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Die Zukunft des Torwart-Spiels hat längst begonnen

Die Zukunft des Torwart-Spiels hat längst begonnen

Ein Torwart als legitimer Nachfolger Franz Beckenbauers?

Eigentlich eine Unmöglichkeit, war der „Kaiser“ doch einer der besten Feldspieler seiner Zeit. Mit dem Auftritt gegen Algerien schickte sich Manuel Neuer aber an, in die Fußstapfen des einstigen Liberos zu treten.

Nie zuvor war das moderne Torwartspiel so augenscheinlich wie bei Deutschlands 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Algerien. Mehrere Male klärte Neuer weit vor dem eigenen Kasten auf spektakuläre Weise.

Der ehemalige Nationalspieler und US-TV-Experte Alexi Lalas bezeichnete den 28-Jährigen via Twitter gar als „Visionär“:  „In einer Nacht hat er die Torhüter-Position neu definiert. Die Zukunft wurde zur Gegenwart.“

Almer: Libero-Spiel ist nichts Neues

Ganz so drastisch sieht es ÖFB-Teamgoalie Robert Almer nicht. „Das ist nicht die Zukunft, sondern eigentlich schon jetzt Tatsache. Neuer spielt seit langer Zeit so, als Torhüter sollte man das können. Es kommt natürlich immer auf die taktische Ausrichtung der Mannschaft an“, meint Österreichs Nummer Eins im Gespräch mit LAOLA1.

Gegen Algerien musste Neuer besonders aufmerksam sein, da das DFB-Team hoch verteidigte. Infolgedessen versuchten es die Algerier immer wieder mit Steilpässen hinter die Abwehr. In diesen Momenten konnte sich Neuer als moderner Torhüter par excellence auszeichnen.

„Wenn du in einem Team spielst, dass am eigenen Sechzehner verteidigt, wirst du nicht viele Bälle ablaufen müssen. Dafür brauchst du eine Mannschaft, die weiter vorne attackiert. Als Torhüter steht man dann von Haus am Sechzehner oder davor. Da bleibt einem nichts anderes übrig. Natürlich ist das aber mit einem Risiko verbunden. Gegnerische Mittelfeldspieler könnten es mit einem Heber von der Mittellinie versuchen“, erklärt Almer.

„Auch Torhüter sind Menschen“

Dagegen mussten die dominierenden Torhüter-Legenden des letzten Jahrzehnts – Iker Casillas und Gianluigi Buffon – bereits in der Vorrunde die Segel streichen. Insbesondere die Patzer des Spaniers werden von dieser WM in Erinnerung bleiben.

Von einem Generationenwechsel will Almer dennoch nichts wissen. „Buffon ist nach wie ein hervorragender Keeper. Casillas hat zwar nicht überragend gehalten, aber er war auch nicht an allen Toren alleine schuld. Als Torhüter agiert man eben manchmal unglücklich. Vor allem, wenn man von den Medien in der Luft zerrissen wird. Das geht auch an einem Casillas nicht spurlos vorbei. “

Überhaupt fordert Almer im Umgang mit den Schlussmännern mehr Respekt ein. Er erinnert dabei an den Freitod von Robert Enke: „Ich finde es traurig, dass die Medien aus dieser tragischen Geschichte nichts gelernt haben, sondern einfach weiter auf die Torhüter ‚draufhauen‘. Eines darf man nicht vergessen: Wir sind auch nur Menschen und jeder Mensch macht Fehler. Wenn ein Stürmer am Tor vorbei schießt, wird er dafür auch nicht geächtet.“

 

Jakob Faber

Es kommt auf das Timing an

Der Steirer, der sich nach seinem Cottbus-Engagement momentan auf Klub-Suche befindet, streicht zudem Neuers Fähigkeit im Zeitmanagement hervor: „Das Wichtigste beim Herauslaufen ist das Timing. So etwas kann man gar nicht trainieren. Es kommt auf Entscheidungen im Millisekunden-Bereich an. Wenn du ein paar Hundertstel zu spät dran bist, ist er an dir vorbei und du musst die Rote Karte riskieren.“

Um im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen, kommt Neuer auch sein gesteigertes Selbstbewusstsein zu Gute. Etwas, das ihm auch im Spiel mit dem Ball hilft – die zweite entscheidende Fähigkeit, die ihn als Torhüter im Stile eines Liberos auszeichnet.

„Der Umgang mit dem Ball ist ein sehr wichtiger Aspekt im modernen Fußball. Es geht dabei vor allem auch um Auswürfe und Ausschüsse. Er ist beispielsweise in der Lage, mit beiden Füßen zielgenau zum Mitspieler zu passen“, so Almer.

Zwei Torwart-Typen bei der WM

Der 15-fache ÖFB-Teamspieler zeigt sich auch abseits des deutschen Teams von den Torhüterleistungen dieser WM beeindruckt: „Natürlich waren auch Fehler dabei, aber die meisten Goalies haben sehr gut gehalten.“

Almer spricht von zwei unterschiedlichen Typen, die beide zum Erfolg führen können: „Einerseits die großen, athletischen Typen wie Neuer oder Tim Howard. Andererseits die wendigen Süd- und Lateinamerikaner wie der Mexikaner Guillermo Ochoa oder der Chilene Claudio Bravo. Bei ihnen schauen die Paraden natürlich spektakulärer aus.“

Die vier angesprochenen Schlussmänner sowie Costa Ricas Keylor Navas sind es auch, die Almer bisher für die Besten der WM hält.