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"So etwas habe ich im Fußball noch nie gespürt"

Die eine Woche Pause zwischen dem Schicksalsspiel um den Klassenerhalt in Paderborn und dem Einrücken ins ÖFB-Camp brauchte Florian Klein dringender als dringend.

Um abzuschalten. Um durchzuatmen. Um zu regenerieren. Um die Erlebnisse seiner ersten Saison in der deutschen Bundesliga zu verarbeiten.

Denn ein derartiger Nervenkitzel, wie ihn der VfB Stuttgart im Kampf gegen den Abstieg hingelegt hat, ist fraglos eine immense Stresssituation für die Psyche.

„Die letzten zwei, drei Wochen und speziell die Woche vor Paderborn war wirklich eine so richtig belastende Zeit. So etwas habe ich im Fußball auch noch nie gespürt. Natürlich redet dich in Stuttgart jeder darauf an, du kannst nirgends hingehen, ohne dass irgendjemand sagt: ‚Ihr werdet das schon schaffen‘ oder sonst irgendetwas. Dann denkst du wieder die ganze Zeit daran. Das ist eine richtige Drucksituation“, plaudert Klein aus dem Nähkästchen des Existenzkampfs.

„Die zweite Liga wäre persönlich natürlich eine Katastrophe“

Ein anderes Thema hätte es in der Schwaben-Metropole in den finalen Wochen der Saison nicht mehr gegeben: „Und wenn man dann zu Hause ist und ein bisschen Zeit zum Nachdenken hat, denkt man natürlich auch nur an die Spiele. Denn wenn du verlierst, bist du in der zweiten Liga und das wäre natürlich persönlich eine Katastrophe. Daher war das schon eine richtig schlimme Zeit. Jetzt im Nachhinein ist es natürlich angenehmer darüber zu reden, weil wir es ja trotzdem geschafft haben.“

Mit drei Siegen in den letzten drei Runden erreichte der VfB doch noch das rettende Ufer, darunter ein 2:1-Erfolg in besagtem Schicksalsspiel in Paderborn.

Der Oberösterreicher deutete bereits an, dass es sich im Nachhinein natürlich leicht reden lässt. Besteht man solche Bewährungsproben, heißt es gerne, dass man auch aus solchen Erfahrungen lernen kann.

Klein stimmt dieser Einschätzung zu: „Sicher kann man sagen, wenn du mit dieser Situation fertig geworden bist, ist es auch wieder etwas, woran du dich festhalten und Selbstvertrauen rausziehen kannst. Aber diese Woche nach dem Paderborn-Spiel war jetzt richtig wichtig, um ein bisschen runterzukommen.“

Tiefpunkt Schalke

Für den früheren Austrianer und Salzburg-Kicker war es naturgemäß eine ungewohnte Situation, in diesen Tabellengefilden zu spielen. Alleine von den Leistungen her verwunderte das Stuttgarter Schlamassel jedoch so manchen Beobachter. Diverse Experten fanden, dass der Traditionsklub zumindest in der Rückrunde von den Abstiegskandidaten den besten Fußball spielen würde.

Dies sieht auch Klein so, moniert jedoch die vielen Vorsprünge, die der VfB im Saisonverlauf aus der Hand gegeben habe. Tiefpunkt war diesbezüglich sicher das 2:3 auf Schalke, als ein unglückliches Eigentor des ÖFB-Legionärs in der 90. Minute die Niederlage besiegelte.

„Danach war es dann so, dass wir uns dachten, jetzt ist es vielleicht vorbei“, gibt der Rechtsverteidiger zu, „wir mussten dann eigentlich alle Spiele gewinnen. Das haben wir zum Glück geschafft.“

„Haben uns schwächer geredet, als wir sind“

Man kann davon ausgehen, dass man in Stuttgart alle Hebel in Bewegung setzt, damit der VfB nicht noch einmal in solch eine missliche Lage kommt. Welche Lektion man aus dieser Saison gelernt habe?

„Ich glaube, dass wir uns zwischenzeitlich fast ein bisschen schwächer geredet haben, als wir sind“, findet Klein und begründet dies damit, dass man sich in manchen Spielen schon im Vorfeld zu sehr mit der Rolle des Underdogs abgefunden habe, „ich denke, dass man vielleicht auch anders an die Geschichte rangehen kann, indem man sagt, auch in diesen Spielen muss man punkten.“

Startvorteil durch Red-Bull-Vergangenheit?

Dem alten Coach trauert Klein mehr hinterher, als man dies vermuten würde. Huub Stevens sei in der Mannschaft nämlich besser angekommen, als die Öffentlichkeit glaubt: „Also mir hat er schon getaugt. Ich bin richtig gut mit ihm zurechtgekommen, so wie die gesamte Mannschaft. Natürlich bringen die Medien immer das Thema mit den Affen. Aber das Gegenteil stimmt. Wir haben gut mit ihm zusammmengearbeitet und haben den Klassenerhalt geschafft. Dafür ist er auch geholt worden.“

Mit Alexander Zorniger ist der Nachfolger des Niederländers dafür geholt worden, um in Stuttgart eine neue Spielphilosophie zu etablieren. Da der neue Übungsleiter aus der Red-Bull-Familie kommt, könnte der ÖFB-Teamspieler einen Startvorteil haben, weil er die Herangehensweise aus Salzburg natürlich bestens kennt.

Klein selbst gibt sich jedoch eher abwartend: „Man muss zuerst schauen, wie der Trainer das umsetzt und ob es dann auch zu 100 Prozent diese Philosophie ist, aber ich glaube natürlich schon, sonst wäre er nicht so lange bei Red Bull gewesen. Ich denke aber, dass das dann nicht nur für mich gut ist, sondern für die gesamte Mannschaft. Diese Spielweise sollte vielen Spielern zu Gute kommen.“

Im Idealfall stellt sich auch der Erfolg wieder ein. Denn eine zweite Saison wie diese will in Stuttgart garantiert niemand erleben.


Peter Altmann

Gegen Ende der Saison habe man dann auch offensiver gespielt: „Da hatten wir auch starke Spieler, die das wirklich gut gemacht haben – vor allem Martin Harnik und Filip Kostic auf der Seite waren richtig gut. Da hat man auch wieder gemerkt, dass wir viel mehr an uns glauben müssen. Das müssen wir auch in die nächste Saison mitnehmen.“

Positive persönliche Bilanz

Klein selbst nimmt aus seiner Debüt-Spielzeit als Legionär durchaus positive Erkenntnisse mit. Er bestritt alle 34 Meisterschaftsspiele, die überwiegende Mehrheit über 90 Minuten. Am Ende standen drei Tore und zwei Assists zu Buche.

„Meine Leistung in dieser Saison war gut, es waren viele entscheidende Sachen dabei und vor allem war ich konstant. Es hat eigentlich von Anfang an gut funktioniert. Ich habe mich schnell eingelebt und fühle mich auch privat wohl. Leider sind wir dann eben in die Phase gekommen, wo es gegen den Abstieg gegangen ist. Dann geht es auch nicht mehr um eigene Leistungen, sondern nur noch darum, dass du die Saison rettest. Aber ich bin froh, dass das erste Jahr für mich gut verlaufen ist.“

In den letzten vier Runden machte der 28-Jährige dabei Bekanntschaft mit einer eher ungewohnten Position, indem er von der rechten Seite der Viererkette auf die linke übersiedelte.

„Das hat sich so entwickelt. Der Trainer war mit den Spielern auf dieser Position nicht so zufrieden. Er ist dann zu mir gekommen und hat gesagt, ich soll links spielen. Ich denke jedoch, dass weiter rechts mit mir geplant wird. Aber es kommt darauf an, wie das der neue Trainer sieht.“