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"Kann gut einschätzen, was die Erfolge wert sind"

Es ist das derzeit am Intensivsten diskutierte Thema in Fußball-Österreich: Wer wird neuer ÖFB-Teamchef?

Der Topfavorit heißt bekanntlich Franco Foda. Noch steht der Deutsche jedoch bei Sturm Graz unter Vertrag und bereitet seine Mannschaft auf den Europa-League-Auftakt gegen Lokomotiv Moskau vor.

Ein Meistertrainer, der mit seinem Team gerade vor einer Europacup-Aufgabe steht, aber Teamchef werden soll? Das kommt einem zurecht bekannt vor. Man muss nur knapp sechs Jahre zurückdenken.

2005 gab der ÖFB die Verpflichtung von Josef Hickersberger sogar einen Tag vor dem Champions-League-Match bei Juventus Turin bekannt. Wie damals wäre nun Thomas Burgstaller einer der betroffenen Spieler.

„Hickersberger ein anderer Trainer-Typ als Foda“

„Die Situation war ähnlich, wobei Josef Hickersberger vom Trainer-Typ her ein anderer als Franco Foda war, aber auf seine Art und Weise auch erfolgreich. Trainer können genau wie Spieler nur am Erfolg gemessen werden“, erinnert sich der damalige Rapidler im Gespräch mit LAOLA1 zurück.

„Wir haben einfach einen ganz, ganz schlechten Tag gehabt. Sehr viele Spieler waren sehr weit weg von ihrer normalen Tagesform – die Abwehr und mich selbst einbegriffen“, gibt der Oberösterreicher zu und verspricht:

„So etwas wird uns kein zweites Mal passieren. Diese Begegnung ist inzwischen ohnehin abgehakt, denn wir können nicht wochenlang wegen einer schlechten Partie den Kopf in den Sand stecken.“

Burgstaller selbst stand in dieser Saison abgesehen von einer Pause im ÖFB-Cup in jedem Pflichtspiel über 90 Minuten auf dem Platz. Nach dem Abgang von Gordon Schildenfeld hieß es, noch mehr Verantwortung zu übernehmen.

„Ich kann das auf meine Schultern nehmen“

Auch wenn das eine oder andere Spiel hätte noch besser laufen können, ist der 1,92-Meter-Hüne bislang zufrieden mit seinem Output in dieser Spielzeit.

„Gordon war vom Potenzial her wahrscheinlich der Beste in Österreich. Wenn so ein Verteidiger weggeht, tut das jedem Verein in Österreich weh. Aber ich habe es nie so schlimm empfunden, wie es in den Medien teilweise geschrieben wurde“, blickt die Abwehrkraft auf Sturms Causa prima des Saisonstarts und die darauffolgende Kritik an der Innenverteidigung zurück.

Der gravierende Unterschied für ihn persönlich: Während der Innenverteidiger den Hütteldorfer Ausflug in die Königsklasse wegen diverser schwerer Verletzungen versäumte, versäumte er in dieser Saison noch keine Spielminute.

Eine Ablenkung für die Spieler konnte er da wie dort nicht orten: „Das schaut für die Öffentlichkeit immer schlimmer aus, als es für die Mannschaft selbst ist. Wenn er am Platz steht, denkt kein Spieler daran, dass es gerade Diskussionen um den Trainer gibt. Wer das tut, hat etwas falsch gemacht.“

Würde man beispielsweise die Performance beim 2:4 bei der Admira mit der Ungewissheit bezüglich Foda begründen, „wäre das eine ziemlich billige Ausrede für uns.“

„Foda wäre für Österreich das Beste“

Dafür, dass der Deutsche in der Pole-Position für das ranghöchste Traineramt des Landes steht, bringt Burgstaller großes Verständnis auf:

„Von seiner Arbeit ist er vom Fachlichen her sicher der Beste, und für Österreich wäre es das Beste, wenn man ihn kriegen könnte. Bei Franco Foda war der Erfolg in den letzten Jahren einfach da. Sturm Graz ist nie als Super-Favorit gestartet, konnte aber trotzdem tolle Erfolge feiern. Darum ist es ganz normal, dass er jetzt als Favorit gehandelt wird.“

Nicht wirklich als Favorit gehandelt wird Sturm gegen Lokomotiv Moskau. Das sieht auch der 31-Jährige so und hebt den um ein Vielfaches höheren Marktwert der bei den Russen engagierten Spieler hervor.

„Ich gebe aber generell sehr wenig auf Papierformen. Wir waren voriges Jahr kein Favorit und sind Meister geworden. In unserer Europa-League-Gruppe sind wir sicher auch nicht Favorit, aber vielleicht schaffen wir das Unmögliche. Möglicherweise ist mehr drinnen, als man erwartet“, spekuliert Burgstaller mit einer erneuten Überraschung.

„So etwas wird uns kein zweites Mal passieren“

Dafür müssten sich die Grazer jedoch von einer anderen Seite präsentieren als vergangenen Samstag in der Südstadt.

Burgstaller und Ferdinand Feldhofer sind damals teilweise auch für Gegentore verantwortlich gemacht worden, bei denen die Ursache woanders am Feld lag. Ein Umstand, den der Routinier nicht überbewerten will:

„Wenn Gegentore passieren, ist es meistens so, dass die Verteidiger in der Nähe sind und nicht andere Leute. Darum wird die Schuld halt bei den Verteidigern gesucht. Aber das ist schon in Ordnung. Wenn man schlecht spielt und Tore kassiert, kann man schon kritisiert werden. Ich kann das auf meine Schultern nehmen, ich habe ein relativ hartes Gnack.“

„Das vorige Jahr war der Karriere-Höhepunkt“

Allzu viel Angriffsfläche hat Burgstaller potenziellen Kritikern seit seinem Wechsel von Ried nach Graz im Sommer 2010 ohnehin nicht geboten.

„Der Titel mit Rapid war auch sehr schön, obwohl ich größtenteils verletzt war. Aber man kann schon sagen, dass das vorige Jahr mit dem Meistertitel der Karriere-Höhepunkt war“, hat Burgstaller mit dem Wechsel in die steirische Landeshauptstadt alles richtig gemacht.

Nachdem ihn bei Rapid immer wieder schwere Verletzungen wie ein Kreuzbandriss aus der Bahn warfen und er in der Ersten Liga beim FC Lustenau neu anfangen musste, bedeutet dieser Höhenflug in der aktuellen Karriere-Phase naturgemäß umso mehr:

„Ich glaube, ich kann ganz gut einschätzen, was so etwas wert ist, da ich wirklich schon viel schlechtere Zeiten gehabt habe, wo ich das Grün am Platz nur von der Weite gesehen habe. Darum bewerte ich diese Erfolge auch nicht über. Ich weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt.“

Was jedoch nicht heißen soll, dass in Burgstaller nicht die Lust geweckt wurde, den Meisterteller ein weiteres Mal in Händen zu halten:

„Ich möchte das noch einmal erleben – aller guten Dinge sind drei!“

Peter Altmann