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"Ich glaube, dass der Schlendrian drinnen war"

Sturms Saison gleicht einer Achterbahn.

Sieht man es positiv, lässt sich feststellen, dass auf schwache Darbietungen mehrmals ein vermeintlicher Befreiungsschlag folgte.

Beispiele: Nach dem bitteren 0:3 in Kapfenberg stiegen die „Blackies“ mit einem 1:0 gegen Zestafoni ins CL-Playoff auf.  Drei Tage nach dem dortigen Ausscheiden gegen Borisow schoss man sich beim 5:0 gegen Wiener Neustadt den Frust von der Seele. Nach der unglücklichen Pleite bei der Wiener Austria überraschte die Foda-Elf in Athen. Den Selbstfallern in Mattersburg und gegen Anderlecht ließ man mit dem 2:1 gegen Salzburg die bislang beste Saison-Leistung folgen.

Fakt ist: Die Leistung beim 2:3 in Hütteldorf gegen Rapid am vergangenen Wochenende war richtig schlecht. „Turnusgemäß“ wäre beim EL-Gastspiel in Brüssel gegen Anderlecht so gesehen wieder eine gute Performance an der Reihe.

Wobei die Fähigkeit, nach Tiefschlägen wieder aufzustehen, für die Grazer ob der vielen unnötig verschenkten Punkte nur ein schwacher Trost ist.

Im LAOLA1-Interview betreibt Patrick Wolf Ursachenforschung, spricht er über die schwierige Aufgabe gegen den belgischen Tabellenführer und erklärt er, warum der Admira noch die Luft ausgehen wird.

LAOLA1: Mit Anderlecht auswärts wartet wohl die schwierigste Aufgabe in dieser EL-Gruppenphase. Wie geht ihr diese an?

Patrick Wolf: Wir müssen uns gegenüber dem Rapid-Spiel gewaltig verbessern. Wir sind in Hütteldorf zwar auch extrem unter Druck geraten, aber ich glaube, dass es gegen Anderlecht doppelt so intensiv werden wird. Wir sind krasser Außenseiter. Ich glaube nicht, dass sie uns unterschätzen, weil sie schon einmal gegen uns gespielt haben. Außerdem haben sie etwas gut zu machen, weil sie im Cup gegen einen Drittligisten ausgeschieden sind.

LAOLA1: Welche Erfahrungen kann man aus dem Hinspiel mitnehmen?

Wolf: Wir haben uns 60 Minuten relativ gut präsentiert. Bis zum individuellen Fehler, der zum 0:1 geführt hat, haben wir keine Torchance zugelassen und hatten am Anfang der zweiten Halbzeit eine gute Phase, wo wir die Chance auf das 1:0 hatten. Aber wir haben uns Videos, wie sie bei Heimspielen auftreten, angeschaut. Das ist natürlich schon gewaltig.

LAOLA1: Anderlecht hat Spieler mit hoher individueller Klasse. Entwickeln sie zu Hause noch mehr Druck?

Wolf: Glaube ich schon. Je länger es 0:0 steht, umso besser ist es für uns. Wenn wir dort ein schnelles Tor kriegen, kann es ganz böse ausgehen.

LAOLA1: Normalerweise ist eine der Stärken Sturms, hinten kompakt zu stehen und gut zu kontern…

Wolf: Das ist sicher kein Nachteil für uns. Aber ich glaube, dass wir nicht zu tief stehen sollten. Man hat bei Rapid gesehen, wenn man mit der eigenen Verteidigung quasi am eigenen Zwanziger steht, ist es schwer bis zum anderen Tor zu spielen. Ich glaube, dass wir ein bisschen höher stehen müssen, um zu Torchancen zu kommen, sonst haben wir einen zu weiten Weg zum Tor.

LAOLA1: Nach dem Heimsieg gegen Salzburg hat man geglaubt, dass Sturm im Aufwind ist. Inwiefern hinterlässt die schwache Leistung bei Rapid Spuren?

Wolf: Es war wirklich keine gute Leistung, das stimmt. Aber das haben wir abgehakt. Das ist ja das Glück, wenn man jeden dritten oder vierten Tag ein Spiel hat, dass man nicht lange drüber nachdenkt.

LAOLA1: Ein Kennzeichen eurer wechselhaften Saison ist es, dass es euch schon öfters gelungen ist, nach schlechten Auftritten gleich wieder zurückzuschlagen…

Wolf: Ja, wobei es nicht ideal ist, denn wenn wir konstant gut spielen, unsere Punkte machen und konzentrierte Leistungen über 90 Minuten bringen würden, wie es in der vorigen Saison der Fall war, wären wir in der Tabelle weiter vorne. Wir haben heuer schon extrem viele Punkte hergeschenkt.

LAOLA1: Wie ist das zu begründen?

Wolf: Ich glaube, dass wir einfach unkonzentriert waren, der Schlendrian drinnen war. Wenn man in Mattersburg in der 84. Minute 3:1 führt, denkt man sich, die Partie ist gegessen. Oder bei der Austria haben wir uns mit einer sehr jungen Mannschaft super präsentiert, 1:0 geführt, aber auch wieder zum Schluss raus, wo wir unkonzentriert waren, die Partie verloren. Das sind einfach Unkonzentriertheiten und dumme Eigenfehler, die wir im Vorjahr nicht hatten. Wenn wir 1:0 in Führung gegangen sind, ist hinten meistens die Null gestanden. Da waren wir einfach konstanter. Das ist ein großer Knackpunkt, und da müssen wir unbedingt daran arbeiten.

LAOLA1: Du hast als einer von wenigen fast jede Partie absolviert. Wie schwer ist es wirklich, immer wieder neue Leute neben sich zu haben?

Wolf: Jeder Spieler-Typ ist anders. Jeder hat eine andere Spielweise und andere Laufwege. Aber gut: Man kennt sich, spielt in einer Mannschaft, so extrem ist es also nicht. Aber wenn, so wie in Wien, alle zentralen Spieler ausfallen, und dann Joachim Standfest, der eigentlich ein rechter Verteidiger ist, mit Florian Kainz im zentralen Mittelfeld spielen muss, macht es die Sache nicht einfacher. Das muss gekonnt sein, nicht jeder kann zentral spielen.

LAOLA1: Du bist eine der wenigen Konstanten in dieser Saison. Für dich läuft es nicht so schlecht, oder?

Wolf: Ich bin gesund. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Ich bin zu Sturm gekommen und musste mich auch ein bisschen umstellen, weil einfach ein bisschen mehr trainiert wird als bei anderen Klubs. Infolgedessen habe ich dann auch gleich einen Muskelfaserriss gehabt. Mittlerweile habe ich mich an die Doppel- und Dreifach-Belastung ganz gut gewöhnt. Ab und zu gibt mir der Trainer eine Pause, so wie zuletzt gegen Salzburg. Da habe ich Frische für das wichtige Cup-Spiel gegen die Admira getankt, denn es war unbedingt nötig, dass wir im Cup dabei bleiben, weil es eine Chance ist, sich international zu qualifizieren, sollte man in der Meisterschaft keinen Europacup-Startplatz erwischen.

LAOLA1: Was man monieren kann, sind deine Scorer-Punkte in der Liga. Mit je einem Tor und Assist kannst du kaum zufrieden sein, oder?

Wolf: Ich bin mit Sicherheit nicht hundertprozentig zufrieden. Aber ganz kann ich es nicht gelten lassen, denn wenn man mit Cup, CL-Qualifikation und EL-Gruppenpase alle Spiele zusammenrechnet, habe ich schon einige Scorer-Punkte gemacht (zwei Tore und fünf Assists, Anm.d.Red).Und bei Sturm ist es nicht so, dass das Spiel nur auf mich ausgelegt ist, wie es vielleicht in Wiener Neustadt oder Kärnten war. Hier sind andere individuelle gute Spieler, die auch etwas machen können. Die Spielanlage ist generell auf mehrere Schultern verteilt. In Wiener Neustadt haben wir eigentlich nur einen Spielzug gehabt…

LAOLA1: Wenn wir zurück zur Situation in der Liga kommen, hält sich der Schaden trotz der vielen unnötig liegen gelassenen Punkte in Grenzen. Abgesehen von der Admira ist der Rückstand auf die „Großklubs“ im überschaubaren Rahmen. Siehst du das auch so?

Wolf: Das abgelaufene Wochenende wäre für uns optimal gelaufen. Ried und Salzburg haben sich gegenseitig die Punkte weggenommen, die Admira hat nicht gewonnen, die Austria hat in Kapfenberg auch nur X gespielt. Infolgedessen ist alles eng beieinander, und mit der Drei-Punkte-Regel geht es schnell, dass du wieder vorne dabei bist. Ich glaube außerdem, dass die Admira sicher nicht weiter auf diesem Niveau spielen kann.

LAOLA1: Inwiefern?

Wolf: Die haben einen super Lauf, eine Aufstiegs-Euphorie. Sie sind eine gute Mannschaft, das muss man ihnen lassen, aber sie sind bislang noch vom Verletzungspech verschont geblieben, und über eine ganze Saison glaube ich nicht, dass sie auf diesem Niveau spielen können.

LAOLA1: Zudem geht es schon längst mit den Fragen, ob sie Meister werden können, los. Wie schwer ist solch ein Trubel zu verkraften?

Wolf: Ich weiß, wie es bei mir war. Wenn du neu in die Bundesliga kommst, hast du eine frische Energie und du denkst dir: „Das ist etwas Neues, das taugt mir.“ Da holst du das Letzte aus dir raus, da herrscht Euphorie. Bei der Admira sind einige in der Mannschaft, die dieses Jahr in der Bundesliga debütiert haben. Man hat es voriges Jahr bei Wacker ebenfalls gesehen. Die hatten eine Euphorie, da nimmst du die Welle mit. Keiner kennt die Mannschaft hundertprozentig und weiß, wie ihre Spielanlage ist. Jetzt hat jeder einmal gegen sie gespielt und man sieht, dass die Admira auch angreifbar ist. Wir haben sie im Cup geschlagen, in Mattersburg haben sie nur X gespielt. Sie werden auch Schmerzen bekommen.

LAOLA1: Vielleicht behält ja Ivica Osim Recht, der gesagt hat, dass am Ende wieder Sturm Meister wird…

Wolf: Er hat Ahnung vom Fußball. Ich hoffe, er hat Recht.

Das Gespräch führte Peter Altmann