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Das 4-2-3-1-System als Trumpf

Das 4-2-3-1-System als Trumpf

Am Ende kommt es auf Nuancen an. Die EM in Polen und der Ukraine ist dafür das beste Beispiel. Knappe Spielergebnisse, ähnliche Systeme, die Fokussierung auf den Kombinationsfußball - Kleinigkeiten entscheiden.

"All das hat es früher auch schon gegeben, aber möglicherweise spitzt es sich weiter zu, dass Nuancen über Sieg oder Niederlage entscheiden", lautet die Conclusio von Sportwissenschaftler Roland Loy in seiner EURO-Analyse.

Angriffslustige Viertelfinalisten

Allein ein Rückblick auf die Duelle in der sogenannten Horror-Gruppe B (Deutschland, Portugal, Niederlande, Dänemark) belegt diese These: Alle Partien wurden nur mit einem Treffer Unterschied entschieden.

Von defensiver Ausrichtung konnte - mit Ausnahme von Griechenland und Dänemark - überwiegend keine Rede sein. Kontrollierte Offensive war Trumpf.

Alle vier Halbfinalisten zeichneten sich durch Angriffslust aus. Selbst die früher für "Catenaccio" kritisierten Italiener überraschten mit Offensivdrang.

Abwehrbollwerke ohne Chance

Die Abwehrbollwerke aus Griechenland oder England schieden dagegen gleich zu Beginn der K.o.-Phase aus.

"Es gibt eine Angleichung in den Spielstilen. Selbst die besseren Teams zeigen Ballgeschiebe im Mittelfeld, Kombinationsfußball ohne Ende - das ist typisch für den modernen Fußball", erläuterte Loy.

Nur acht Tore nach Standards, nur vier durch Fernschüsse nach dem ersten Halbfinale - all dies verwunderte den früheren Schüler des deutschen "Fußball-Professors" Dettmar Cramer und ehemaligen sportlichen Berater von "Kaiser" Franz Beckenbauer nicht.

"Es hat sich vielleicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass man aus einer Distanz von 25 Metern ungefähr 70 Torschüsse braucht, um ein Tor erzielen zu können. Innerhalb des Strafraums braucht man im Schnitt etwa sieben Torschüsse für einen Treffer", bemerkte Loy mit Verweis auf die Statistik.

Huldigungen für Italiens Wandel

Wie Deutschland oder Portugal setzt auch Finalist Spanien auf ein 4-2-3-1-System. Gegen Portugal entschieden aber nicht die großen Ballartisten wie Xavi oder Andres Iniesta das Match, sondern die besseren Nerven im Elferschießen, in dem sich die Spanier 4:2 durchsetzten.

Als kombinationssicher und cool erwies sich neben dem Titelverteidiger bisher auch Italien. Trainer Cesare Prandelli wird ob eines Mentalitätswandels sogar gehuldigt.

Spieler, Fans und Medien waren vor allem nach 120 Minuten kompromisslosem Angriffswirbel im Viertelfinale gegen England begeistert. "Prandelli hatte den Mut, unitalienisch zu spielen", konstatierte etwa der frühere Nationalspieler Gianfranco Zola.

Magier Löw

Prandelli wollte eigentlich einmal Architekt werden. Statt Häuser konstruierte er eine neue "Squadra Azzurra", die er akribisch vorbereitet. "Wer weiß, was er zu tun hat, muss auch keine Angst vor großen Gegnern haben", lautete Prandellis Motto. 

Als "Magier" erwies sich indes der deutsche Bundestrainer Joachim Löw mit seinem Umbau-Coup mit gleich drei Veränderungen in der Startelf im Viertelfinale gegen Griechenland (4:2).

Bei aller Analyse von Taktik, Aufstellung und engen Ergebnissen - für Sportwissenschaftler Loy gibt es einen auch bei dieser EM nicht zu unterschätzenden Faktor: "Wenn nur ein Tor über Sieg oder Niederlage entscheidet, dann hängt auch viel vom Zufall ab."