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"Kein Weltmeister ist einfach durchmarschiert"

Nur noch ein Spiel trennt Joachim Löw davon, all seine Kritiker verstummen zu lassen. Ein Sieg im WM-Finale am Sonntag gegen Argentinien würde den Bundestrainer auf den Trainer-Olymp hieven und ganz Deutschland würde ihm zu Füßen liegen.

„Jogi“ weiß aber, dass das Endspiel für seine favorisierte DFB-Elf kein Selbstläufer wird. „Diese Mannschaft ist nicht nur Messi, würde man das denken, würde man einen Fehler machen“, ist Löw vor der wichtigsten Partie seiner Trainerlaufbahn bemüht, ein Unterschätzen der „Albiceleste“ zu vermeiden. „Sie sind defensiv kompakter und viel stabiler als noch 2010“, führt er aus.

Auch aus dem furiosen 7:1-Spektakel seiner Truppe im Halbfinale gegen Brasilien will Löw keine falschen Schlüsse gezogen wissen. „Wir dürfen das Spiel gegen Brasilien nicht als Maßstab nehmen, wer denkt, dass das so einfach ist, hat sich mit Argentinien nicht intensiv beschäftigt. Das wird ein ganz anderes Spiel“, ist er sich sicher.

Wundertüte Argentinien

Zudem sieht sich der Bundestrainer mit einem enorm variablen Gegner konfrontiert. Sein Gegenüber Alejandro Sabella baute die „Gauchos“ im Turnierverlauf taktisch und in ihrer Formation um, wie Argentinien im Endspiel auftreten wird, steht in den Sternen.

„Sie sind eine Mannschaft die den Gegner mit ihrer ersten Reihe früh attackieren und unter Druck setzen kann. Sie versuchen manchmal hoch anzugreifen und offensiv zu spielen, manchmal lassen sie sich aber auch fallen und versuchen über ihre Defensive und Ballkontrolle Messi Co. einzusetzen. Sie können beides sehr gut“, analysiert Löw. „Es wird ein Spiel, in dem vieles vorkommen kann. Vielleicht wird Argentinien uns früh stören, vielleicht werden sie abwarten. Auf all diese Dinge müssen wir uns einstellen.“

Auf jeden Fall freut er sich auf eine brisante Partie. „Es wird ein packendes Finale sein mit unglaublichem Fight. Beide Mannschaften begegnen sich in diesem Spiel absolut auf Augenhöhe“, sieht Löw eine offene Ausgangsposition, stellt aber auch klar: „Wir haben das richtige Maß an Selbstbewusstsein aus den letzten Spielen mitgenommen. Wir haben Respekt aber keine Angst und wir sind überzeugt, wenn wir unser Spiel durchsetzen können, dann werden wir gewinnen.“

Schlechte Spiele gehören dazu

Die Kritik an den durchwachsenen Leistungen seiner Mannschaft, wie auch an jener der Argentinier, tut der Bundestrainer mit einem Blick in die WM-Historie ab. „Meine Erfahrung sagt mir, dass keine Mannschaft durch ein Turnier kommt mit sieben Spielen, die alle herausragend sind. Es gab immer auch diese Partien, in denen große Mannschaften Schwierigkeiten haben und auf Widerstände treffen“, erklärt Löw, der auch Beinahe-Blamagen etwas Positives abgewinnen kann.

„Gegen Algerien war es für uns so eine Situation, in der wir gegen einen Gegner gespielt haben, der nichts zu verlieren hatte und wo wir auch vieles falsch gemacht haben. Aber ich denke, dass ist auch mal gut in so einem Turnier, wenn man aus diesen Fehlern lernen, Dinge aufzeigen und daraus neue Energie schöpfen kann. Es gab glaube ich noch nie einen Weltmeister, der durch ein Turnier marschiert ist und jedes Spiel dominiert hat.“

Niederlage wäre keine Katastrophe

Für einige der deutschen Spieler könnte das Finale gegen Argentinien die letzte Chance sein, doch noch einen großen Titel mit der Nationalmannschaft mitzunehmen und auch Löws Zukunft nach der WM ist noch nicht geklärt. Unter Druck setzten lässt sich der 54-Jährige aber nicht und dem Finale blickt er ohnehin kühl entgegen.

„Für mich persönlich ist das nicht die größte Herausforderung meiner Karriere, da gab es schon andere, die ähnlich waren. Jedes Spiel bei einem Turnier, jedes K.o.-Spiel ist eine Herausforderung für sich“, sieht es Löw nüchtern.

Dass alles andere als der Titel für Deutschland eine Katastrophe wäre, glaubt er nicht. „Wir haben in den letzten Jahren einen guten Weg beschritten und sind auch in den letzten Monaten und in diesem Turnier reifer geworden. Von daher wird auch nach einer Niederlage, von der wir natürlich nicht ausgehen, nicht alles in Schutt und Asche liegen. Der deutsche Fußball hat Zukunft, da sehe ich keine Probleme.“

 

Aus Rio de Janeiro berichtet Christoph Kristandl