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Proseniks Story - vom Himmel in die Hölle und zurück

Proseniks Story - vom Himmel in die Hölle und zurück
Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass Philipp Prosenik vom SK Rapid auszog, um die Fußball-Welt zu erobern.

Der FC Chelsea steht ebenso auf seiner Visitenkarte wie der AC Milan, doch wie es das Schicksal so wollte, blieb ihm der große Durchbruch verletzungsbedingt verwehrt.

Der Stürmer, früher eines der größten Talente des Landes, stand vor einem Scherbenhaufen.

Plötzlich übermannten Schmerzen seine große Leidenschaft für das runde Leder.

Das Karriereende war eigentlich unvermeidbar, bis der Angreifer doch noch einen Ausweg fand und von Rapid eine weitere Chance bekam, einen Neustart zu wagen.

Mittlerweile ist Prosenik noch immer erst 22 Jahre alt – das wird oft ebenso vergessen, wie die Tatsache, dass er durch die Hölle ging, ehe es das Schicksal doch noch gut mit ihm meinte.

„Fußball genießen“ steht im Vordergrund

Prosenik wirkt im Gespräch mit LAOLA1 abgebrüht, so als hätte er schon alles erlebt und als ob ihn kaum mehr etwas erschüttern könnte.

Die Tatsache, plötzlich einem Stammplatz bei seinem Herzensklub nahe zu sein und in der Europa League auflaufen zu dürfen, fällt für ihn unter das Kapitel „Genießen“.

„Wenn man bedenkt, wo ich vor eineinhalb Jahren noch war, dann muss man zufrieden sein. Mit den internationalen Auftritten geht ein Kindheitstraum in Erfüllung“, gesteht der großgewachsene Offensivspieler.

Trotz seiner Leidensgeschichte wird von ihm Leistung gefordert. In einem System, das bis vor kurzem noch auf einen Stürmer zugeschnitten war, der das Weite suchte und nun bei St. Etienne auf Torejagd geht.

Als Stürmer muss man jedes Geräusch von außen ausblenden“

Prosenik hat sich damit arrangiert und versucht, das Beste daraus zu machen, auch wenn er in dieser Spielausrichtung möglicherweise nicht alle seine Stärken ausspielen kann.

Ich finde, ich bin relativ gut reingewachsen in das System und habe es für mich sehr gut adaptiert. Ich probiere halt die Rolle, die Robert Beric gehabt hat, so gut wie möglich auszufüllen. Für mich persönlich klappt das momentan relativ gut.“

Die Vergleiche mit dem slowenischen Topscorer zehrten jedoch an den Nerven. Kritik machte sich breit - an Rapids Stürmern, an Rapids Spiel, an Rapids Transferpolitik.

Dass weitere Neuzugänge gefordert wurden, ging natürlich auch an Prosenik nicht spurlos vorüber, ebenso wie die kritischen Kommentare, wenn die Stürmer wie zuletzt selten trafen.

Als Stürmer muss man das ausblenden, überhaupt jedes Geräusch von außen, das einen ablenken kann. Man darf nur auf sich achten, im Training immer Gas geben – dann kommt das schon“, macht sich der Stürmer selbst Mut.

Auf andere Weise wertvoll für Rapid

In dieser Saison hält er nach insgesamt 20 Pflichtspieleinsätzen bei zwei Treffern – einem in der Bundesliga und einem im ÖFB-Cup.

Trotzdem bekommt der „Instinktstürmer“, der sich selbst als „ziemlich kampfbetont, ziemlich aggressiv und vorne quasi ein Brecher“ bezeichnet, den Vorzug vor seinen Mitstreitern.

Aufgrund seines Einsatzes, seiner weiten Wege und seiner Mitarbeit im Pressing-Konstrukt erntete Prosenik schon mehrmals Lob von Trainer Zoran Barisic, der diese Spielweise bevorzugt.

Durch die Arbeit für das Team wird beim 22-Jährigen oftmals darüber hinweggesehen, dass er in der gefährlichen Zone nicht den Endzweck erfüllt. Auch Kapitän Steffen Hofmann stärkte seinem Vordermann zuletzt den Rücken.

Wenn man zuletzt Steffs Interviews gehört hat, pusht einen das noch einmal. Das gibt enormes Selbstvertrauen“, gibt Prosenik, der im Frühjahr mit wichtigen Treffern auf sich aufmerksam machte, zu. „Ich bin kein Stürmer, der am Boden ist, wenn er kein Tor macht. Ich kann mich auch an einem Assist oder einer guten Leistung erfreuen.“

War sehr knapp dran, meine Karriere zu beenden“

Doch der Spieler ist selbstkritisch genug, um daran arbeiten zu wollen und gesteht Fehler ein. Er weiß genau, dass der Zenit noch lange nicht erreicht ist:

Die Tor-Quote muss auf jeden Fall besser werden. Noch bin ich nicht bei hundert Prozent, das weiß ich selber. Ich kann noch viel mehr. Ich hoffe, ich kann das bald zeigen.“

Erinnerungen schmerzen, Erfahrungen bleiben

In der Vergangenheit zu kramen, schmerzt. Deshalb denkt der Hüne gar nicht daran zurück, was gewesen wäre, wäre ihm das Verletzungspech erspart geblieben.

An damals, als er als 16-Jähriger in Chelseas Akademie Eindruck schindete, sich im Training mit Stars wie Didier Drogba duellierte und auf den großen Durchbruch hoffte.

Die erste Operation ließ das Experiment scheitern und die Folgen auch jene Station in der italienischen Modestadt Mailand zum Reinfall werden. Trotzdem haben ihn diese Erfahrungen in der Entwicklung weit nach vorne katapultiert – vor allem menschlich.

„Auf jeden Fall waren die Stationen für die Entwicklung wichtig. Sprachlich habe ich mit Italienisch und Englisch sehr viel dazugelernt – und auch fürs Leben, etwa schon im jungen Alter selbstständig zu wohnen.“

„Ich würde sagen, dass ich mich jetzt besser vorbereite als früher. Ich schaue genauer darauf, was ich esse, was ich mache und ordne den Lifestyle dem Fußball unter. In dieser Hinsicht hat sich mein Leben schon sehr geändert.“

Dank an die Mutter, kein Kontakt zum Vater

Als er nach rund einem Jahr wieder zu den Profis befördert wurde, war das Traum-Comeback perfekt. Auch wenn er nicht gedacht hätte, dass es so schnell geht. Aus seiner Sicht lief alles reibungslos.

Mit einer Person, die ihm immer zur Seite stand, ist Prosenik sehr eng verbunden. „Großer Dank gilt ganz besonders meiner Mutter. Sie war immer für mich da und unterstützt mich weiterhin.“

Anders als Vater Christian, der ebenfalls erfolgreich im Profi-Fußball und unter anderem auch bei Rapid tätig war. Denn von ihm will Philipp nichts mehr wissen.

Dass er es überhaupt im Profi-Fußball zeigen kann, verdankt er Ex-Sportdirektor Helmut Schulte. Dieser wollte den damals vereinslosen Kicker nicht hängenlassen und bot ihm trotz 15 Kilo Übergewicht und körperlicher Probleme den Weg zurück ins Fußball-Geschäft an.

Davor gab es jedoch schon einen Zeitpunkt, an dem Proseniks großer Traum fast ausgeträumt war. Drei Meniskus-Operartionen ließ er über sich ergehen und trotzdem war an schmerzfreien Sport nicht zu denken. Der Meniskusknorpel bereitete Probleme und hätte beinahe die Karriere des zielstrebigen Youngsters zerstört.

Ich war wirklich sehr, sehr knapp dran, meine Karriere zu beenden. Die Schmerzen waren in dieser Phase immer vorhanden. Durch bestimmte Übungen habe ich dann versucht, sie auszuschalten. Es hat im Nachhinein Gott sei Dank funktioniert.“

„Ganz genau, es gibt schon länger keinen Kontakt mehr. Weil es einfach Differenzen gegeben hat und ich mit dieser Person keinen Kontakt mehr will.“

Dann war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung“

Abgesehen davon, genießt er innerhalb der Rapid-Truppe ein hervorragendes Standing und ist auf seine Art und Weise unverzichtbar geworden. Aufgrund der Mühen, die er auf sich genommen hat, vergönnt ihm jeder den Erfolg.

Das Auflaufen in der Bundesliga und in der Europa League anstelle des Karriereendes beweist ihm, dass sich der Aufwand gelohnt hat: „Dann war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung.“

Und wer weiß? Vielleicht lautet die Schlagzeile nach dem Duell mit Viktoria Pilsen: „Prosenik schießt Rapid zum Aufstieg in der Europa League.“ Das wäre für Prosenik wohl die Krönung.

Sein größter Sieg wird aber wohl jener der großen Leidenschaft über die Schmerzen bleiben.


Aus Pilsen berichtet Alexander Karper

Statt Lehramt zurück auf die Fußball-Bühne

Sein Schicksal war gleichzeitig auch ein Wink mit dem Zaunpfahl: „Ich habe gesehen, wie schnell es gehen kann. Der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ist sehr schmal.“

Prosenik sorgte vor, hatte im Falle der Fußball-Pension schon einen Plan B im Kopf. „Ich wollte Sport und Geschichte auf Lehramt studieren. Aber dazu ist es zum Glück nicht gekommen“, lächelt der Stürmer, der alle ÖFB-Nachwuchsteams ab der U16 durchlief.

Auch wenn es anfangs nur die Rapid-Amateure waren, musste Prosenik bei Schultes Angebot nicht lange nachdenken. Sein Leben hat er umgekrempelt, ansonsten wäre der Weg zurück nicht möglich gewesen.