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St. Pauli boykottiert Aktion der Bild-Zeitung

St. Pauli boykottiert Aktion der Bild-Zeitung

Soziales Gewissen in der Flüchtlingsfrage oder heuchlerische Werbung? Eine geplante Aktion der Bild-Zeitung spaltet den deutschen Fußball.

Wie das Boulevard-Blatt und die deutsche Bundesliga in dieser Woche bekanntgaben, sollen die 36 Bundesliga-Klubs am kommenden Wochenende mit einer Solidaritäts-Botschaft auf ihren Trikots auflaufen.

Logistik-Unternehmen Hermes, dessen Logo ansonsten auf den linken Ärmeln prangt, macht an diesem Spieltag Platz für einen Patch der Bild-Aktion "Wir helfen - #refugeeswelcome", um so "für eine aktive Willkommenskultur in Deutschland" zu werben.

Positive Reaktionen kamen von Verantwortlichen vieler Klubs, die die Aktion begrüßen. "Diese gemeinsame Aktion der Bundesliga ist eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen damit auch deutlich machen, dass alle helfen sollen, wo und wie sie nur können", meinte etwa Leverkusen-Sportchef Rudi Völler.

Augsburg-Geschäftsführer Peter Bircks erklärte: "Mit diesem Logo auf dem Ärmel setzt die gesamte Liga ein klares Zeichen in der aktuellen Flüchtlings-Diskussion."

"Das Flüchtlings-Drama geht jeden an, keiner darf wegsehen. Wir Fußball-Bundesligisten können, nein, wir müssen unsere Strahlkraft, unseren Einfluss und unsere Möglichkeiten nutzen, um den vielen Flüchtlingen, die schon so unglaublich gelitten haben, zu helfen. ,Wir helfen – #refugeeswelcome‘ ist eine großartige Initiative, die wir sehr gern unterstützen!", verdeutlichte Herthas Manager Michael Preetz.

St. Pauli boykottiert

Ein Verein legte sich aber quer. Der FC St. Pauli wollte auf die Teilnahme an dieser Aktion verzichten, dies aber nicht groß öffentlich machen. Die Hamburger informierten "am Mittwochvormittag alle beteiligten Parteien. Mit Verwunderung haben die Verantwortlichen des FC St. Pauli zur Kenntnis genommen, dass das vertrauliche Schreiben an die Bild-Zeitung von dieser genutzt wurde, die Absage des FC St. Pauli negativ in der Öffentlichkeit darzustellen", heißt es auf der Homepage der Kiez-Kicker, auf der Geschäftsleiter Andreas Rettig auch die Beweggründe erklärt:

"Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. Unser Testspiel gegen Borussia Dortmund, das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür. Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen. Hierüber haben wir vorab alle Beteiligten informiert. Der FC St. Pauli steht für eine Willkommenskultur und wir handeln damit auf eine Art und Weise, die unseren Club schon seit Jahrzehnten ausmacht. Wir leisten ganz praktische und direkte Hilfe dort, wo sie gebraucht wird."

Fans machen gegen Bild mobil

Gegenwind bläst der Bild-Aktion aber nicht nur von St. Pauli entgegen, unter #BILDnotwelcome formierte sich der Unmut vieler Fans, die dem Boulevardblatt Heuchelei vorwerfen. Die Zeitung habe mit ihrer Berichterstattung zu einer negativen Stimmung gegen Flüchtlinge beigetragen. "Dass Brandstifter gern selbst die Feuerwehr holen, um sich dafür als Helden feiern zu lassen, ist ja schon länger bekannt", gibt ein User plastisch den Tenor wieder.

Die Interessensgemeinschaft "Unsere Kurve", die in Deutschland die größte Anzahl von Fußballfans repräsentiert, rief am Donnerstag die restlichen Klubs auf, dem Beispiel St. Pauli zu folgen. Zwar begrüße man die Aktion für Flüchtlinge, nicht jedoch die Werbung für Bild.

Bild-Chefredakteur provoziert

"Der FC St. Pauli reagiert richtig, die Rückmeldungen der Fans bestätigen diesen Schritt. Die erbärmliche Anwort des Bild-Chefredakteurs auf den Boykott der Kiezkicker lässt deshalb nur den Schluss zu: Alle anderen 35 Profiklubs sind aufgerufen, sich dem Weg von St. Pauli anzuschließen und der Bild keine Plattform zu bieten, die ihr nicht zusteht", fordert Robert Pohl für Unsere Kurve.

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann unterstellte den Hamburgern nach deren Boykott, kein Herz für Flüchtlinge zu haben und goss via Twitter weiter Öl ins Feuer.

Im Laufe des Donnerstags teilte auch Union Berlin mit, nicht an der Aktion teilzunehmen.

Die Eisernen gaben bekannt, eine Immobilie, die demnächst zu einem Fanhaus mit Büros, Gastronomie und einem Service-Center umgebaut werden sollte, für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen.

"Wir haben die Möglichkeit, dazu einen Beitrag zu leisten, indem wir selber verzichten. Natürlich hätten wir unser Fanhaus sehr gerne anlässlich unseres 50. Vereinsgeburtstags im Januar eröffnet, aber wenn wir akute Not lindern können, dann tun wir das selbstverständlich", erläutert Fanhaus-Leiter Sven Mühle.

Man habe sich bereits seit Monaten für die Integration von geflüchteten Menschen in seinem direkten Umfeld und in der Stadt engagiert, erklären die Berliner und schließen mit der Mitteilung: "An der für den kommenden Bundesligaspieltag geplanten Aktion einer Boulevardzeitung wird der 1.FC Union Berlin hingegen nicht teilnehmen."

Mainz hält an Aktion fest

Der FSV Mainz gibt indes, als bislang einziger Klub nach der aufkommenden Kritik, ein Bekenntnis zu der Aktion ab. 

"Der Verein hat sich entschieden, beim Spiel am Freitag die Aktion der Bundesliga und ihrer Partner Hermes und der Bild-Zeitung zu Gunsten der Flüchtlinge bzw. zur Schaffung einer Willkommenskultur zu unterstützen und auf dem Trikotärmel ein Logo mit dem Schriftzug "Wir helfen #refugeeswelcome" zu tragen. In unseren Augen stärkt die Wirkung einer gemeinsamen Aktion der Bundesliga auch unser großes eigenes Engagement für Flüchtlinge. Ungeachtet der kontrovers geführten Diskussion um die Gemeinschaftsaktion wird Mainz 05 diese unterstützen und am Freitagabend das Sonderlogo auf dem Ärmel tragen. Der Wert des gemeinsamen Signals zu Gunsten der Flüchtlinge steht für uns über der aktuell geführten Diskussion. Unsere Solidarität gilt den Flüchtlingen!", schreiben die 05er auf ihrer Homepage.