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Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

In einer Domstadt am Rhein sorgt die Rückkehr eines ehemaligen Übungsleiters für Wirbel.

Die Rede ist hier natürlich von Mainz, wo noch nicht alle die Art und Weise des Abgangs von Thomas Tuchel verdaut haben.

Am Freitag kehrt dieser nun erstmals als Trainer von Borussia Dortmund zurück an seine alte Wirkungsstätte. Und prompt gibt es im Vorfeld dicke Luft.

"Nicht okay"

"Wie das damals abgelaufen ist, war nicht okay. Es haben Gespräche mit anderen Vereinen hinter unserem Rücken stattgefunden und da fehlte mir einfach der Respekt, nicht zuerst mit uns als Verantwortlichen zu sprechen", zeigt Mainz-Boss Harald Strutz gegenüber "sport1", dass er auch eineinhalb Jahre später noch keinen Frieden mit Tuchels Verhalten geschlossen hat.

"Der respektvolle Umgang beinhaltet auch, Klubverantwortliche mit einzubinden in die Überlegungen. Thomas Tuchel ist intelligent genug, um genau nachvollziehen zu können, welche Gründe mich dazu bewogen haben, ihm diese Respektlosigkeit vorzuwerfen", fügt Strutz hinzu.

Tuchel, der von 2009 bis 2014 das Training der 05-Profis leitete, teilte dem Verein in der Winterpause 2013/14 mit, dass er seinen Vertrag bis 2015 nicht erfüllen will. Angeblich soll er damals bereits mit anderen Vereinen verhandelt haben, so dass Mainz ihn nicht gehen lassen wollte. Tuchel bestand jedoch nach dem letzten Spieltag und der erfolgreichen Qualifikation für die Europa League darauf, seinen Vertrag zu beenden.

Verrat

Er ließ sich freistellen und legte, da die Rheinhessen seinen Vertrag nicht auflösen wollten, notgedrungen ein Sabbatjahr ein, bevor er einen Drei-Jahres-Vertrag bei Borussia Dortmund unterschrieb.

"Verträge werden bei Mainz immer eingehalten. Ein Wechsel ohne die Zustimmung von Mainz 05 ist nicht möglich. Das wird auch so bleiben", hatte Manager Christian Heidel damals erklärt.

Strutz hatte dem Ex-Trainer gar vorgeworfen, "die Mannschaft verraten" zu haben.

"Kloppo" machte es besser

"Jürgen Klopp war Herzenstrainer, Martin Schmidt in den letzten Monaten auch schon. Und Tuchel – der ist Trainer. So bewerten das die Fans", macht Strutz in der "Bild" einen großen Unterschied zwischen dem 42-Jährigen und Jürgen Klopp, der 2008 ebenfalls von Mainz nach Dortmund gewechselt war.

"Jürgen hat es damals korrekt gemacht. Er informierte Christian Heidel und mich Monate vorher darüber, dass er gerne den nächsten Schritt machen möchte, wenn der Wiederaufstieg nicht gelingt."

Grenzwertig

Tuchels Vorgehensweise und sein Abgang waren hingegen "schon grenzwertig", findet der 64-Jährige. "Es wurden Spieler verpflichtet, die davon ausgegangen waren, dass Tuchel bei uns bleibt. Er hätte mit uns und den Fans anders umgehen müssen. Das habe ich angemahnt und das nehme ich auch nicht zurück."

An Tuchels Leistung als Trainer ändere dies jedoch nichts, somit gibt es für Strutz "auch keinen Grund, Tuchel nicht zu grüßen. Ich muss ihm aber nicht um den Hals fallen. Er ist Gast bei uns im Stadion. Und jemanden, der bei uns Gast ist, dem sage ich Guten Tag."

Weniger nachtragend

Manager Heidel scheint indes bezüglich der "Causa Tuchel" inzwischen andere Ansichten zu haben. Oder zumindest darüber hinweg zu sein. "Das ist Haralds persönliche Meinung, die ich aber nicht teile", lässt er in der "Bild" ausrichten.

"Ich kann Thomas nicht den Respekt absprechen. Natürlich war sein Abgang ein großes Problem für den Verein. Aber das haben wir lange geklärt. Und das ist für mich abgehakt. Wir hatten sechs wunderbare gemeinsame Jahre und nur daran denke ich zurück. Thomas hat den Verein durch seine überragende Arbeit sehr geprägt", hegt der FSV-Manager im Unterschied zu seinem Vereinsboss keinen Groll mehr.

Eiskalt

Und Tuchel selbst? Der blickt seinem Besuch in der Coface-Arena gelassen entgegen, spielt die Bedeutung herab.

"Das ist keine besondere Woche", gibt er sich bei "Sport1" am Rande des 2:2-Testspiels bei Drittliga-Aufsteiger 1. FC Magdeburg nicht gefühlsduselig. "Das ist nichts, was mich derzeit emotional beschäftigt."

BVB braucht Sieg

Doch auch wenn er keinen persönlichen Erinnerungen nachhängt, eines ist klar: Rein sportlich gesehen gibt es sehr wohl eine gewisse Brisanz.

Nach vier sieglosen Pflichtspielen will Dortmund endlich wieder einen Dreier einfahren.

Der selbst betitelte "Karnevalsverein" hingegen hat als Tabellenachter keinen schlechten Saisonstart hingelegt, der Druck auf den Schultern der 05er ist ungleich geringer.

Allerdings: Mit einem Sieg könnte man sich auf zwei Punkte an den BVB heranschieben, was sicher den einen oder anderen Mainzer mit Genugtuung erfüllen würde...

 

Henriette Werner