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"Meine Berufung ist es, hinter Kulissen zu arbeiten"

„Es gibt nur einen Rudi Völler.“

Alleine die Tatsache, dass der Weltmeister 1990, Vize-Weltmeister als DFB-Bundestrainer 2002 und aktuelle Sportdirektor von Bayer Leverkusen von „Klaus & Klaus“ einen eigenen Song gewidmet bekam, zeigt, welchen Kultstatus der mittlerweile 52-Jährige genießt.

Ob als Spieler, Trainer oder sportlicher Leiter – „Tante Käthe“, wie Völler liebevoll genannt wird, hat schon einiges erlebt und kennt die Fußball-Welt aus dreierlei Sichtweisen.

Am Donnerstag zittert er im Heimspiel gegen Rapid wieder bei jenem Verein mit, bei dem er seit Jahren das Zepter in der Hand hält.

Im exklusiven Interview mit LAOLA1 verrät Völler, warum er eigentlich nie Trainer werden wollte, er allergisch auf Ungerechtigkeit reagiert und warum ihm Österreichs Entwicklung imponiert.

LAOLA1: Am Donnerstag kommt es zum zweiten Aufeinandertreffen mit Rapid. Wie hoch ist der Stellenwert der Europa League für Bayer Leverkusen in dieser Saison?

Rudi Völler: Der Stellenwert der Europa League ist hoch, wir wollen in die nächste Runde eintreten. Wir haben zwar letztes Jahr Champions League gespielt und sind bis ins Achtelfinale gekommen, aber wir haben uns schon auch in der Europa League was vorgenommen. Wir wollen in der Gruppe auf jeden Fall Erster oder Zweiter werden. Wir sind ganz ordentlich gestartet.

LAOLA1: Wie bewerten Sie bisher das Kräfteverhältnis in der Gruppe?

Völler: Wir sind wahrscheinlich der kleine Favorit in der Gruppe und haben schon sieben Punkte. Unser Ziel ist es, uns für das Sechzehntelfinale zu qualifizieren, das ist unser Anspruch. Aber natürlich müssen wir wie in den ersten Spielen alles abrufen, um erfolgreich zu sein.

LAOLA1: Wie zufrieden sind Sie prinzipiell mit dem bisherigen Abschneiden in der Liga?

Völler: Wir sind recht durchschnittlich, im Moment sind wir Fünfter. Wir haben sicher noch Luft nach oben, aber nicht für ganz oben. Bayern München ist sicherlich die absolute Ausnahmemannschaft bei uns in Deutschland. Sie sind mit Barcelona die absolute Top-Mannschaft in Europa. Die werden sicherlich Meister. Wir sehen uns – das ist auch unser Saisonziel – zwischen Platz drei und acht. In diesem Bereich wollen und werden wir hoffentlich auch landen. Wenn es geht, dann noch weiter oben. Die Champions League ist natürlich unser Ziel, aber auch die Europa League.

LAOLA1: Leverkusen bestreitet die Saison mit zwei Trainern – ziemlich untypisch. Warum vertraut man trotzdem darauf?

Völler: Wir haben mit Sami Hyypiä einen Teamchef, der hier auch noch zwei Jahre gespielt und eine große Erfahrung hat. Schon als Spieler war er fast ein bisschen wie ein Trainer auf dem Platz. Sascha Lewandowski war unser A-Jugend-Trainer und ist ein großes Trainertalent. Die beiden haben das letztes Jahr in der Rückrunde, nachdem wir uns von Robin Dutt getrennt haben, sechs Spiele hervorragend gemacht. Sie haben hervorragend mit der Mannschaft gearbeitet und auch diese Saison noch ein bisschen mehr herausgeholt. Jetzt greifen auch schon wieder Dinge ganz gut in andere über. Sie machen das im Moment in dieser Form sehr gut. Natürlich hat im Endeffekt Hyypiä als Teamchef das letzte Wort.

LAOLA1: Sie persönlich sind seit sieben Jahren Sportdirektor. Wie fällt Ihr Fazit bei Leverkusen aus?

Völler: Wir sind ein Verein, bei dem man immer die finanziellen Möglichkeiten zum Rest der Liga sehen muss. Wir wollen international dabei sein, das ist immer unser Ziel. Das Mindestziel ist die Europa League, wenn nicht die Champions League. Die letzten drei Jahre sind wir Vierter, Zweiter und Fünfter geworden, das ist der Bereich, in dem wir uns bewegen wollen. Klar hatten wir vor zwei Jahren das Pech, dass wir nur Zweiter geworden sind. Da waren wir vor Bayern München, aber Dortmund hat eine tolle Saison gespielt und ist verdient Meister geworden.

LAOLA1: Sind die Tage von Rudi Völler als Trainer schon gezählt oder sagen Sie trotz so langer Zeit als Sportdirektor niemals nie?

Völler: Naja, ich wollte ja eigentlich nie Trainer werden. Das war alles recht zufällig. Mein Traumjob, meine Berufung ist es doch hinter den Kulissen zu arbeiten wie jetzt als Sportdirektor. Das wollte ich schon immer machen und habe ich auch zu Beginn meiner Karriere nach dem Fußball gemacht. Ich war auch zweimal hier in Leverkusen Trainer, bin eingesprungen und habe geholfen. Ich kann das immer einmal für kurze Zeit machen. Aber im Grunde ist es nicht meine ganz große Passion. Die vier Jahre in der Nationalmannschaft waren toll, mit extremen Höhen, als wir bei der WM 2002 Vize-Weltmeister geworden sind. Aber auch das habe ich gemacht, um auszuhelfen.

LAOLA1: Würden Sie sagen, die Erfahrungen als Spieler, Trainer und Sportdirektor haben Ihnen die stetige Weiterentwicklung erleichtert?

Völler: Natürlich, wenn man so lange dabei ist und so viel gesehen und erlebt hat. Ob als Trainer oder in meinem jetzigen Job als Sportdirektor kenne ich mich ganz anders aus als vor zehn Jahren. In meinem Job hat man jetzt auch ganz andere Einblicke in die Tagesarbeit eines Trainers und kann sie auch viel besser verstehen. Es hat mir schon geholfen, um meinen jetzigen Beruf gut ausfüllen zu können.

LAOLA1: Sie sind nach dem EM-Aus 2004 freiwillig vor der Heim-WM zurückgetreten. Haben Sie das im Nachhinein jemals bereut?

Völler: Nein, gar nicht. Es waren vier tolle Jahre, auch wenn es am Ende mit dem Vorrunden-Aus in Portugal nicht gut ausgegangen ist. Das ändert aber nichts an der guten Zeit, die ich dort hatte. Ich hatte das im Gespür. Wir hatten zwei Jahre später die WM im eigenen Lande. Da musste einfach ein neuer Name her, da musste was Neues kommen nach so einem Negativerlebnis. Das war für mich ganz klar, wenn es in der Form nicht funktioniert, dann muss man aufhören. Das ist überhaupt kein Problem. Das hat nichts mit dem DFB zu tun. Ich habe heute noch ein tolles Verhältnis zu allen Verantwortlichen - gar kein Thema.

LAOLA1: Trotz gutem Abschneiden bei der heurigen EM, gab es viel Kritik am DFB-Team. Wie sehen Sie die Entwicklung in den letzten Jahren?

Völler: Weil wir die letzten Jahre sehr guten Fußball gespielt haben, ist natürlich auch die Erwartungshaltung relativ hoch. Fakt ist, wenn man das kuriose 4:4 im Spiel gegen Schweden – das sicherlich in die Geschichte eingehen wird – weglässt, dass wir eine ganz tolle Nationalmannschaft haben. Unser Offensivpotenzial ist ein Wahnsinn, keine Mannschaft der Welt hat so ein tolles Offensivpotenzial. Wir können ja praktisch ein zweites Sturm-Trio aufbieten, ohne dass wir wirklich schwächer werden. Fußballerisch ist das Mittelfeld und der Angriff bei uns sensationell besetzt. Da brauchen wir uns vor keinem zu verstecken. Hinten hat es jetzt nicht ganz so gut funktioniert, aber wir haben eine ganz tolle Nationalmannschaft und werden sicherlich die nächsten Jahre die Massen begeistern.

LAOLA1: Zum Leidwesen von Leverkusen bleibt ein Top-Stürmer wie Stefan Kießling international meist auf der Strecke.

Völler: Das ist klar. Deutschland hat mit Klose und Gomez auch zwei Top-Mittelstürmer, aber wenn Stefan hier seine Tore erzielt und gute Leistungen bringt, wird er es dem Bundestrainer schwer machen, ihn nicht zu nominieren. Wenn mal Klose, Gomez oder beide ausfallen sollten, gibt es natürlich eine gute Chance dazuzukommen.

LAOLA1: Sie waren impulsiv als Spieler und Trainer. Sind Sie mit den Jahren ruhiger geworden?

Völler: Man darf nicht immer alles nur auf dieses Interview mit Waldi Hartmann damals reduzieren. Ich bin unter der Saison eigentlich relativ ruhig, auch hier bei den Spielen. Das sind dann halt ab und zu einmal Dinge, die passieren. Die werden dann auch gleich einmal hochgespielt. Ich bin eigentlich ein recht ruhiger Zeitgenosse. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass es irgendwelche Ungerechtigkeiten in meinem Verein oder meinem Umfeld gibt, sei es mit Schiedsrichtern oder mit anderen, dann ist es auch meine Aufgabe, meinen Verein in der Öffentlichkeit zu schützen, wie ich es für richtig halte.

LAOLA1: Zu Wutausbrüchen kommt es immer wieder – zuletzt bei Stuttgart-Trainer Bruno Labbadia.

Völler: Das sind Dinge, die jeder für sich entscheiden muss. Das will ich gar nicht bewerten. Wenn ich das Gefühl habe, da passt was nicht, dann muss ich einschreiten.

LAOLA1: Hat Sie das an Sie selbst erinnert, dass irgendwann einfach genug ist mit Kritik und Erwartungshaltung von außen?

Völler: Nein. Wir müssen uns auch der Erwartungshaltung stellen. Kritik gehört dazu, das ist schon klar. Ich kann nur für meinen Verein sprechen. Wenn ich das Gefühl habe, irgendwas geht in die falsche Richtung oder man wird ungerecht behandelt, dann kann man sich auch einmal wehren.

LAOLA1: Werfen Sie auch ab und zu einen Blick auf den österreichischen Fußball?

Völler: Jaja, da wir gegen Rapid spielen, haben wir uns natürlich die letzten Wochen damit beschäftigt. Aber auch die österreichische Nationalmannschaft hat tolle Fortschritte gemacht. Da war ich tief beeindruckt, wie Österreich das gegen unsere Mannschaft in Wien gemacht hat. Das Spiel gegen uns war der Beweis, dass die Österreicher eine wirklich gute Mannschaft haben. Das war eine tolle Vorstellung von Österreich, aber wir gehören zu den zwei, drei besten Nationalmannschaften der Welt.

LAOLA1: Also sehen Sie in Österreich durchaus Potenzial, auch dank der vielen Deutschland-Legionäre?

Völler: Natürlich, klar, das beste Beispiel ist David Alaba. Er ist bei Bayern München und wird bald wieder Stammspieler werden, er war ja lange verletzt. Allein das spricht schon für die Qualität eines Spielers, wenn er bei Bayern München zum Spielen kommt. Da haben die Österreicher ein tolles Talent und viele andere auch. Die Erfolge mit der Nationalmannschaft sind kein Zufall.


Das Gespräch führte Alexander Karper