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"Das kann nicht einmal Bayern München auffangen"

Es ist Feuer am Dach!

Sportliche Misere und Fanaufstände überschatten Fortuna Düsseldorf. Das Köpferollen hat mit der Entlassung von Sportvorstand Helmut Schulte längst begonnen.

In den letzten 19 Spielen gab es nur vier Siege, statt auf Aufstiegskurs ist man längst in die Bedeutungslosigkeit der 2. deutschen Bundesliga abgerutscht.

Mittendrin Michael Liendl, der aufgrund der brenzligen Situation ernüchtert wirkt. Was alles so gut begann, kommt derzeit einem Albtraum gleich. Und trotzdem fühlt sich der Ex-WAC- und Austria-Profi in der Modestadt pudelwohl und ist überzeugt, im Frühjahr 2014 die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

„Ich glaube schon, dass ich mich durchgesetzt und bewiesen habe, dass ich in dieser Liga schon einer der Besseren sein kann“, ist der einmalige ÖFB-Teamspieler überzeugt.

Beim Treffen mit LAOLA1 in der ESPRIT-Arena nahm sich der 29-jährige Mittelfeldmotor kein Blatt vor den Mund, nahm beinhart zur aktuellen Talfahrt Stellung, erläuterte seinen schnellen Durchbruch im hohen Alter und warum nicht alles scheiße ist.

LAOLA1: Michael, warum ist bei Fortuna Düsseldorf derzeit der Wurm drin?

Michael Liendl: Es ist natürlich schwierig und hat unterm Strich viele Ursachen, die ich nicht sagen kann. Es gibt immer Ansatzpunkte. Jeder Erfolgslauf und jede Niederlagenserie hat einen Grund. Dazu kommen viele Verletzte. Dann machst du zur richtigen Zeit nicht die Tore und kriegst immer wieder billige Gegentore. Das ist eh schon die ganze Saison die gleiche Sauerei. Wenn du immer einem Treffer oder einem Rückstand nachlaufen musst, dann wird es in der Liga einfach schwer – egal ob gegen den Letzten oder den Ersten. Gefühlt waren wir in jedem Spiel 0:1 hinten. Das ist halt schwierig.

LAOLA1: Der Aufstieg wurde verpasst, nach hinten kann nichts anbrennen. Lasst ihr die Ausrede gelten, dass dadurch ein wenig die Luft raus ist?

Liendl: Ich will auch keine Ausreden suchen. Prinzipiell ist Fakt, dass wir ein bisschen ein Loch gehabt haben, halt nie wirklich in die Spur gekommen sind, Spiele verloren haben und immer weiter von der Tabellenspitze weggekommen sind. Das ist keine einfache Situation gewesen. Wir haben uns natürlich alle viel mehr erwartet. Zusätzlich haben wir noch extrem viele Verletzte, die eine Qualität haben, die wir übers Jahr gesehen nicht ersetzen konnten. Ich will keinem die Qualität absprechen, aber ein gewisser Grad an Qualitätsunterschied ist halt doch da. Deswegen kommt das eine zum anderen.

Liendl will endlich wieder jubeln

LAOLA1: Ist das der große Unterschied zum Herbst, wo ihr wirklich guten Fußball gespielt habt, auf Platz 2 standet und klar auf Aufstiegskurs wart?

Liendl: Klar, in der Vorrunde haben wir wirklich um den Aufstieg gespielt. Da haben wir aber auch den Kader und die Qualität der Spieler gehabt. Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber wenn fünf, sechs, sieben Spieler andauernd verletzt sind? Das sieht man zurzeit auch bei Bayern München, dass es nicht einmal die auffangen können. Dann können wir das auch nur relativ schwer. Wir stehen zurecht da, wo wir jetzt stehen.

LAOLA1: Gegen Aalen gab es einen Fan-Boykott, die eigene Mannschaft wurde verhöhnt, ausgepfiffen, dem Gegner beim Tor applaudiert. Wie nahe geht dir das?

Liendl: Ich habe schon einiges im Fußball erlebt, unter anderem auch solche Szenen. Die will natürlich kein Fußballer haben. Natürlich ist es nicht schön, wenn sie dich nicht anfeuern. Aber bei dem Scheiß, den wir in den letzten Wochen zusammengespielt haben, haben wir auch auf gewisse Art und Weise Verständnis für die Fans. Allerdings macht es sicherlich niemand mit Absicht. Wir haben gewusst, dass es kein einfaches Spiel wird. Das wollten wir vermeiden, indem wir ein paar gute Aktionen zeigen. Wir haben nach vorne zwar teilweise gefällig gespielt, aber es ist immer die gleiche Scheiße, wenn wir hinten Tore bekommen, die normalerweise keiner Schülermannschaft passieren. Das ist alles für den Arsch!

Liendl fühlt sich trotz Krise pudelwohl

LAOLA1: Derzeit ist es für dich sicher nicht leicht, Positives zu finden. Aber wie wohl fühlst du dich prinzipiell in Düsseldorf? Ändert die Situation etwas daran?

Liendl: Klar, nur weil wir jetzt ein paar Mal verloren haben und die Stimmung so schlecht ist, ist jetzt nicht die Stadt, der Verein und alles hier scheiße. Das ist nicht der Fall. Der Verein ist nach wie vor richtig gut, wir haben trotzdem richtig viel Qualität, wenn alle an Bord sind. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir vorne mitspielen können. Fakt ist aber auch, dass wir zu viel darüber reden, dass wir vorne mitspielen können, wir es aber nicht tun. Dann ist es halt schwierig. Aber prinzipiell fühle ich mich in der Stadt und im Verein sehr wohl.

LAOLA1: War die Verlagerung deines Lebensmittelpunktes nach Deutschland somit die richtige Entscheidung für ein durchaus lebenswertes Umfeld?

Liendl: Die Stadt ist auf alle Fälle lebenswert. Ich fühle mich hier mit meiner Familie richtig wohl, uns geht es gut. Wir leben in einer Stadt, die richtig cool ist, ich bin bei einem Verein, der richtig gut ist. Jetzt sollten wir es noch sportlich auf Schiene bringen, dann steht eigentlich gar nichts mehr im Weg, um sich wohlzufühlen. Das ist zwar momentan leider nicht so, aber es gibt Phasen in einer Fußballkarriere, wo man halt durch muss.

LAOLA1: Ist es für dich derzeit die schwierigste Phase in deiner Karriere oder gab es bereits eine vergleichbare Situation?

Liendl: Ich habe das bei der Austria auch schon erlebt, wo die Fans auf die Barrikaden gegangen sind. Das war genau das gleiche. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich das in meiner Karriere nicht mehr erlebe, aber es ist noch einmal passiert. Es ist natürlich für keinen Fußballer schön, wenn du nicht angefeuert und nur ausgepfiffen wirst. Das wollte eigentlich jeder verhindern. Aber wir haben uns selber in die Situation gebracht, das ist natürlich eine Katastrophe.

LAOLA1: Wie kann Fortuna diese Saison doch noch schadenfrei zu Ende bringen und sich selbst aus diesem Schlamassel befreien?

Liendl: Es sind noch zwei Spiele. Ich habe schon viel zu oft gesagt, dass wir dumme Gegentore kriegen, uns zu naiv verhalten. Ich habe schon keinen Bock mehr, das jedes Mal zu wiederholen. Wir bringen es einfach nicht auf den Platz. Die Stimmung ist dementsprechend. Das tut der Mannschaft auch nicht gut, wenn du die ganze Zeit auf den Sack kriegst. Wir können von mir aus jetzt auch noch zwei Wochen ins Trainingslager fahren, das ist auch scheiß egal, das wird nicht viel helfen. Ich will auch gar nicht von den restlichen zwei Spielen reden, weil das schon ein kleiner Tiefpunkt ist. Wir müssen die zwei Spiele irgendwie über die Bühne bringen und alles reinhauen. Auch wenn das schon wieder die gleiche Leier ist, die geht mir selbst schon auf den Sack.

LAOLA1:Trotz der aktuellen Misere zählst du zu den absoluten Leistungsträgern und Führungspersönlichkeiten im Klub, sitzt noch dazu im Mannschaftsrat. Hättest du dir gedacht, so schnell hineinzufinden?

Liendl: Dass es so schnell geht, war vielleicht überraschend. Aber ich habe schon von Anfang an gewusst, als ich hierhergekommen bin, dass ich Qualität habe, mit der ich der Mannschaft weiterhelfen kann. Ich glaube, dass es extrem wichtig ist, von sich selbst überzeugt zu sein, wenn man nach Deutschland oder allgemein ins Ausland geht. Das war ich. Als ich hergekommen bin, habe ich auch eine gute Form vom WAC mitgenommen. Das hat natürlich einiges leichter gemacht, der Einstieg war im Spiel bei 1860 München relativ gut. Deswegen war es vielleicht überraschend, dass es so schnell gegangen ist, aber nicht, dass ich es geschafft habe.

LAOLA1: Du hast mit dem Schritt ins Ausland bis 28 Jahre zugewartet, viel Eingewöhnungszeit ist in dem Alter nicht mehr drin. War es einfach auch notwendig, sofort den Durchbruch zu schaffen?

Liendl: Auf alle Fälle. Umso älter, desto schwieriger. Das ist ganz klar. Für mich hat das perfekt hineingepasst. Es ist natürlich kein Wunschkonzert, man kann sich nicht immer aussuchen, wo man hingehen kann. Ich habe es aber perfekt getroffen. Wenn man mal 30, 31 ist, wird keiner mehr Ablöse für dich zahlen. Es kann natürlich vorkommen, aber wenn du dann noch nie im Ausland warst, ist es schwierig. Für mich war es der perfekte Zeitpunkt. Ich glaube schon – diese Negativserie ausgenommen -, dass ich mich durchgesetzt und bewiesen habe, dass ich in dieser Liga schon einer der Besseren sein kann.

LAOLA1: Wird der Aspekt, mit Erwin Hoffer und Christian Gartner weitere Österreicher um sich zu haben, überbewertet oder hat dir das anfangs schon auch geholfen?

Liendl: Prinzipiell ist es schon einfacher, wenn man gleich Landsmänner um sich herum hat, mit denen man sich unterhalten kann und die du zumindest vom Sehen kennst. Aber ich bin eigentlich ein Typ, der noch nie großartig Probleme gehabt hat, in eine Mannschaft hineinzufinden. Das war auch hier mit dem Start, wo es von Anfang an sportlich relativ gut gepasst hat. Das macht die Situation noch ein bisschen leichter. Es war auch einfacher, dass mich Helmut Schulte (Anm.: wurde am Montag entlassen) geholt hat, der wusste, was ich kann und hinter mir stand. Das Vertrauen habe ich gespürt. Das tut natürlich jedem Spieler gut.


Das Gespräch führte Alexander Karper