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Die Streiche des jungen Villas-Boas

Die Streiche des jungen Villas-Boas

Bobby Robson konnte sich der Schulterklopfer kaum erwehren, als er im Sommer 1994 durch den Appartement-Komplex ging, in dem er in Porto Quartier bezogen hatte.

Die Fans feierten den Engländer, hatte er ihren Klub doch aus dem Tief geführt.

Als er die „Dragoes“ im Jänner besagten Jahres übernommen hatte, war es schlecht um sie bestellt. Die Truppe hatte die Erwartungen im Herbst nicht erfüllen können, die Zuseher verzichteten zunehmen auf Stadion-Besuche, durchschnittlich kamen nur noch rund 10.000.

Nun kamen sie aber gerne wieder. Robson hatte es tatsächlich geschafft, die Saison mit Platz zwei und dem Cup-Triumph noch zu retten. Und auch die neue Spielzeit lief richtig gut an.

Der große Held auf der Bank

Der Junge mit dem rotbraunen Haarschopf, der ein paar Türen weiter wohnte, war einer der wenigen, die nicht so wirklich zufrieden waren. Natürlich war das schon gut, was der Trainer da machte. Und über die Erfolge freute er sich auch.

Aber Domingos Paciencia saß auf der Bank. Der Stürmer war ein echtes Eigengewächs des FC Porto, 1990 sogar zu Portugals Fußballer des Jahres gewählt worden, und der große Held des Teenagers mit dem Namen Andre Villas-Boas.

Ein Brief, großes Erstaunen

Zwar mag Paciencia übersetzt Geduld heißen, Villas-Boas verlor sie dennoch. Den Schneid, Robson einfach anzusprechen, hatte er nicht. Aber er fand den Mut, seinem Nachbarn einen Brief zu schreiben. Der Porto-Coach würde einen großen Fehler machen, wenn er den Goalgetter so oft auf die Bank setze.

Robson beantwortete den Brief – er forderte den Fan auf, seine Behauptung zu belegen. Was kurz darauf zurückkam, hatte er gewiss nicht erwartet. Dieser 16-Jährige führte anhand von Statistiken seitenlang aus, warum sein Lieblingskicker sehr wohl einen Platz in der Mannschaft verdiene. Darüber hinaus legte er auch noch einige taktische Varianten, in denen Paciencia gut zur Geltung kommen würde, bei.

Bobby Robson war Villas-Boas' erster Förderer

Teamchef mit 21 Jahren

Nach zwei Jahren in der Nachwuchs-Abteilung des FC Porto, wo er größtenteils Gleichaltrige trainierte, trat Villas-Boas einen kuriosen Job an. Er wurde Teamchef der Britischen Jungferninseln. Mit 21 Jahren!

Die Inselgruppe in der Karibik war und ist ein wahrer Fußball-Zwerg. „Ich war noch ein Kind, aber das haben sie nicht gewusst. Ich habe ihnen erst an dem Tag, an dem ich sie verlassen habe, mein Alter gesagt“, lacht er.

Sie nannten ihn Luis

Die Insel-Kicker hatten mit ihrem jungen Coach keine Probleme, mit seinem Namen aber schon. Kurzerhand nannten sie ihn einfach Luis. Villas-Boas fand sich damit ab.

„Er hat uns beeindruckt. Er ist mit einem richtigen Programm gekommen und war bemüht, uns seine Ideen des Spiels zu vermitteln. Er hat uns besser gemacht“, erinnert sich Avondale Williams, damals Kapitän, heute selbst Teamchef der Nationalmannschaft, im „Independent“.

Williams weiter: „Er war eine ruhige Persönlichkeit, aber manchmal ist er sogar mit uns ausgegangen. Er konnte sehr witzig sein und hatte einen tollen Sinn für Humor.“

Den benötigte der Portugiese auch. Denn abgesehen von Erfolgen über Antigua & Barbuda sowie über St. Martin gab es wenig zu holen. In der WM-Qualifikation mussten die „Nature Boyz“ gegen die Bermudas zwei herbe Niederlagen einstecken – 1:5 daheim, 0:9 auswärts.

Mourinhos Ruf

Nach 18 Monaten verließ er die Karibik wieder. Der FC Porto hatte wieder gerufen. Diesmal nicht in Person von Bobby Robson, sondern in jener von Jose Mourinho.

Auch er schätzte Villas-Boas. Immerhin war „The Special One“ 1994 Assistent beim FC Porto. Er hatte den Brief dieses 16-jährigen Jungen ebenfalls gelesen.


Harald Prantl

Mit 16 schon Nachwuchs-Trainer

Der Porto-Trainer traute seinen Augen kaum. Diesen Jungen musste er haben. Kurz darauf bekam Villas-Boas einen Job als Trainee im Nachwuchs-Betreuerteam des Vereins. Robson nahm den Youngster unter seine Fittiche und verbrachte viel Zeit mit ihm.

„Er ist eine wahre Legende. Ein großartiger Mann, ein großartiger Trainer und ein echter Gentleman. Ich denke oft an ihn und die Inspiration, die er mir für mein ganzes Leben gegeben hat“, sagt der nunmehrige Tottenham-Manager noch heute über seinen Mentor, der 2009 verstarb.

Ausbildung in Schottland und England

Als Villas-Boas 17 Jahre alt war, schickte ihn Robson nach Lilleshall in England und Largs in Schottland, um dort eine Trainerausbildung zu absolvieren. Der Portugiese, der dank seiner englischen Großmutter keinerlei Sprachprobleme hatte, war mit Abstand der jüngste Student, was ihn nicht daran hinderte, seine UEFA-C-Lizenz-Prüfung mit Bravour zu bestehen.

Warum der Porto-Coach einen derartigen Narren an diesem Teenager gefressen hatte, stellte dann auch George Burley fest. Das von ihm trainierte Ipswich Town hatte Robson nämlich als nächste Ausbildungsstation vorgesehen.

Nach dem Abschluss seines Praktikums attestierte Burley dem 19-Jährigen „hochintelligent, diszipliniert, lernwillig und charismatisch“ zu sein.