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"Wenn man Chance bekommt, muss man sie nutzen"

"Jeder, der irgendetwas mit Fußball zu tun hat, weiß, was der FC St. Pauli ist", schwärmt Michael Gregoritsch im LAOLA1-Interview.

Es ist eine besondere Adresse im deutschen Fußball, an der das ÖFB-Stürmer-Talent den nächsten Karriereschritt hinlegen will.

Der Kult-Verein vom Kiez anstatt des Retortenklubs aus Hoffenheim, bei dem sich der 19-Jährige in der Vorsaison versuchte und für die zweite Mannschaft in der Regionalliga elf Treffer erzielte.

Damit gehört der Steirer auch zu den zahlreichen neuen Gesichtern aus Österreich, welche die 2. deutsche Bundesliga in dieser Saison bereichern.

Gregoritsch begrüßt diese Entwicklung und nimmt sich persönlich viel vor:

LAOLA1: Wie ist der Wechsel zu St. Pauli zustande gekommen?

Michael Gregoritsch: Nachdem klar war, dass Hoffenheim für diese Saison nicht mit mir plant, hat sich der FC St. Pauli bei mir gemeldet. Ich bin für Gespräche mit Trainer Michael Frontzeck und Manager Rachid Azzouzi nach Hamburg geflogen. Danach war mir schnell klar, dass ich den Schritt zu St. Pauli gehen will.

LAOLA1: Mit welchen Argumenten haben dich Trainer und Manager gelockt?

Gregoritsch: Indem sie gesagt haben, dass sie mir eine faire Chance geben wollen. Sie haben gesagt, dass sie mit drei Stürmern in die Saison gehen wollen und ich einer davon bin. Deshalb sei die Chance sehr groß, dass ich zu meinen Einsätzen in der zweiten deutschen Liga komme.

LAOLA1: Welche Philosophie verfolgt Trainer Frontzeck?

Gregoritsch: Wir wollen sehr viel fußballerisch lösen. Wir haben eine sehr spielstarke Mannschaft, auch die Mischung aus Alt und Jung passt. Ich glaube, dass wir eine sehr gute Truppe sind.

LAOLA1: St. Pauli ist ein Kult-Klub. Wofür steht der Verein in deinen Augen?

Gregoritsch: Jeder, der irgendetwas mit Fußball zu tun hat, weiß, was der FC St. Pauli ist. Jeder, der mal in Hamburg ist, will sich ein Spiel von St. Pauli anschauen, oder zumindest in den Fanshop. Es ist wirklich unglaublich, welche besondere Tradition und welcher Spirit in diesem Verein stecken. Das lebt hier jeder vor, vom Kleinsten bis hoch zum Präsidenten.

Der Plan: Erst Schnupper-Einsätze, dann Entwicklung zur Stammkraft

LAOLA1: Wirst du in Hamburg auf der Straße schon erkannt?

Gregoritsch: Nein. Ich bin noch ein sehr kleiner Fisch im großen Fußball-Teich in Deutschland. Deswegen bin ich eigentlich froh, dass mich keiner erkennt.

LAOLA1: Das dürfte sich ändern, wenn du Tore erzielst. Hamburg ist ja auch eine Medienstadt. Inwiefern bist du schon in Berührung mit der Presselandschaft gekommen? Um St. Pauli herrscht ja doch ein gewisser Trubel…

Gregoritsch: Das ist eigentlich nicht so schlimm, bis jetzt war alles positiv. Ich hoffe, dass das über die ganze Saison so weitergeht.

LAOLA1: Welche Ziele setzt du dir bei St. Pauli?

Gregoritsch: Wichtig ist jetzt einmal, dass ich in den 18-Mann-Kader und auf meine ersten Schnupper-Einsätze in der Liga komme. Ich will mich hier natürlich zum Stammspieler entwickeln. Wichtig wäre auch, wenn ich Tore schießen und somit der Mannschaft helfen kann.

Gemeinsam mit den Neuzugängen Marcel Halstenberg (l.) und Christopher Nöthe

LAOLA1: Du hast vorher gesagt, Hoffenheim hat für diese Saison nicht mit dir geplant. Wie schwierig war die Situation dort?

Gregoritsch: Sie haben mir gesagt, dass sie für diese Saison nicht mit mir planen. Wie es für die Zukunft ausschaut, muss man nächstes Jahr im Sommer klären. Was dann passiert, kann ich nicht vorhersagen. Es ist wichtig, dass ich in der zweiten Liga Spielpraxis bekomme. Ich befasse mich derzeit jedoch nicht intensiv mit Hoffenheim, sondern konzentriere mich auf St. Pauli. Aber man verfolgt natürlich die Mannschaft und auch, dass sie Philipp Hosiner holen wollen.

LAOLA1: Der Transfer gilt vorerst als gescheitert. Was hätte Hosiner in Hoffenheim erwartet?

Gregoritsch (schmunzelt):  Ich habe mir vorgenommen, dass er meine Wohnung übernehmen kann, wenn er hinwechseln sollte. Aber momentan zieht es sich noch. Wenn es doch noch klappen sollte, werde ich ihn aber deswegen kontaktieren. Ich glaube, dass sich „Hosi“ dort durchsetzen würde, weil er einfach vor dem Tor eine große Qualität hat und sehr gut für die Mannschaft arbeiten kann. Das ist genau das, was Trainer Markus Gisdol erwartet.

LAOLA1: Die 2. Bundesliga wird aus österreichischer Sicht immer interessanter. Trainer Peter Stöger heuerte in Köln an, Robert Almer in Cottbus, zuletzt wechselte Christian Gartner zu Düsseldorf. Wie groß ist die Vorfreude auf die Österreicher-Duelle?

Gregoritsch: Groß. Man verfolgt natürlich, was die anderen Österreicher in Deutschland machen. Dass so viele Österreicher in der Bundesliga und auch in der 2. Bundesliga spielen, ist ein sehr guter Schritt für den österreichischen Fußball. Denn man lernt im Ausland wirklich viel, man kann in jedem Training besser werden. Wobei ich die österreichische Liga nicht schlechtreden will, die hat auch ihre guten Qualitäten. Der große Unterschied ist die Infrastruktur. Man sieht, dass in der 2. Liga bei den Spielen häufig 15.000 bis 20.000 Leute im Stadion sind, in Österreich spielt man hin und wieder vor 2000 oder 3000. Das Tempo ist auch ein bisschen höher, das liegt aber hauptsächlich daran, dass hier in Deutschland sehr viele Nationalspieler spielen, die man vor allem aus finanziellen Gründen nicht nach Österreich locken kann, aber auch wegen der Infrastruktur.

LAOLA1: Du bist schon drei Jahre im Profigeschäft präsent, obwohl du erst seit April 19 Jahre alt bist. Überwiegt die Ungeduld, sich endlich auch in Deutschland durchzusetzen, oder sagst du dir, dass du in deinem Alter noch Zeit hast?

Gregoritsch: Die Geduld ist schon wichtig. Das sieht man auch am Beispiel Raphael Holzhauser, der zwei Jahre in der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart gespielt hat – und plötzlich war er da. Diese Geduld muss man aufbringen. Wenn man dann die Chance bekommt, muss man sie nutzen. Ich sage nicht, ich bin 19 Jahre und habe noch viel Zeit, sondern ich will meine Chance so schnell wie möglich nutzen und mich in Deutschland durchsetzen.

LAOLA1: Wie sehr hilft es, dass du schon ein Jahr in Deutschland hinter dir hast und weißt, was erwartet wird?

Gregoritsch: Natürlich hilft es, wenn man schon ein Jahr in Deutschland war. Aber beim neuen Verein beginnt man wieder bei Null. Das Wichtigste ist, dass man eine faire Bewährungschance vom Trainer bekommt. Die beiden Besten spielen dann im Angriff – ich tue alles dafür, dass ich einer von beiden bin. Aber am Anfang muss ich natürlich noch lernen. Es sind zwei gestandene Stürmer (Christopher Nöthe und John Verhoek; Anm.d.Red.) vor mir – und ich bin auch sehr froh, dass sie vor mir sind, denn ich kann befreit und ohne Druck aufspielen.

LAOLA1: Was war für dich die größte Umstellung in Deutschland?

Gregoritsch: Es geht im Training schon viel robuster und schneller zur Sache. Das habe ich anfangs gespürt und spüre ich auch jetzt noch. Aber man lernt in jedem Training, muss immer 100 Prozent geben. Anders geht es nicht. Deswegen ist der Schritt nach Deutschland schon der richtige gewesen.

Gregoritsch freut sich auf die ÖFB-Zukunft

LAOLA1: Dein Vater Werner ist dein Teamchef im U21-Nationalteam. Inwiefern versorgt er dich mit Tipps für die Vereinskarriere?

Gregoritsch: Im U21-Team sind wir Trainer und Spieler. Bei allem, was rundherum passiert, sind wir Vater und Sohn. Natürlich gibt er mir Tipps, aber ich spiele jetzt unter dem Trainer Frontzeck und nicht unter dem Trainer Gregoritsch. Wir führen normale Gespräche, die Vater und Sohn führen, da geht es nicht immer um Fußball, sondern auch um andere Dinge.

LAOLA1: Das heißt, es gilt, den eigenen Weg zu finden?

Gregoritsch: Natürlich, aber kombiniert mit den Tipps des Vaters. Manchmal ist es schwer, sie alle zu befolgen, aber im Endeffekt sind bis jetzt immer alle richtig gewesen. Deswegen bin ich sehr froh, dass sich mein Vater im Fußballgeschäft auskennt.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Bezüglich Infrastruktur hat auch St. Pauli aufgerüstet. Was macht den Reiz des Millerntor-Stadions aus?

Gregoritsch: Der Reiz ist, vor 30.000 Leuten zu Hells Bells von AC/DC einzulaufen. Jeder Fußballer träumt davon und bekommt eine Gänsehaut, wenn er das im Fernsehen sieht. Man ist verpflichtet, 100 Prozent zu geben und nie lockerzulassen.

LAOLA1: Wo soll die Reise in deiner Karriere hingehen? Ist es dein Ziel, dich langfristig in der Bundesliga zu etablieren?

Gregoritsch: Es ist das Ziel eines jeden jungen Fußballers, sich im Ausland zu etablieren – ganz egal, ob England, Deutschland, Spanien oder Italien. Man will in eine der vier großen Ligen. Und vor allem will man ins A-Nationalteam kommen. Ich hoffe, dass ich diese Ziele bald erreichen kann. Aber ich will nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen, sondern mich voll auf St. Pauli konzentrieren.

LAOLA1: Ins A-Nationalteam aufgenommen zu werden, ist momentan nicht einfach. Andererseits stehen in den Kadern der U21 und U19 große Talente. Wie hoffnungsvoll stimmt dich das für den österreichischen Fußball?

Gregoritsch: Wenn ich sage, ich möchte möglichst bald ins A-Team, ist natürlich klar, dass Marc Janko, Philipp Hosiner und Co. für die nächsten zwei, drei Jahre im Angriff vermutlich gesetzt sind. Aber dahinter sind in meinen Augen sehr gute Jahrgänge. In der U21 haben wir eine sehr realistische Chance auf die Europameisterschaft 2015 in Tschechien. Deswegen glaube ich, dass sich der österreichische Fußball berechtige Hoffnungen auf eine gute Zukunft machen darf.