Ich kann nicht beurteilen, wie es anderswo wirklich ist. Dafür müsste ich zwei, drei Jahre da oder dort gespielt haben. Seit ich Profi bin, bin ich abgesehen von Österreich nur in Italien gewesen. Ich bin sicherlich in dieses Land verliebt, es war immer mein Ziel und Traum, dort spielen zu dürfen. Dass ich das verwirklicht habe, ist für mich natürlich eine tolle Sache. Ich hatte jedoch immer auch ein offenes Auge für die ganze Welt. Wenn ich kann, reise ich viel herum und versuche, mir alles anzuschauen und anzuhören. Was die Karriere angeht, wird das auch jetzt der Fall sein. Aber ich würde es schon bevorzugen, in Italien zu bleiben. Alleine wegen des Flairs, des Lebensstils und auch der Art und Weise, wie der Fußball angegangen wird.

LAOLA1: Was macht diese Art und Weise so speziell?

Garics: In der Liga wird wirklich gezittert, verlieren ist verboten – das gibt dir einen Kick und Druck, den du vielleicht in anderen Ländern nicht hast. In England zum Beispiel steigst du ab und die Leute klatschen. Das kannst du dir in Italien nicht vorstellen. Das kann vom Sportlichen her okay sein, wenn du dir sagst: „Super, die Leute tun dir eh nix.“ Diese Passion der Italiener spürst du in anderen Ländern nicht. Andererseits kann ich nicht sagen, dass ich mich in Deutschland oder Spanien nicht vielleicht auch wohl fühlen würde. Ich bin eigentlich für alles offen. Aber wie gesagt: Die Liebe ist da, und die Liebe ist sehr groß. Es würde mir sicherlich Leid tun, wenn ich das Land verlassen müsste.

LAOLA1: Am Schluss entscheidet ohnehin das beste Paket, oder?

Garics: Genau. Wenn ich in Italien keinen Verein finde und ein Angebot aus Spanien oder Deutschland habe, muss ich gehen. Das ist immer etwas anderes, als wenn du sagst: Ich habe ein tolles Angebot und – nur als Beispiel - den Drang Russisch zu lernen und möchte nach Russland. Aber es ist schwer zu beantworten. Vielleicht kommt auch das Angebot meines Lebens, was das Finanzielle angeht. Es kann auch sein, dass ein Großverein sagt, jetzt ist er günstiger als vorher, ich brauche einen routinierten Abwehrspieler auf dieser Position, er wird vielleicht nicht jedes Spiel spielen, sondern nur jedes zweite, aber wir brauchen ihn, weil wir in Europa, in der Liga und im Cup vertreten sind.

LAOLA1: Siehst du eigentlich Indizien, dass es mit dem Fußball in Italien wieder bergauf geht? Das eine oder andere Stadion wird ja gebaut…

Garics: Das wird sicher wieder! Diesen Kreis hat es immer schon gegeben. Vor 20 Jahren war Italien vorne, dann die Engländer, dann die Spanier, dann die Deutschen, aktuell sind vielleicht wieder die Spanier oben. In Italien ist so viel Geld drinnen, das ist eine Industrie. Es wird sicher wieder ins Laufen kommen. Durch neue Stadien sind die ersten Anzeichen da. Dass damit riesige Mittel eingeholt werden können, haben sie erkannt. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass es so wie bisher weiter geht. Das Einzige, was mir Leid tut, ist, dass ich es als Aktiver auf dem Platz wahrscheinlich nicht mehr erleben kann. Denn das dauert sicher noch einige Jahre.


Das Gespräch führte Peter Altmann