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Zwei eigenwillige Charaktere

Zwei eigenwillige Charaktere

Im Herbst seiner Karriere wartet auf Volker Finke mit der Weltmeisterschaft in Brasilien noch ein absolutes Highlight.

Als Trainer der Nationalmannschaft Kameruns fährt der 66-jährige Niedersachse zur WM. Auf dem Weg dorthin musste er sich mit dem Verband und Superstar Samuel Eto’o arrangieren. Kein leichtes Unterfangen, ist die eigenwillige Diva doch von Zeit zu Zeit schwer zu handhaben.

Finke musste sich um- und darauf einstellen, schaffte es letztlich aber, "die unzähmbaren Löwen" nach Brasilien zu führen.

Der König der Löwen

Samuel Eto’o genießt in Afrika einen besonderen Status. "Er ist eine lebende Legende in Kamerun, wie Roger Milla", bestätigt sein Teamkollege Joel Matip. Und seiner Ausnahmestellung ist sich der Stürmer auch bewusst.

Kurz vor dem Spiel zur Mannschaft zu sprechen, das ist in der Kabine von Kamerun nicht nur die Aufgabe des Trainers, auch Eto’o richtet seine Anweisungen an die Kollegen.

"In solchen Situationen muss man die Rollen genau definieren, denn es gibt Verletzungen, die man sich gegenseitig zufügen kann, wenn man sich beleidigt hat oder sonst was, wo Wunden entstehen, die nicht so schnell verheilen", erklärt Finke bei "sport inside", dass man mit solchen Konstellationen behutsam umgehen muss.

Finke weist Eto'o in die Schranken

Auch bei der Aufstellung möchte Eto’o am liebsten ein gewichtiges Wörtchen mitreden, damit stößt er bei seinem deutschen Trainer aber auf taube Ohren. Finke ließ sich schon in seinen 16 Jahren beim SC Freiburg nicht dreinreden.

"Mit meiner Lehrerstelle als Absicherung habe ich mich nie von jemandem in der Mannschaftsaufstellung beeinflussen lassen. Von niemandem, weder vom Hauptgeldgeber, noch vom Präsidenten, noch von sonstwas. Da ist auch ein existenzielles Gefühl für die Spieler, dass sie wissen, dass der Trainer, der unter der Woche mit ihnen arbeitet, auch der ist, der über die Aufstellung entscheidet", erklärt Finke, der seine Beamtenanstellung während seiner Bundesligazeit jahrelang behielt.

Seine Konsequenz bewies der Deutsche in diesem Punkt, als er im aktuellen WM-Kader auf den einen oder anderen Spieler verzichtete, den Eto’o lieber im Team gesehen hätte. Nicht das einzige Mal in seiner einjährigen Amtszeit, dass Finke dem Nationalhelden Contra gab.

Als sich Eto’o nach seinem Rücktritt vom Rücktritt aus dem Team in Verschwörungstheorien verlor und aus Angst vor einem Giftanschlag nicht mehr gemeinsam mit den restlichen Kollegen essen wollte, schob Finke dem einen Riegel vor. "Das ist Kindergarten-Niveau", stutzte er den zurückgekehrten Kapitän zurecht.

Eto'o zieht über Trainer her

Finke weiß aber auch, was er am Rekordtorschützen Kameruns hat, wenn er sagt: "Er ist immer noch der Spieler, der den Unterschied machen kann. Ein entscheidender Spieler für uns."

Ein halbwegs intaktes Verhältnis zu seinem Top-Star ist auch zwingend notwendig. Fühlt sich Eto’o von seinem Trainer nicht genügend respektiert, holt der Stürmer schon mal gerne zum verbalen Gegenschlag aus.

"Guardiola wollte mir Unterricht als Stürmer geben, dabei war er früher Mittelfeldspieler. Er wollte mir erklären, wie man sich als Angreifer bewegen muss. Ich habe ihm geantwortet: 'Du bist doch nicht normal'", verriet Eto’o über seine Zeit beim FC Barcelona, wo er letztlich von Pep Guardiola aussortiert wurde. "Wenn es Probleme gab, hat er nie direkt mit mir gesprochen", warf er dem heutigen Bayern-Trainer zudem Charakterlosigkeit vor.

Kürzlich bekam sein Noch-Coach Jose Mourinho den Zorn des Stürmers zu spüren. Nachdem der Portugiese eine Diskussion über das Alter Eto’os entfachte, revanchierte sich dieser über die Medien. "Ich bin 33 Jahre alt. Und nur weil ein Depp mich einen alten Mann genannt hat, muss man das nicht glauben. Außerdem habt ihr vielleicht festgestellt, dass der alte Mann besser war als die Youngster", tönte Kameruns Aushängeschild und verweist mit seinem Pensionisten-Torjubel regelmäßig auf die Alters-Spekulationen.

Finke selbst kein einfacher Charakter

Man sollte es sich also nicht verscherzen mit dem "König der Löwen". Finke, der schon in Freiburg bei Spielern aus Afrika ein glückliches Händchen bewies, scheint trotz Spannungen aber mit der Diva zurechtzukommen.

Zudem kennt sich Finke mit schwierigen Charakteren aus. Schließlich wird ihm nachgesagt, selbst ein solcher zu sein.

Anecken und das Brechen von vermeintlich unumstößlichen Dogmen gehörten bei Finke zum Standardrepertoire. Das war letztlich wohl auch der entscheidende Punkt, warum aus einem Engagement beim FC Bayern nichts wurde.

Der große FCB wollte den Trainer, der den Rekordmeister einst mit den kleinen Freiburgern sogar 5:1 schlagen konnte. Doch Finke und der FC Hollywood, das hätte vermutlich nicht gepasst.

"Ich habe in der Regel drei Meinungen"

"Ich denke, dass ich manchmal ein bisschen ungeduldig bin, ein bisschen unbequem für den Vorstand", sagte Finke einmal über sich selbst. "In der Regel habe ich drei Meinungen: Eine für mich alleine, eine für den Präsidenten und eine für die Presse."

Seine große Zeit der Rebellion hat Finke mittlerweile aber hinter sich gelassen. In Kamerun musste er sich gewissen Gegebenheiten anpassen. Vom Freiburger Alleinherrscher, als den ihn viele sahen, wandelte er sich zum Diplomaten, denn nur als solcher kommt er durch. Am Ende steht mit der WM aber auch ein Event, für den es sich lohnt, den einen oder anderen Kompromiss einzugehen.

"Ich habe ein Hobby, eine Leidenschaft, ein Spiel zum Beruf machen können. Ich wollte mich eigentlich für zwei, drei Jahre beurlauben lassen und dann zurück in den Schuldienst. Daraus sind viele Jahre in der Bundesliga geworden, Auslandsaufenthalte und nun die WM", zieht Finke ein Resümee, das er zu Beginn seiner Karriere nicht für möglich gehalten hätte.

Das Turnier ist eines der größten Highlights in der Karriere des Fußballlehrers und dieses versucht er in allen Zügen zu genießen. "Für mich ist die Weltmeisterschaft in Brasilien eine ganz besondere. Da ist alles drinnen: Lebensgefühl, Musik, Rhythmus, Geschmeidigkeit", schwärmt der 66-Jährige über seinen ersten Auftritt auf der größten Bühne, die der Fußball zu bieten hat. "Es ist klar, dass es ein sehr tiefgehendes, hinter die Kulissen blickendes Erlebnis wird."

 

Christoph Kristandl