news

"Nobby" Dickel - Der (tragische) Held von Berlin

Der letzte Triumph des BVB im DFB-Pokal liegt lange zurück. Vor 23 Jahren holten sich die Borussen den Pott mit einem 4:1-Sieg über Werder Bremen.

Wie kein anderer Dortmunder steht ein Mann für diesen Erfolg, den Klub und die Werte des BVB: Norbert Dickel – Der Held von Berlin. LAOLA1 blickt mit der Dortmunder Kultfigur in die Vergangenheit und die Zukunft.

Samstag, 24. Juni 1989, Olympiastadion Berlin. Unter dem frenetischen Beifall von 76.500 Zuschauern betraten die beiden DFB-Pokal-Finalisten Borussia Dortmund und Werder Bremen den Rasen.

Verletzung konnte Dickel nicht stoppen

Auf Seiten des BVB stand Norbert Dickel in der Startformation. Der Stürmer war eigentlich am Knie verletzt, wollte sich dieses wichtige Spiel aber nicht entgehen lassen und biss auf die Zähne. „Ich habe ja gedacht, morgen geht’s wieder besser“, nahm Dickel die Blessur damals nicht so ernst.

Nach 15 Minuten brachte Karl-Heinz Riedle, der nach seiner Rückkehr aus der Serie A Jahre später ebenfalls für den BVB auflaufen sollte, die Bremer in Führung. Nur wenige Minuten später traf Norbert Dickel zum Ausgleich.

Frank Mill besorgte für die Borussia in Halbzeit zwei erstmals die Führung, ehe Dickel mit seinem zweiten Treffer in der 73. Spielminute für die Vorentscheidung sorgte. Michael Lusch setzte eine Minute später den Schlusspunkt zum 4:1.

Dortmund lag sich in den Armen, der BVB hatte seinen ersten Titel seit den 1960er Jahren.

Dortmunds Südtriübne: Die "Gelbe Wand"

Wenn Dickel vor einem Spiel auf die Südtribüne zuschreitet, wird er immer noch mit dem Soundtrack seiner Karriere empfangen. „Wir singen Norbert, Norbert  Dickel. Jeder kennt ihn, den Held von Berlin.“

Der Besungene selbst ist davon geschmeichelt: „Ja, das singt unsere Südtribüne schon noch häufig. Es ist sehr, sehr schön. Da freue ich mich auch und bekomme immer noch eine Gänsehaut.“ Die Fans lieben ihren „Nobby“ und er liebt sie, so wie er den ganzen Verein liebt.

Dickel und der BVB - echte Liebe und ganz viele Emotionen

Voller Inbrunst schreit Dickel den 25.000 hinter dem Süd-Tor die Vornamen der ersten Elf entgegen. Und wie aus einer Kehle schallt es die Nachnamen von der „Gelben Wand“ zurück. An den Ruhestand verschwendet der 50-Jährige noch keinen Gedanken: „Aufhören? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Die Spiele verfolgt Dickel von einer Plattform zwischen Süd- und Westtribüne aus. Dort sitzt er gemeinsam  mit Kollege Boris Rupert und kommentiert die Partie für das BVB-Netradio, das „objektivste Radio Deutschlands“, wie es Dickel lachend beschreibt. Die unzügelbare Emotion, die der Kommentator an den Tag legt, macht dabei die Faszination aus.

Da kommt es auch schon mal vor, dass „Nobby“ die Gäule durchgehen und er Schiedsrichter Stark als „Blinden“ betitelt.  „Jaja, das ist mein spezieller Freund“, so der Heißsporn. Seine Ausraster sind mittlerweile ebenso legendär wie seine Sangeskünste, die er zuweilen unter Beweis stellt.

Der tragische Held

Dickel war der große Held, sein größter Triumph sollte aber auch der Anfang vom Ende seiner Karriere sein. Sein kaputtes Knie erholte sich nie wieder. „Meniskus, Knorpelschaden, klassische Arthrose“, berichtet Dickel von seiner Verletzung, „ich hoffe jetzt schon seit 23 Jahren, morgen wird’s besser. Es tut aber immer noch mächtig weh.“

Zwar versuchte er in der folgenden Saison mehrmals ein Comeback, letztlich musste Dickel die Fußballschuhe aber an den Nagel hängen. Als Sportinvalide trat er 28-jährig ab.

„Natürlich war es anfangs schwierig. Das ist ja das Problem als Fußballer. Wenn du dann so plötzlich aufhören musst, musst du dir genau überlegen, was du machst und machen kannst“, schildert Dickel seine damalige Situation.

Zwei Tore für die Ewigkeit

Der Pokal-Erfolg, gepaart mit dem verletzungsbedingten Karriereende, ließen Dickel allerdings zum Liebling der Fans und über die Jahre zu einem der wichtigsten Mitglieder der BVB-Familie werden. 1992 kehrte er als Stimme des Westfalenstadions bzw. des Signal Iduna Parks, wie die Heimstätte des BVB nun heißt, zurück.

Gesangskarriere

So nahm „Nobby“ 1996 gemeinsam mit Karel Gott die Platte „Schwarzgelb – Wie Biene Maja“ auf. Auch in dieser Saison ließ er nichts unversucht, um den Meistertitel nach Dortmund zu singen. „Borussia schenk uns die Schale“ lautete der Song, der bereits zur Hälfte in Erfüllung gegangen ist, heißt es doch weiter „… und den Pokal noch oben drein.“ 

Der Barde ist sich seines musikalisch begrenzten Talents bewusst, ließ sich aber ein weiteres Mal breitschlagen: „Auf mächtigen Druck hin habe ich nach Jahren wieder ein Lied aufgenommen. Aber das macht ja auch alles Spaß und spiegelt letztendlich die Laune der Borussia-Fans wieder. Das ist einfach ein Gute-Laune-Lied. Ich will damit ja auch nicht nach Baku oder bei DSDS gewinnen, sondern ein bisschen Spaß machen.“

Dienst an der Gesellschaft

Dickel ist aber nicht nur als sportlicher Held und Spaßvogel bekannt, er engagiert sich auch für Kinder und Jugendliche. 2001 gründete der ehemalige Stürmer gemeinsam mit Golfanlagen-Betreiber Arnt Vesper „Gofus“, einen Zusammenschluss  ehemaliger und aktiver Fußballprofis.

„Sozial benachteiligten Kindern zu helfen, war die grundsätzliche Idee. Seit 2006 bauen und renovieren wir im Rahmen des Projekts „Platz da!“ Spiel- und Bolzplätze. Auch Ausbildungsplätze für Hauptschüler werden vermittelt. In den elf Jahren haben wir es geschafft, verschiedenste Ableger in Europa zu platzieren. Es ist eine tolle Sache, wenn sich Fußballer für sozial Schwächere einsetzen und dafür sorgen, dass sie einen Weg in die Zukunft haben“, freut sich Dickel über das gelungene Projekt.

Neben Fußballgrößen wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß etc. engagieren sich mittlerweile auch Prominente aus anderen Sparten für das Projekt. Der Österreich-Ableger von Gofus wird u.a. von Kurt Jara geleitet.

Jugendtraum Imbissbude

Einen lang gehegten Traum erfüllte sich Dickel am vergangenen Mittwoch, als er mit einem Partner seine eigene Imbiss-Bude in Dortmund eröffnete.

„Ein Jugendwunsch hat sich erfüllt. Wir haben eine richtig tolle Wurst, richtig tolle Pommes und einen schönen Wagen. Es ist wirklich gut geworden“, berichtet Dickel stolz. Der Leidenschaftliche Curry-Wurst-Esser steht allerdings nicht selbst am Grill. Das erledigen seine Mitarbeiter, deren Outfit natürlich in Schwarz und Curry-Gelb gehalten ist.

Berlin wird schwarz-gelb

Dickel selbst hätte dazu auch keine Zeit, ist er doch unter anderem für BVB-TV zuständig und arbeitet in der Vermarktung der Borussia. Gerade die Tage vor dem großen Pokal-Finale sind für ihn daher sehr stressig: „Gleich geht’s wieder los an den Kurfürstendamm. Wir wollen ganz Berlin schwarz-gelb machen. Taxifahrer wurden mit BVB-Packages ausgestattet, wir haben unser Logo an alle möglichen Ecken hier in Berlin platziert. Wir wollen, dass die Hauptstadt dem BVB die Daumen drückt.“

Auch die Dortmunder Fans werden das ihrige zur Pokal-Stimmung in Berlin beitragen. Zu den rund 40.000, die Dickel im Olympiastadion erwartet, rechnet er mit noch einmal 20-40 Tausend, die sich rund um das Stadion aufhalten werden.

Der Finaltag ist für Dickel mit TV-Terminen verplant „um 18:00 Uhr geht es im Stadion los. Und dann holen wir uns den Pott“, ist sich der 50-Jährige sicher, „wir gewinnen 3:1, da unsere Mannschaft kollektiv einfach das bessere Team ist.  Ich glaube, dass sich das durchsetzten wird und wir zum ersten Mal in der fast 103-jährigen Geschichte das Double nach Dortmund holen.“

Alaba muss sich noch beweisen

Einen Tipp, wer dabei sein Nachfolger als Held von Berlin sein könnte, will „Nobby“ nicht abgeben: „Dortmund braucht absolut neue Pokalhelden. Wer es dann sein wird, ist egal. Hauptsache, wir holen den Pokal.“

Mit David Alaba könnte auch ein Österreicher zum Helden von Berlin werden. Die Meinung, der 19-Jährige sei der beste Linksverteidiger der Bundesliga, teilt Dickel aber nicht:

„Das ist ein sehr guter linker Verteidiger, aber so lange spielt er nun auch noch nicht in der Stammelf der Bayern. Alaba ist ein ganz toller Fußballer. Ich meine aber, man muss über einen längeren Zeitraum eine gewisse Konstanz zeigen. Da kann man dann sagen, er ist der Beste, aber nicht nach einer halben Saison.“

"Wir haben ein bisschen gefeiert"

Die LAOLA1-Glückwünsche zum Meistertitel nimmt Dickel, der einen Wiener zu seinem engsten Freundeskreis zählt, aber gerne entgegen:

„Wir haben ein bisschen gefeiert, aber natürlich nicht so, wie es normalerweise sein sollte. Es steht ja doch noch ein ganz, ganz wichtiges Spiel vor uns. In der Stadt haben die Fans riesengroß gefeiert. Es war rappelvoll, unfassbar, was sich da abgespielt hat. Die Fans freuen sich so unglaublich, wenn ein Titel nach Dortmund geholt wird. Das ist schon schön. Und ich hoffe natürlich, dass wir nach dem Finale weiter Party machen können.“

Meister- und Pokalfeier?

Gefeiert wird in Dortmund am Sonntag soundso, Pokalsieg hin oder her. „Nobby“ wird die Meisterfeier des BVB moderieren (LAOLA1.tv überträgt am Sonntag ab 18 Uhr LIVE –  in Österreich und der Schweiz. In Deutschland ist die Feier unter korso2012.meinbvb.de zu sehen).

Der große Makel der letzten beiden BVB-Saisonen war der fehlende Erfolg auf internationaler Ebene. Ob sich dieser in der kommenden Spielzeit einstellen wird und man in Deutschland den Lauf fortsetzten kann? Dickel ist optimistisch:

„Wir wollen natürlich besser abschneiden als in der letzten Champions-League-Saison. Unsere Jungs sind wieder ein Jahr erfahrener geworden, von daher bin ich zuversichtlich. Ich glaube auch, wir haben die Basis für weitere Erfolge in den letzten Monaten gelegt. Alle Großsponsoren haben verlängert, die Spieler und der Trainer sind langfristig an den Verein gebunden – und ich natürlich auch.“

Ob Dickel bei einem Champions-League-Triumph des BVB dann wieder singen müsste, steht in den Sternen. „Hoffentlich nicht“, lacht die Dortmunder Kultfigur.

 

Christoph Kristandl