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Die portugiesische Mittelfeld-Achse

Die portugiesische Mittelfeld-Achse

Portugal ist Cristiano Ronaldo und dann lange nichts.

Diese durchaus gängige Aussage muss klar revidiert werden.

Pepe, Bruno Alves in der Innenverteidigung, Fabio Coentrao und Joao Pereira auf den Außenbahnen oder etwa Nani als zweiter Flügelstürmer – auf vielen Positionen ist der Halbfinalist überaus stark besetzt.

Und dann gibt es noch die Mittelfeld-Achse, die ob ihrer bisherigen Leistungen eine besondere Erwähnung verdient und ohne die der Ausnahme-Stürmer von Real kaum glänzen kann.

Portugal = „3M“

In einer Umfrage Wochen vor der Endrunde, welche Spieler die Rolle des Bindeglieds zwischen Abwehr und Sturm ausfüllen sollen, sprach sich die Mehrheit der portugiesischen Fans für „3M“ aus.

Unter dem Kürzel verbargen sich Joao Moutinho vom FC Porto, Raul Meireles von Champions-League-Sieger Chelsea und Granada-Legionär Carlos Martins.

Als sich letzterer im Mai einen Muskelriss zuzog und für die EM passen musste, war die auch bei Paulo Bento hoch im Kurs stehende Aufstellungs-Variante plötzlich obsolet. Der portugiesische Teamchef sah sich gezwungen zu reagieren, fand mit Genoa-Akteur Miguel Veloso allerdings in jederlei Hinsicht adäquaten Ersatz.

Da auf dem Dress des 26-Jährigen sein Vorname prangt, kam das „3M“-Mittelfeld nämlich doch zum Zug, eben in der Version Meireles-Moutinho-Miguel.

Erste Prüfung bestanden

Bentos Dreierkette vor der Abwehr war im ersten Spiel bei der EURO gegen Deutschland gleich ordentlich gefordert und bestand die Prüfung trotz der etwas unglücklichen 0:1-Niederlage mit Bravour.

Als Exempel soll Veloso dienen, der neben seiner Aufgabe, Deutschlands Regisseur Özil aus dem Spiel zu nehmen, noch bester Passgeber seines Teams war und die meisten Ballkontakte auf Seiten der Unterlegenen aufweisen konnte.

Dass dennoch Nebenmann Moutinho von der portugiesischen Sportzeitung „O jogo“ zum Spieler des Spiels gewählt wurde, unterstreicht die Kollektivleistung im Mittelfeld.

Zwischen Sechser und Achter

Die Zufriedenheit des Trainers spiegelte sich in der Tatsache wider, dass Bento auch in den folgenden drei Spielen seiner Startelf treu blieb. Wenig überraschend angesichts der kontinuierlichen Leistungssteigerung.

Die Spiele gegen Dänemark (3:2), Niederlande (2:1) und Tschechien (1:0) konnten allesamt gewonnen werden, weil es den Portugiesen im Gegensatz zu anderen Teams gelang, sämtliche Teile der Mannschaft in den Angriff einzubauen. Ein hoher Verdienst des Mittelfelds, das vor allem durch seine Variabilität besticht.

Alle drei „M's“ wechseln sich zwischen den klassischen taktischen Positionen ab und fungieren einmal als Sechser, als Achter oder gar auf der Zehn, wobei Veloso doch zumeist den defensivsten Part des Trios übernimmt.

So gelingt eine gute Aufteilung im Raum, die in erster Linie den für Portugals Spiel so charakteristischen Außenspielern, seien es nun Ronaldo und Nani an vorderster Front oder Coentrao und Pereira dahinter, zu Gute kommt.

Furcht beim Gegner

Dass Meireles, Moutinho und Veloso nicht nur mit Helfer-Aufgaben beschäftigt sind, beweist das Statement von Vicente del Bosque im Vorfeld des anstehenden Halbfinals.

Spaniens Cheftrainer fürchtet nicht nur Ronaldos Klasse sondern explizit „die Schüsse von Meireles und die guten Pässe von Moutinho“.

Es scheint, als hätte Portugal eine Harmonie im Mittelfeld gefunden, bei der jeder seine speziellen Vorzüge einbringen kann, ohne das Gesamtgefüge zu vernachlässigen.

Eine Tatsache, die im Land von Luis Figo, Deco oder Rui Costa nicht immer zur Gänze gegeben war.

Die größte Bewährungsprobe für „3M“ steht jedenfalls noch aus.

Am Mittwoch nämlich, wenn man sich gegen Spanien gleich sechs Mittelfeldspielern entgegenstellen muss.

 

Christian Eberle