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Hörtnagl: "Das war nicht mehr zu toppen"

Hörtnagl:

Er engagierte Spieler wie Stefan Maierhofer oder Nikica Jelavic. Er förderte Rohdiamanten wie Christopher Drazan oder Yasin Pehlivan. Und er legte damit den Grundstein für Erfolg auf allen Ebenen.

Alfred Hörtnagl zählt ohne Frage zur Funktionärs-Elite im heimischen Fußball-Business. Unter seiner Regentschaft als Sportdirektor des SK Rapid Wien wurde der Meisterteller 2008 zum 32. Mal in der Vereins-Historie erobert.

Überdies versetzte "Grün-Weiß“ mit Glanzlichtern gegen Aston Villa sowie den Hamburger SV Europa in Aufruhr. Nebenbei erwirtschaftete der 45-Jährige ein mächtiges Transferplus von 8,4 Millionen Euro.

Nichtsdestoweniger verkündete Hörtnagl am 1. April seinen Rückzug aus Hütteldorf. Nun zieht der Tiroler als Fußball-Koordinator beim deutschen Zweitligisten Greuther Fürth die Fäden. Bei LAOLA1 äußert er sich zum Machtkampf mit Peter Pacult, Respekt, "Unaufsteigbare", mutige Teamchef-Wahl sowie Standing rot-weiß-roter Verantwortungsträger im Ausland.

LAOLA1: Herr Hörtnagl, ihre neue Aufgabe lautet Greuther Fürth. Seit 1. November sind sie im Amt, wie stressig waren die ersten Tage?

Alfred Hörtnagl: Stress, dieses Wort wird etwas überstrapaziert. Es ist natürlich einiges los, ich muss vieles kennenlernen und Mitarbeiter-Gespräche führen. In erster Linie versuche ich, alles über die Vorstellungen in verschiedensten Bereichen, das Funktionsprofil jedes Einzelnen sowie die Verantwortlichkeiten zu erfahren. Jeder Neuanfang ist spannend.

LAOLA1: Wann kam der Kontakt zu den „Kleeblättern“ zustande?

Hörtnagl: Mit Präsident Helmut Hack, welcher in der Vergangenheit operativ aktiv war und die Transfer-Geschichte mit Stefan Maierhofer abwickelte, bestand Kontakt. Wie es im Fußball-Geschäft so ist, haben wir uns über Spieler ausgetauscht und sind in Verbindung geblieben. Ich habe dann um ein allgemeines Gespräch gebeten, wo sich herausgestellt hat, dass Interessens-Parallelen bestehen.

LAOLA1: Sie wurden als Fußball-Koordinator verpflichtet. Welche Missionen umfasst dieser Posten?

Hörtnagl: Es gibt ein klares Definitionsbild. Einerseits geht es um den ganzheitlichen Ausbildungsweg, junge Spieler für den Profi-Fußball zu entwickeln. Zudem ist die Vernetzung zwischen Nachwuchs und Lizenz-Mannschaft ein entscheidender Punkt. Abteilungen müssen zusammenarbeiten und diese Verknüpfung leben. Unsere Talente sollen qualitativ hochwertig geführt werden und eine Triebkraft sein, wodurch sportliche und wirtschaftliche Wettbewerbs-Fähigkeit garantiert wird. Die Entwicklung soll der Vision Greuther Fürths gerecht werden.

LAOLA1: In wessen Verantwortung liegen künftig Transfers?

Hörtnagl: Ein zentraler Punkt meiner Tätigkeit stellt der Übergang unserer Entwicklungs-Spieler dar. Als unterstützende Maßnahme für Rachid Azzouzi werde ich die Planungen aus dem eigenen Bereich mitgestalten. Wenn ich helfen kann, werde ich Zusätzliches erledigen. Ganz klar ist jedenfalls, er ist der Manager der Profis.

LAOLA1: Greuther Fürth möchte mit einer talentierten Truppe endlich den Aufstieg in die Bundesliga verwirklichen. Kaum ein Team scheiterte derart häufig am erstmaligen Sprung in das Oberhaus. Wie wollen sie die „Unaufsteigbaren“ zur Erstligareife formen?

Hörtnagl: Investitionen werden nicht auf Teufel komm raus getätigt und das Budget dadurch hochgeschraubt, vielmehr ist es kontinuierlicher Aufbau. Das Ziel ist, die Organisation des Vereins in allen Bereichen so stark zu machen, dass der Aufstieg eine natürliche Folge der Qualitäts-Arbeit ist.

Pacult und Hörtnagl - eine erfolgreiches Verhältnis auf Reibung basierend

LAOLA1: Inwiefern ist die Aufgabe mit jener beim Rekordmeister vergleichbar?

Hörtnagl: Positionen werden bei jedem Klub anders ausgeschrieben und gelebt. Einige Elemente sind dabei, die ich bei Rapid eingebracht habe. Zum Beispiel der ganzheitliche Ausbildungsweg, den haben wir damals im Leitbild implementiert. Diese Erfahrungswerte werden mir helfen. Auch der Übergang, der Sprung zu den Profis, war bei Rapid ebenfalls eine große Herausforderung. Zusätzlich kommt das Scouting als Aufgabenbereich hinzu. Die Sichtung und Akquise von Spielern ist für Greuther Fürth, wo Talente nicht von selbst hin wechseln, enorm wichtig.

LAOLA1: Kommen wir kurz auf Rapid zu sprechen: Sie haben im März ihren Rücktritt verkündet. Wie sehen sie rückblickend ihre viereinhalbjährige Ära?

Hörtnagl: Eine harte aber äußerst erfolgreiche Zeit, welche ich nie vergessen werde. Ich durfte vieles lernen und konnte mich stark einbringen, zumeist weniger im Vordergrund agierend. Das liegt mir, nur im Hintergrund lassen sich Prozesse entwickeln und gestalten. Was bei Rapid aufgebaut wurde, halte ich für eine wertvolle Sache. Nicht nur Fußball-spezifisch können Talente wachsen, sondern überdies als Menschen durch das Erlernen von mentalen Werkzeugen sowie Selbstreflexionen. Als gefestigte Persönlichkeit sind sie dann bereit, um im Profi-Geschäft zu bestehen. Außerdem hatte ich große Personal-Verantwortung.

LAOLA1: Neben sportlichem Erfolg war damals auch der wirtschaftliche gegeben. Enttäuscht sie ihr Abgang aus Wien Hütteldorf? Fehlte ihnen ob der damals harten Kritik etwas Dankbarkeit?

Hörtnagl: Nein, ich kenne das Profi-Geschäft. Ich konnte die Entscheidung treffen und habe den Zeitpunkt gewählt. Ich konnte ein geordnetes Feld, mit guten Kennzahlen, einer gereiften Philosophie für Ausbildung und Entwicklung, wirtschaftlicher Stabilität sowie eine Mannschaft, die immer noch Qualität hat und wo Talente nachrücken, übergeben.

LAOLA1: Welche Rolle spielte der Machtkampf mit Ex-Trainer Peter Pacult?

Hörtnagl: Auf jeden Fall war es nicht die Grundlage meiner Entscheidung. Über die gesamte Laufzeit unserer Zusammenarbeit war das Verhältnis ein Thema. Es war auf Reibung aufgebaut. Letztlich war es eine erfolgreiche und herausfordernde Ära. Dann ist es sportlich nicht mehr so gut gelaufen, also wurde die Begründung darin gefunden, dass wir nicht miteinander können.

LAOLA1: Warum haben sie letztlich diese Konsequenz gezogen?

Hörtnagl: Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich den Auftrag erfüllt hatte. Wenn man sich ansieht, wo wir gestartet sind und was alles aufgegangen ist, zeigt es, dass für die Rahmenbedingungen unser Potenzial sehr weit ausgeschöpft wurde. Augenscheinlich waren die Transfererlöse, welche einen Rekord für Rapid und den österreichischen Fußball bedeuteten. Die Entwicklung des Vereins auf die nächste Stufe zu heben, wäre wirklich schwierig geworden. Man kann nicht stets mehr Zuschauer, mehr Merchandising, mehr Spieler-Verkäufe sowie mehr Talente fordern. Das war nicht mehr zu toppen.

LAOLA1: Nach ihrem Abgang trat Betreuer Pacult nochmals kräftig nach. Er fühlte sich blockiert und sei bei Transfers übergangen worden. Wie stehen sie zu dieser üblen Nachrede? Können sie sich einen Vorwurf machen?

Hörtnagl: Jeder Mensch macht Fehler und andere Dinge wiederum gut, deswegen ist es gar nicht relevant, was man da und dort anders machen würde. Ganz ehrlich: Es ist einfach nicht mein Stil, im Nachhinein über irgendjemanden was Schlechtes zu sagen. Es zeugt von Respekt, wenn man nicht nachtritt. Für mich ist das Thema abgeschlossen.

LAOLA1: Dann schließen wir die „Akte Rapid“: Der ÖFB berief den Schweizer Marcel Koller als neuen Teamchef, sämtliche Seilschaften standen im Abseits. Was halten sie davon, dass ein gänzlich unbefangener Mann bestellt wurde?

Hörtnagl: Er verdient die Chance, ruhig zu arbeiten. Er soll ein akribischer, wissenschaftlicher Trainer sein, das ist eine gute Ausgangsposition. Zudem hat er Erfahrungswerte im Ausland, eine mutige und gute Entscheidung. Natürlich wird er daran gemessen, ob wir uns für ein großes Turnier qualifizieren. Die Nachwuchs-Arbeit verbesserte sich in den letzten fünf bis sieben Jahren sukzessive. Junge Spieler stehen im Ausland unter Vertrag, sie müssen den nächsten Schritt machen und Führungselemente im Klub einnehmen. Es ist eine Basis vorhanden, um mit dem Nationalteam auf internationaler Ebene zu reüssieren. Das Wichtigste ist, dass eine Philosophie und Vision auf dem Platz verkörpert wird. Solche Dinge gehören Schritt für Schritt in den Nachwuchs eingebracht.

LAOLA1: Welche Bedeutung haben österreichische Funktionäre für das Standing? Bislang gehören sie mit ihrer Tätigkeit in Deutschland zu den Ausnahme-Erscheinungen.

Hörtnagl: Momentan sind wenige Trainer im Ausland tätig, vor allem im Management ist das äußerst selten. Für mich bedeutet es eine Herausforderung, bei einem gut strukturierten Verein wie Greuther Fürth Verantwortung zu übernehmen. Es war mein Ziel, den Schritt in ein großes „Fußball-Land“ zu setzen. Deutschlands zweite Liga ist die siebtgrößte der Welt, ein absolut führender Markt.

LAOLA1: Der Trend hin zu österreichischen Spielern ist bei unseren Nachbarn erkennbar. Wie groß ist die Wertschätzung für den „Ösi-Kick“? Welchen Effekt hat besonders die Leistung der ÖFB-Elf auf den Stellenwert?

Hörtnagl: Die Entwicklung im Nachwuchsbereich ist anerkannt. Es ist mehr Qualität vorhanden, mehr System und eine klare Konzeption dahinter. Im Ausland wurde das registriert. Viele Klubs versuchen, junge Talente aus Österreich zu verpflichten. Dennoch: Um Akzeptanz in Deutschland und Europa zu bekommen, muss unser Aushängeschild, das Nationalteam, modernen, erfrischenden, offensiven und erfolgreichen Fußball spielen.

Das Gespräch führte Christoph Köckeis