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"Die Situation hat meinen Charakter widergespiegelt"

Sebastian Prödl kam, sah und fand sich überraschend auf der Bank wieder.

Nach der Länderspiel-Reise nach Aserbaidschan und Kasachstan musste der Innenverteidiger überraschend seinen Stammplatz bei Werder Bremen räumen.

Ebenso überraschend fiel die Reaktion des Steirers auf die Maßnahme von Coach Thomas Schaaf, Rückkehrer Naldo den Vorzug zu geben, aus:

„Ich kann den Trainer verstehen, weil Naldo Woche für Woche stärker geworden ist. Er hat sich hervorgetan. Das ist doch auch mir im Training aufgefallen“, erklärte Prödl damals öffentlich und wurde für seinen Umgang mit diesem Rückschlag von den deutschen Medien mit Respekt bedacht.

Rückblickend zahlte sich die Strategie, die Ruhe zu bewahren und auf Geduld zu setzen, ohnehin mehr als aus. Denn am vergangenen Wochenende meldete sich der ÖFB-Teamspieler beim 3:1-Sieg in Mainz mit starker Leistung inklusive erstem Saison-Tor zurück.

Im LAOLA1-Interview lässt Prödl das Wellental der letzten Wochen Revue passieren, spricht er über seinen Reifeprozess und schildert er seine ersten Eindrücke von Teamchef Marcel Koller.

LAOLA1: Gratulation zu deinem Treffer in Mainz. War das nach den letzten zwei Wochen auf der Bank ein Befreiungsschlag?

Prödl: Absolut. Nicht nur für die Mannschaft, auch für mich. Ich habe Geduld bewiesen, Ruhe bewahrt und versucht, mein Selbstvertrauen nicht zu verlieren. Das ist nicht einfach, aber es ist mir gut gelungen. Dieser Weg hat sich als sehr gut erwiesen.

LAOLA1: Dein Weg war es, ruhig zu bleiben. Du hast sogar gesagt, dass du Trainer Thomas Schaaf verstehen kannst. Hast du mit diesem Auftreten zusätzlichen Respekt gewonnen?

Prödl: Das muss man andere fragen, ob dieses Auftreten Respekt abverlangt. Ich glaube aber schon, dass ich für meine Leistungen respektiert werde und dafür, wie ich mich seit drei Jahren hier an der Weser gebe. Ich habe von Anfang versucht, authentisch zu bleiben, und das ist mir ganz gut gelungen – und dafür respektiert zu werden, ist mir wichtig. Diese Situation hat nur widergespiegelt, wie mein Charakter ist. Wenn ich dafür akzeptiert und respektiert werde, ist das natürlich gut.

LAOLA1: Wie überraschend kam es, dass du nach der Rückkehr von der Länderspiel-Reise auf der Bank Platz nehmen musstest?

Prödl: Bei solch einem großen Verein ist Konkurrenzkampf üblich. Ich bin nach einer langen Verletzungspause zurückgekommen, wir haben neue Spieler eingekauft, mit Naldo ist ein sehr guter zurückgekommen. Es gilt, sich Woche für Woche zu beweisen, und ich hoffe, dass mich der Konkurrenzkampf besser macht. Aber natürlich war ich überrascht. Ich habe vorher keine schlechten Leistungen gezeigt. Aber ich habe mich deswegen nicht von meinem Weg abbringen lassen.

LAOLA1: Werders Sportdirektor Klaus Allofs hat nach dem Mainz-Spiel gesagt, dass du einer der besten Offensiv-Kopfball-Spieler der Liga sein müsstest. Ist es ein Ziel, verstärkt an dieser Fähigkeit zu arbeiten?

Prödl: Absolut! Bei meiner Körpergröße muss ich das noch mehr zu einer Gefahr machen, und ich strebe es an, bei ruhenden Bällen, die eine Chance ergeben können, besser zu werden. Mich hat es geärgert, dass der Ball bei meinem Tor nicht gleich beim Kopfball drinnen war. Von dem her möchte ich auf alle Fälle versuchen, diese Stärke auszubauen und somit auch der Mannschaft zu helfen.

LAOLA1: Vor allem, da der Torriecher ja in der Familie liegen sollte, wenn man an deinen Bruder denkt…

Prödl: Mein großer Bruder hat am vergangenen Wochenende vier Tore in der Landesliga gemacht. Ich habe nach dem Spiel mit ihm telefoniert. Er hat gesagt, ich soll am Samstag nachlegen. Gott sei Dank ist mir das gelungen. Als Verteidiger braucht man von mir keine vier Tore zu erwarten, aber ich habe ihn mir als Vorbild genommen.

Prödl hatte ein informatives Gespräch mit Teamchef Koller

LAOLA1: Hast du in über drei Jahren in Deutschland grundsätzlich gelernt, mehr die Ellbogen auszufahren, weil das in diesem Geschäft einfach dazugehört?

Prödl: Das kommt dazu. Die Ellbogen auszufahren, ist als Innenverteidiger Pflicht.  Aber sicherlich ist es so, dass ich nicht der Typ bin, der herkommt und sagt: „So, Ich habe das Sagen!“ Sondern ich will mir alles anschauen, will mir natürlich gleich Respekt verschaffen, muss aber durch wiederholt gute Leistungen eine Akzeptanz erreichen, um eine gewisse Verantwortung zu gewinnen. So bin ich vom Typ her. So habe ich es bis jetzt bei Sturm und in der U20 gemacht, und versuche das auch bei der Nationalmannschaft und bei Werder. Verantwortung zu übernehmen, bringt mich weiter. Diese Erfahrung habe ich gemacht.

LAOLA1: Kommen wir zur Bundesliga: Sind die Bayern heuer überhaupt zu stoppen?

Prödl: Das wird man sehen. Wir schauen nicht auf die Bayern. Wir haben vor der Saison nicht das Ziel gehabt, die Bayern zu stoppen, sondern uns viel besser zu präsentieren als letztes Jahr, mehr Punkte einzufahren und mehr Ruhe in unserer Arbeit zu haben, um uns wieder längere Zeit positiv zu etablieren. Wenn uns dabei ein Sieg gegen die Bayern gelingt, würden wir uns riesig freuen. Das streben wir natürlich auch an. Die aktuelle Tabellensituation lässt uns jedoch in Ruhe arbeiten, und da interessiert uns nicht, wer unmittelbar vor oder hinter uns steht. Wenn wir März oder April hätten, würde ich Auskunft über gewisse Tabellenkonstellationen geben. Im Moment ist es aber nicht nur so dahergesagt, sondern wirklich so, dass wir sagen: Jetzt geht es gegen Köln, da wollen wir drei Punkte einfahren, um mit einer gewissen Ruhe in die Länderspielpause zu gehen.

LAOLA1: Wenn man die Tabelle betrachtet, fällt etwas ganz anderes auf: Unter den ersten sieben Vereinen gibt es mit Borussia Dortmund nur einen, bei dem kein Österreicher unter Vertrag steht. Viele ÖFB-Legionäre haben noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht, oder?

Prödl: Ich finde das super! Und ich finde es auch lässig, dass man fast jedes Wochenende gegen Österreicher spielt und sich bei der Nationalmannschaft über die Geschehnisse in der Liga austauschen kann. Das ist schon ein tolles Gefühl, muss ich sagen – und hoffentlich auch förderlich für den österreichischen Fußball, wenn wir die Leistungen auf die Nationalmannschaft übertragen.

LAOLA1: Du hast nach dem Mainz-Spiel gesagt, du möchtest der bestmögliche Sebastian Prödl sein. Was fehlt dazu noch?

Prödl: Ich möchte verletzungsresistenter werden, kann natürlich auch im Spiel noch einiges verbessern, zum Beispiel ein bisschen mehr Ruhe am Ball. Man kann grundsätzlich in allen Belangen besser werden. Auch wenn ich irgendwann der beste Sebastian Prödl bin, darf mich das nicht zufrieden stellen, sondern ich möchte immer versuchen, mich zu verbessern. Ich will mich auf nichts ausruhen und möchte nach der Karriere sagen, ich habe alles dafür getan, um ein glücklicher Sportsmann gewesen zu sein, der sich nichts vorwerfen muss. Was dabei herauskommt, wird man in der Endabrechnung sehen.

LAOLA1: Welche Rolle spielt die Erfahrung? Du hast inzwischen einige Profi-Jahre intus, erlebst gewisse Situationen nicht zum ersten Mal. Merkt man, dass einen das abgebrühter macht?

Prödl: Definitiv. Vor drei Jahren hätte ich in solch einer Situation vielleicht nicht so reagiert, möglicherweise hätte mich das mehr gestresst. Jetzt versuche ich das abgeklärter zu sehen, auch in meinem Spiel abgeklärter zu sein. Das ist die Routine, die man dazugewinnt, weil man einfach immens viele Erfahrungen in kürzester Zeit sammelt, und aus diesen Erfahrungen muss man eben Schlüsse ziehen. Das versuche ich in allen Lebenslagen, wenn ich von meiner Familie oder meiner Freundin darauf hingewiesen werde, welches Erscheinungsbild ich abgebe. Genauso, wenn man es auf den Sport bezieht, höre ich mir gerne Hinweise an, was ich verbessern kann. Kritik muss man auch positiv verarbeiten können. So schnelllebig wie der Fußball in Deutschland ist, wird man teilweise auch dazu gezwungen, abgeklärter zu werden, um hier bestehen zu können.

LAOLA1: Dass man für Feedback offen ist, ist grundsätzlich wichtig. Inwiefern ist das auch eine Kopffrage? Es gibt auch Spielertypen, die stur ihren Weg gehen, die sich Einflüsse von außen nicht gefallen lassen…

Prödl: Man kriegt Einflüsse von außen schon mit, das ist ganz klar. Man muss halt versuchen, auf diese gestärkt zu reagieren. Am Wichtigsten ist die Selbstkritik, und wenn die mit der Kritik, die von außen kommt, übereinstimmt, kann man ganz gut damit arbeiten. Anders ist es, wenn irgendetwas nicht der Wahrheit entspricht.

LAOLA1: Neo-Teamchef Marcel Koller hat Marko Arnautovic und dich in Bremen besucht. Hierzulande ist eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren. Kommt diese nach der ersten Kontaktaufnahme auch bei euch Spielern rüber?

Prödl: Das Gespräch war sehr gut. Die Inhalte sind zwar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, dennoch denke ich, dass es ein sehr informatives und förderliches Gespräch war, um einen ersten Kontakt herzustellen. Sich jeweils in Einzelgesprächen kennenzulernen, lockert auf alle Fälle gleich einmal die Stimmung auf, wenn man zur Nationalmannschaft kommt. Ich freue mich darauf.

LAOLA1: Koller hat Arnautovic eine DVD mit Szenen von ihm zusammengeschnitten. Wie gefällt euch Spielern diese Herangehensweise?

Prödl: Das ist natürlich sehr gut. Man fühlt sich mit dem Thema auseinandergesetzt, das gibt ein Gefühl von Zugehörigkeit und Interesse, und genau das sind gute Vorzeichen. Das gehört natürlich von uns Spielern weitergeführt, indem wir Leistung zeigen. Aber ich denke, wir sind auf gutem Wege, dass ordentliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

LAOLA1: Kollers Vorteil ist, dass er keinen Neuaufbau starten muss, sondern der Stamm großteils schon eine respektable Anzahl an Länderspielen vorzuweisen hat…

Prödl: Jetzt gilt es das Erfahrene umzusetzen. Wir zeigen in unseren Ligen gute Leistungen. Das gilt es, auch auf die Nationalmannschaft zu übertragen, ein Äutzerl mehr zu geben. Jeder muss sich selbst noch mehr in die Verantwortung nehmen, damit endlich einmal eine erfolgreiche Ära startet. Sich darauf zu verlassen, was man kann, bringt leider nichts. Man hat es in Kasachstan gesehen: Die schaffen es, 90 Minuten zu kämpfen, zu beißen und zu rackern. Obwohl wir die bessere Mannschaft waren, gelingt uns kein Tor. Wenn sich jeder voll einbringt, zu 100 Prozent seine Leistung abliefert, und wir eine vernünftige Arbeitsbasis haben, dann denke ich, dass wir erfolgreich sein können.

Das Gespräch führte Peter Altmann