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Vom Aufstieg und Niedergang der Gialloblù

Vom Aufstieg und Niedergang der Gialloblù

Der FC Parma steht – wieder einmal – vor dem Aus. Dieses Mal könnte es die Gialloblù aber mehr als nur den ersten Buchstaben ihres Vereinsnamens kosten.

Der 1913 gegründete Provinzklub, der in den 90ern den Aufstieg zum internationalen Topklub schaffte, ächzt unter einer Schuldenlast von 218 Millionen Euro.

Die Spieler werden seit Monaten nicht mehr bezahlt, die 190.000 Einwohnerstadt hat dem „Stadio Ennio Tardini“, dem sechstältesten Stadion Italiens, längst Strom und Wasser abgestellt.

Am 19. März öffnet das Insolvenzverfahren, in dem das Gericht den Verein für bankrott erklärt. Ob der Tabellenletzte die Saison überhaupt noch fertig spielen kann, ist unklar.

Der Mannschafts-Bus wurde längst gepfändet, die Spieler weigern sich inzwischen auf eigene Kosten zu den Auswärtsspielen anzureisen. Bereits zwei Partien mussten deswegen ausfallen, bei vier verschuldeten Spielabsagen erfolgt automatisch der Ausschluss aus der Serie A.

Die Liga soll normal zu Ende geführt werden

Die Liga bemüht sich, auch auf Druck der TV-Anstalten, die Saison regulär zu Ende zu bringen und stellt fünf Millionen Euro zur Verfügung, die von einem möglichen neuem Eigentümer wieder zurückgezahlt werden sollen.

Sportlich ist Parma mit nur neun Punkten aus 25 Spielen ohnehin nicht mehr zu retten. Jetzt entscheidet sich, ob es eine Zukunft in der Serie B geben kann oder ob der lange Schrecken ein Ende findet und nur ein Neuanfang im Amateurbereich übrig bleibt.

 

LAOLA1 beleuchtet den Aufstieg und Fall der Blau-Gelben:

Aufstieg in die Serie A

Aufstieg in die Serie A
Fernando Couto im Dress des AC Parma

Wir schreiben den 27. Mai 1990. Der AC Parma schlägt den Erzrivalen AC Reggiana im Derby dell’Enza mit 2:0 und sichert sich damit den vierten Platz der Serie B, der zum Aufstieg in die Serie A berechtigt.

Trainer Nevio Scala, der erst am Beginn der Saison verpflichtet wurde, gelingt damit überraschend der erste Aufstieg Parmas ins italienische Oberhaus.

Schon im ersten Jahr kann sich der Verein aus der Emilia Romagna für das internationale Geschäft qualifizieren, mitverantwortlich dafür ist auch das neugewonnene Fußball-Interesse der Familie Tanzi.

Calisto Tanzi, der 1961 als 22-Jähriger die Firma Parmalat gegründet und in Folge zu einem der Weltmarktführer im Bereich Milchverarbeitung aufgebaut hatte, tritt nicht mehr nur als Sponsor auf, sondern übernimmt seinen Heimatverein und steckt Millionen in die Mannschaft.

Das Kapperl der Nation

Das Kapperl der Nation
"Niki Nationale" mit dem Parmalat-Kapperl

In Österreich ist Parmalat durch seine Sponsortätigkeit in der Formel 1 und das berühmte „rote Kapperl“ von Niki Lauda bekannt, obwohl hierzulande nie Parmalat-Produkte vertrieben wurden.

Die ersten Erfolge folgen schnell, in der Saison 1991/92 holt Parma mit einem 2:1 über Juventus die Coppa Italia, der erste internationale Titel gelingt ein Jahr später im Pokal der Pokalsieger.

Der belgische Vertreter Antwerpen wird im Londoner Wembley-Stadion mit 3:1 geschlagen. Nach dem Halbfinale verbreitet Atletico-Madrid-Präsident Jesus Gil aber das Gerücht, dass Parma seine Mannschaft nur besiegt hätte, weil sie den deutschen Schiedsrichter im Rückspiel geschmiert hätten – Beweise dafür fehlen bis heute. Im gleichen Jahr holt man nach einem 1:0 über den AC Milan auch noch den Europäischen Supercup. 

1994 stehen die Blau-Gelben erneut im Finale des Pokals der Pokalsieger, müssen sich in Kopenhagen aber Arsenal mit 0:1 geschlagen geben.

Die Rache des Dino Baggio

In der Saison 1994/95 holt Parma den UEFA-Cup mit einem 2:1 über Juventus Turin, Dino Baggio, den die Turiner im Sommer davor abgeschoben hatten, trifft im Hin- und Rückspiel für die Blau-Gelben.

Nevio Scala, der bis heute erfolgreichste Parma-Trainer, wird 1996 vom heutigen Real-Madrid-Trainer Carlo Ancelotti abgelöst, der in seiner Debüt-Saison die beste Serie-A-Platzierung in der Geschichte Parmas holt. Als Zweiter fehlen am Ende nur zwei Punkte auf Meister Juventus Turin.

Nach drei titellosen Saisonen wird auch er abgelöst, Alberto Malesani übernimmt und wird auf Anhieb Pokalsieger, mit einem Sieg gegen die Fiorentina, und UEFA-Cup-Sieger, mit einem 3:0 über Marseille in Moskau.

Crespo wird verkauft, Malesani tritt zurück

Crespo wird verkauft, Malesani tritt zurück
Crespo, Veron, Balbo und Sensini mit dem Coppa-Pokal

Im Jahr 2000 wird der Argentinier Hernan Crespo für eine neue Weltrekordsumme von 55 Millionen Euro an Lazio Rom verkauft, Trainer Malesani tritt daraufhin zurück.

Im turbulenten Folgejahr, dem Elften in der Serie A, versuchen sich insgesamt vier Trainer am AC Parma, Erfolg stellt sich allerdings keiner ein. Mit Platz 10 verpasst man zum ersten Mal seit dem Aufstieg das internationale Geschäft.

Auch der Pokalsieg gegen Juventus, beim Gesamtstand von 2:2 siegt Parma dank Auswärtstorregel, kann Trainer Pietro Carmignani nicht im Amt halten. Cesare Prandelli übernimmt und führt Parma zweimal in Folge auf Platz fünf.

Parmas Jahrhundertmannschaft

„Das ist der schönste Abend meines Lebens“, sagt Trainer Malesani – und lässt im Nebensatz nicht unerwähnt, dass man „sich nächste Saison steigern müsse“, weil Parmalat-Chef Tanzi die Meisterschaft als Ziel ausgerufen und rund 700 Millionen Schilling (rund 50 Millionen Euro) in die Mannschaft investiert hatte.

Die damalige Mannschaft gilt heute noch als die beste der Vereinsgeschichte, Spieler wie Gianluigi Buffon, Fabio Cannavaro, Lilian Thuram, Dino Baggio, Juan Sebastian Verón, Enrico Chiesa oder Hernan Crespo verdienen damals wie heute das Prädikat Weltklasse.

Abbildung: Die Parma Mannschaft aus dem UEFA-Cup-Finale 1998/99

Ein Patzer für die Ewigkeit

Ein Jahr später macht der SK Sturm eine unliebsame Begegnung mit dem AC Parma – die Grazer scheitern in der Verlängerung des UEFA-Cup-Rückspiels in Graz an den Blau-Gelben, nachdem Torhüter Josef Schicklgruber beim Stand von 3:1 eine Flanke abfängt und mit dem Ball in Händen die Torlinie überschreitet – zumindest will es der Linienrichter so gesehen haben. Parma nutzt die Geburtsstunde des „Pannen-Pepi“ und steigt ins Achtelfinale auf.

Bei den Sturm-Spielern sitzt der Frust hingegen tief: "Der Ball war nie hinter der Linie, aber die Jugos scheinen sich gut zu verstehen (spielt auf Reklamationen von Mario Stanic bei Linienrichter Ivica Kusovac an). Mir wäre es lieber, ich hätte kein Tor erzielt und wir wären aufgestiegen", gibt ein enttäuschter Hannes Reinmayr zu Protokoll.

Die Parmalat-Pleite leitet den Niedergang ein

Die Hochphase des AC Parma ist Anfang der 2000er Jahre schon wieder vorbei. Trotz konstanter Teilnahmen im internationalen Geschäft ist Parma darauf angewiesen, Transfergewinne zu erzielen.

Zwar werden teure Neuzugänge wie Marcio Amoroso, Savo Milosevic, Adriano, Adrian Mutu oder Alberto Gilardino verpflichtet, doch die Transferbilanzen rund um das Jahr 2000 weisen allesamt große Gewinne auf.

Der große Nackenschlag folgt 2003. Beim Mutterkonzern Parmalat tauchen erste Zahlungsprobleme auf. Jahrelang hatte man auf Pump einen exzessiven Expansionskurs gefahren und weltweit Unternehmungen getätigt.

Als diese nicht die erwarteten Gewinne einfahren, bricht das Kartenhaus zusammen und führt zur größten Insolvenz in der Geschichte Europas. War anfangs von 300 Millionen Euro die Rede, steht am Ende ein Zahlungsausfall von über 14 Milliarden Euro zu Buche.

Der AC Parma wird mit in die Tiefe gerissen

Der AC Parma wird in diesem Strudel mitgerissen und muss 2004 ebenfalls Insolvenz anmelden, rund 200 Millionen Euro fehlten Parma, ob sie die Saison überhaupt beenden können war lange nicht klar.

Nur durch ein eigens geschaffenes Gesetz gelingt es dem italienischen Industrieminister Antonio Marzano den AC Parma aus dem Konzern herauszulösen und in der Liga zu halten. Der Verein wird als FC Parma neu gegründet und unter die Führung eines Verwalters gestellt.

Sportlich pendelt sich Parma, das nun deutlich kleinere Brötchen bäckt, in den nächsten Jahren im Mittelfeld der Serie A ein. Als einer der Profiteure des Calciopoli-Skandals, bei dem Spielabsprachen den Zwangsabstieg von Juventus Turin zur Folge haben, qualifiziert man sich sogar wieder für das internationale Geschäft.

Nebenbei läuft jahrelang die Suche nach einem Käufer, sogar mit Zeitungsinseraten versucht der Insolvenzverwalter ausländischen Investoren Parma schmackhaft zu machen.

Jahr
Transferausgaben (in Mio. Euro) Transfereinnahmen Bilanz
2014/15
4,32 13,8 9,48
<span style=\'color: #339966;\'>2013/14 8,17 19,83 11,66
<span style=\'color: #ff0000;\'>2012/13 30,17 15,35 -14,82
<span style=\'color: #339966;\'>2011/12 11,41 29,35 17,94
<span style=\'color: #ff0000;\'>2010/11 27,6 13,53 -14,07
<span style=\'color: #339966;\'>2009/10 27,1 34,96 7,86
<span style=\'color: #339966;\'>2008/09 15,37 26,4 11,03
<span style=\'color: #ff0000;\'>2007/08 13,3 4,2 -9,1
<span style=\'color: #339966;\'>2006/07 3,68 19,5 15,82
<span style=\'color: #339966;\'>2005/06 11,65 26,25 14,6
<span style=\'color: #339966;\'>2004/05 1,4 17,3 15,9
<span style=\'color: #339966;\'>2003/04 24,02 52,8 28,78
<span style=\'color: #339966;\'>2002/03 46,8 83,5 36,7
<span style=\'color: #339966;\'>2001/02 39,25 149,36 110,11
<span style=\'color: #339966;\'>2000/01 65,4 72,72 7,32
<span style=\'color: #339966;\'>1999/00 37,7 57,9 20,2
<span style=\'color: #ff0000;\'>1998/99 30,3 8,75 -21,55
<span style=\'color: #ff0000;\'>1997/98 6,4 5 -1,4
<span style=\'color: #339966;\'>1996/97 6,35 22,89 16,54
<span style=\'color: #ff0000;\'>1995/96 12 1,5 -10,5
<span style=\'color: #339966;\'>Gesamt 422,39 674,89 252,5

Ghirardi übernimmt die Gialloblù

Ghirardi übernimmt die Gialloblù
Ghirardi ist für viele der Hauptverantwortliche

2007 kauft Tommaso Ghirardi, der 32-jährige Sohn eines Metallfabrikanten, den Verein aus der staatlichen Verwaltung heraus. Doch auch mehrere Millionen Euro aus seinem Privatvermögen können den Abstieg in der Saison 2007/2008 nicht verhindern.  

Parma gelingt jedoch der sofortige Wiederaufstieg. In den Folgejahren halten sich die Gialloblù im Mittelfeld der Serie A. Roberto Donadoni, der seit 2011 als Trainer tätig ist, gelingt es den Verein in den letzten drei Jahren stets unter die Top-10 zu führen.

Während dieser Phase häuft der FC Parma aufgrund des Transferverhaltens von Präsident Ghirardi einen gewaltigen Schuldenberg an. Von 2007 bis 2014 nimmt Parma fast eintausend (!) Spieler unter Vertrag, die meisten davon werden sofort in untere Ligen verliehen.

Dabei handelt es sich zwar um ein in Italien gängiges Geschäftsmodell, doch derartige Auswüchse gab es bisher bei keinem anderen Verein. Aus den ursprünglich 13 Millionen Euro Schulden, werden deutlich über 100 Millionen Euro. Die Finanzprüfer weisen immer wieder auf die finanziellen Missstände hin, werden aber ignoriert.

Ausschluss von UEFA-Bewerben

Ausschluss von UEFA-Bewerben
Roberto Donadoni führt Parma 2013/14 auf Platz sechs

2013/14 erreicht Parma Platz sechs, wird aber aufgrund von ausstehenden Steuerzahlungen in Höhe von 300.000 Euro von der UEFA von allen internationalen Bewerben ausgeschlossen. Anfangs halten es viele für einen Formfehler, doch schnell wird klar, wie es um die Finanzen von Parma bestellt ist. Seit Sommer bezahlt der Klub den Profis keine Gehälter mehr, später werden auch einfache Angestellte nicht mehr bezahlt.

Präsident Ghirardi, gegen den inzwischen wegen betrügerischem Bankrotts ermittelt wird, schmeißt entnervt hin und verkauft seine Anteile Ende 2014 für einen symbolischen Euro an den mutmaßlichen albanischen Steuersünder Rezart Taci und seine zypriotisch-russische Dastraso Holding. Dieser setzt den erst 29-Jährigen Ermir Kodra als Präsidenten ein.

Die beiden versprechen, die seit Monaten ausstehenden Spielerlöhne zu bezahlen, träumen im Winter von einer Verpflichtung von Mario Balotelli und holen weitere, teure Spieler. Bezahlen können sie diese aber offenbar nicht.

Der letzte wirklich große Star Parmas, der 32-jährige Antonio Cassano, kündigt seinen Vertrag mit Ende Jänner, weil er sich „nicht weiter verschaukeln lassen will“. Von den versprochenen drei Millionen Euro, sieht er, wie viele seiner Kollegen, in den letzten Monaten keinen Cent.

Erneute Übernahme

Zwei Monate und zahlreiche gebrochene Versprechen später, verkauft  Taci seine Anteile Anfang Februar 2015, ebenfalls für einen symbolischen Euro, an den Unternehmer Giampietro Manenti. Auch dieser sichert zu Geld in die Hand zu nehmen, die Spieler zu entlohnen und den Verein auf Vordermann zu bringen – woher das Geld stammen soll weiß niemand.

Das gesamte Inventar, vom Computer bis zum Mannschafts-Bus, von der Wäscherei bis zur Trainingsausrüstung, wird gepfändet. Parma macht Schlagzeilen, weil die Spieler daraufhin anfangen, ohne warmes Wasser zu duschen, ihre Wäsche selbst zu waschen und anfangs auch privat zu den Auswärtsspielen anreisen.  Doch der Geduldsfaden der Spieler ist schon lange überspannt.

 „Es ist, als wären wir alle Zombies. Wir arbeiten ohne zu wissen wie es weiter geht“, sagt Manager und Klub-Legende Alessandro Melli gegenüber „CNN“. „Jeden Tag nehmen sie uns ein Stück unserer Arbeit und ein Stück unseres Herzens. Wir kommen noch hierher, weil wir unsere Arbeit und diesen Verein lieben, aber wir können unsere Aufgaben nicht mehr erledigen. Es ist ein Alptraum. Es geht nicht mehr nur um Geld, sie haben uns auch unsere Ehre, unser Lachen und unseren Respekt genommen, es tut weh.“

Die Hoffnung schwindet

Mehrmals droht die Mannschaft mit Streik und findet landesweit Unterstützung von ihren Kollegen, doch keiner der jeweiligen Eigentümer ist in der Lage sie zu bezahlen.

„Ich hoffe immer noch, dass wir einen neuen Eigentümer finden, der die Schuldensituation in den Griff bekommt und uns einen Neustart in der Serie B ermöglicht. Parma könnte wie ein Phoenix aus der Asche steigen. Aber objektiv betrachtet wird das nicht passieren. Das sind nur die Worte eines Verliebten, der versucht, seine verlorene Liebe zu finden. Er braucht Hilfe, er schafft es nicht allein“, sinniert Manager Melli.

Am 18. März wird Präsident Manenti schließlich im Zuge einer Razzia festgenommen. Er soll gemeinsam mit zahlreichen Komplizen in einen Geldwäsche- und Betrugsskandal im Umfang von über 50 Millionen Euro beteiligt sein. Die erhoffte Rettung rückt in weite Ferne. Ob es für die Blau-Gelben eine Zukunft gibt und wie diese aussehen kann, ist unklar.

 

Alexander Neuper