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"Die Geschichtsbücher werden jetzt neu geschrieben"

15 Jahre spielt die Spielvereinigung Greuther Fürth nun schon in der zweiten deutschen Bundesliga.

108 Mal standen die Franken in dieser Zeit auf einem Aufstiegsplatz, neun Mal kämpften sie bis zum Schluss um einen solchen.

Geklappt hat es bislang nie. Ja, bislang. Denn 2011/12 schlug die große Stunde der "Kleeblätter".

Mit dem 2:1 gegen Mitkonkurrent St. Pauli und der gleichzeitigen Niederlage von Düsseldorf in Dresden (1:2) wurde der Aufstieg in das deutsche Oberhaus perfekt gemacht.

Mittendrin im Fürther Märchen: Alfred Hörtnagl.

Der Tiroler, bis zum April des Vorjahres noch Rapid-Sportdirektor, arbeitet seit November als Fußball-Koordinator beim Neo-Bundesligisten.

Im LAOLA1-Interview erzählt der 45-Jährige von Erfolgsgeheimnis und Philosophie, und sagt, warum in Österreich zu negativ gedacht wird.

LAOLA1: Herr Hörtnagl, herzliche Gratulation zum Aufstieg mit Greuther Fürth. Wie haben Sie den gestrigen Montag erlebt?

Alfred Hörtnagl: Ich habe leider nur einen Teil des Spiels Dresden gegen Düsseldorf gesehen, weil ich nach Duisburg fahren musste. Ich war aber ständig informiert. Es war ganz stark, als ich erfahren habe, dass wir den Aufstieg geschafft haben.

LAOLA1: Was bedeutet der Aufstieg für Fürth?

Hörtnagl: Es ist schon etwas ganz Besonderes. Die Leute haben über viele, viele Jahre alles aufgebaut und es oft probiert, in die erste Liga zu kommen. Leider ist Fürth oft knapp gescheitert. Deswegen ist dieser Aufstieg nun ein historischer Erfolg.

LAOLA1: Fürth ist in den letzten 15 Jahren 108 Mal auf einem Aufstiegsplatz gestanden. Wie sehr ist auch die Erleichterung spürbar?

Hörtnagl: Nach unserem Sieg gegen St. Pauli sind schon viele Emotionen frei geworden. Das war ein ganz wichtiger Schritt. So richtig ausgelassen wird es aber jetzt erst werden. Die nächsten Spiele werden sicher ein Fest.

LAOLA1: Warum hat es in dieser Saison geklappt? Was zeichnet die Mannschaft aus?

Hörtnagl: Das könnten andere Vertreter des Vereins, wie der Trainer, besser erklären. Fakt ist, dass es eine sehr homogene und geschlossene Mannschaft ist, die ein starkes taktisches Auftreten hat. Daneben gibt es gute Individualisten.  Das Team ist sehr proaktiv ausgerichtet und hat das Konzept von Trainer Mike Büskens perfekt umgesetzt.

LAOLA1: Im Erfolgsmärchen spielt Präsident Helmut Hack wohl die größte Rolle, oder?

Hörtnagl: Absolut. Er ist derjenige, der vorne weg geht und sehr aktiv im Tagesgeschäft dabei ist. Er gibt die Richtung vor und hat mit einem sehr guten Team das ermöglicht, was nun Realität ist. Der Aufstieg in die Bundesliga ist fantastisch. Die Geschichtsbücher werden jetzt neu geschrieben. Und alles ist nicht durch Zufall oder durch ein hohes finanzielles Risiko entstanden, sondern durch Kontinuität.

LAOLA1: Sie sind seit November 2011 in Fürth. Wie haben Sie sich bislang eingelebt?

Hörtnagl: Ich habe mich gut eingelebt. Es waren sehr intensive Monate. Alles war neu, mein Aufgabengebiet groß. Ich bin inmitten vieler Prozessgestaltungen für verschiedenste Themen. Ich arbeite als eine Art Schnittstelle zwischen dem Nachwuchs- und Profibereich. Es geht unter anderem um Scouting, Kooperationen und wie junge Spieler am schnellsten hochgezogen werden können.

LAOLA1: Ist gerade für einen kleinen Verein wie Greuther Fürth die Nachwuchsarbeit das Um und Auf?

Hörtnagl: In ganz Deutschland hat die Nachwuchsarbeit in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert bekommen. Es ist immer wichtig, dass Spieler entwickelt werden und Richtung Lizenzmannschaft marschieren. Bei uns gibt es mit Schröck, Prib, Sararer und Greis viele Beispiele dafür. Sie sind zu fixen Größen in der Mannschaft geworden. Das hat es in Fürth auch in der Vergangenheit schon oft gegeben. Spieler wurden verkauft und die Erlöse sofort wieder in den Entwicklungsprozess investiert. Das ist vorbildhaft.

LAOLA1: Wird sich Ihr Aufgabengebiet in der Bundesliga erweitern?

Hörtnagl: Das werden wir erst definieren. Jetzt ist es einmal wichtig, dass der Aufstieg fixiert ist. Wie das Team für die Herausforderung Bundesliga aussieht, werden wir sehen.

LAOLA1: Vor fast genau einem Jahr (1. April) sind Sie bei Rapid zurückgetreten. Haben Sie mit dem Schritt nach Fürth alles richtig gemacht?

Hörtnagl: Man muss natürlich sehen, wie sich alles weiterentwickelt. Ich wollte einfach eine neue Herausforderung und hatte für mich das Gefühl, dass ich bei Rapid meine Aufgabe erledigt habe. Darum habe ich diese schwere Entscheidung getroffen. Nach einigen Monaten Pause durfte ich diese neue Aufgabe in Deutschland annehmen. Es ist ein Riesenmarkt, in dem ich viele Erfahrungen sammeln kann.

LAOLA1: Haben Sie Ihre Entscheidung, bei Rapid zurückzutreten, je bereut?

Hörtnagl: Nein, ich hatte eben das Gefühl, dass mein Auftrag erfüllt ist. In den viereinhalb Jahren ist bei Rapid viel Positives entstanden. Ich habe eine gute Basis übergeben, was mir sehr wichtig ist. Der Prozess war für mich abgeschlossen. Wenn man sich ansieht, wo wir gestartet sind und was alles aufgegangen ist, zeigt es, dass für die Rahmenbedingungen unser Potenzial sehr weit ausgeschöpft wurde. Augenscheinlich waren die Transfererlöse, die für Rapid und den österreichischen Fußball einen Rekord bedeuteten. Die Entwicklung des Vereins auf die nächste Stufe zu heben, wäre wirklich schwierig geworden. Man kann nicht stets mehr Zuschauer, mehr Merchandising, mehr Spieler-Verkäufe sowie mehr Talente fordern. Das war nicht mehr zu toppen.

LAOLA1: Verfolgen Sie die Österreichische Bundesliga noch regelmäßig?

Hörtnagl: Natürlich. Das gehört zu meinem Job. Der österreichische Markt ist für uns auch sehr interessant. Ich beobachte ihn sehr intensiv und habe alles auf dem Schirm.

LAOLA1: Ist die Liga trotz des bescheidenen Niveaus in den letzten Wochen noch interessant?

Hörtnagl: Es wurde viel diskutiert. Aber ich finde, dass man das differenziert sehen muss. Man muss die Umstände und Hintergründe kennen. Positiv finde ich, dass im Nachwuchs gut gearbeitet wird und die Spieler auch im internationalen Vergleich gut ausgebildet werden. Viele junge Spieler gehen weg, andere rücken in die Bundesliga auf. Dass es andere Problemzonen wie beispielsweise die Infrastruktur oder die generelle Struktur im österreichischen Fußball gibt, ist unbestritten.

LAOLA1: Wird die Liga einfach schlechter geredet als sie tatsächlich ist?

Hörtnagl: In Österreich geht es sehr schnell, dass alles nur negativ gesehen wird. Dabei muss man die Dinge differenziert diskutieren und analysieren. In verschiedenen Bereichen müsste man wahrscheinlich einmal über grundsätzliche Dinge sprechen. Das wäre der nächste Schritt.

Das Interview führte Kurt Vierthaler