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"Portugal-Spanien ist ein absoluter Klassiker"

Vier Jahre Erfahrung in der portugiesischen Liga.

Seit Jänner Legionär in der Ukraine, einem der Veranstaltungsländer der EURO 2012.

Kaum ein Österreicher könnte demnach besser als Experte für das erste Halbfinale fungieren, als Markus Berger.

Der Verteidiger von Chernomorets Odessa verweilt im Rahmen eines Trainingslagers knapp zwei Wochen in der Nähe von Wien.

LAOLA1 nutzt die Gunst der Stunde und bittet den 27-Jährigen um eine Einschätzung des Co-Gastgebers und Hintergrund-Infos zu seiner alten Heimat Portugal.

LAOLA1: Wir treffen dich mitten in der Vorbereitung, aber auch mitten in der EM. Wie erlebst du dieses Großereignis bisher?

Markus Berger: Meinen Erfahrungen aus der Ukraine nach muss ich sagen, dass die Euphorie dort riesengroß ist. Die Leute haben sich riesig gefreut, die EM zu bekommen und das spiegelt sich auch im Alltag wider. Es werden überall Leinwände aufgestellt, die Leute gehen auf die Straße und zeigen reges Interesse. Das sieht man ja auch in den Stadien, die immer recht voll sind. Die Ukrainer geben alles dafür, sich gut zu präsentieren.

LAOLA1: Das von gewissen Medien vorab gezeichnete Bild eines gefährlichen Landes stimmt also nicht.

Berger: Nein. Auch mir wurde abgeraten, in die Ukraine zu gehen. Aber ich habe mir das reiflich überlegt, vorab alles angeschaut und kann nach einiger Zeit die Vorurteile der Menschen gegenüber der Ukraine eigentlich nur widerlegen. Mir gefällt es recht gut in Odessa und ich kann nur das Beste berichten.

LAOLA1: Du sagst, du hast die Portugiesen stark erwartet. Du kennst einige der Spieler aus der Liga. Würdest du abseits von Cristiano Ronaldo jemanden besonders hervorheben?

Berger: Miguel Veloso präsentiert sich auf der Sechs extrem stark und ist unheimlich wichtig für die Spieleröffnung. Auch Joao Moutinho vom FC Porto hat gute Leistungen erbracht, die man so vielleicht nicht erwartet hat. Diese Spieler sind es, die einer Mannschaft helfen und deshalb ist Portugal sicher so weit gekommen.

LAOLA1: Von dem her siehst du es als Vorteil, eine Figur im Rampenlicht wie Ronaldo zu haben, damit die anderen in Ruhe ihre Leistungen bringen können?

Berger: Ich denke schon. Ronaldo ist den Trubel gewohnt. Für den ist das ganz normal. Das ist für ihn Tagesgeschäft. Die anderen können sich ohne Druck auf die Spiele vorbereiten, denn der lastet stets auf dem Real-Spieler. Auf den wird hingehauen. Wenn er einmal keine Überleistung bringt, keine zwei Tore erzielt, sondern nur eines auflegt, steht er sofort in der Kritik. Und das ist sicher ein Vorteil für den Rest der Mannschaft.

LAOLA1: Wie beurteilst du als Innenverteidiger das Abwehr-Duo der Portugiesen?

Berger: Ich habe gegen Bruno Alves beim FC Porto gespielt. Ein irrsinnig guter Innenverteidiger, von der Spieleröffnung her, vom Kopfballspiel. Ich habe mitbekommen, dass er eigene Trainer hat, um sein Kopfballspiel zu perfektionieren. Das ist ein Wahnsinn. Und über Pepe brauchen wir nicht reden. Der spielt bei Real, bringt immer seine Leistungen. Ein beeindruckendes Duo, von dem man sicher beim Zuschauen noch was lernen kann.

LAOLA1: Jetzt hat sich das ukrainische Nationalteam aber schon nach der Gruppenphase verabschiedet. War die Trauer über das Ausscheiden ebenso greifbar wie die Euphorie im Vorfeld?

Berger: Das schon. Das ukrainische Volk hat sich extrem viel von der Nationalmannschaft erwartet. Es wurde ein riesiger Druck aufgebaut, auch vom Trainer, der sein Team anfangs kritisiert hat. Sie sind gut gestartet, man hat aber gesehen, dass noch etwas fehlt, um mit den Top-Mannschaften mitzuhalten. Sie haben sich gut präsentiert, letzten Endes hat es aber nicht gereicht.

LAOLA1: Wie lässt sich das gewisse Etwas benennen, das dem Team von Oleh Blokhin noch gefehlt hat?

Berger: Von der Mannschaftsleistung her hat es gepasst. Aber es fehlt halt ein Einzelspieler, der den Unterschied ausmachen kann, wie etwa Ronaldo bei Portugal, oder Nasri bei Frankreich, der mir sehr gut gefallen hat.

LAOLA1: Das heißt, ein junger Shevchenko hätte der Mannschaft gut getan?

Berger: Es sind in der Ukraine Spieler im Kommen, wie etwa Yarmolenko auf der rechten Außenbahn, von dem in den nächsten Jahren viel erwartet wird. Für diese Spieler war die EM eine Riesen-Erfahrung und ich glaube, dass die Ukraine in Zukunft eine große Mannschaft zusammenbekommt.

LAOLA1: Ein Großteil der EURO ist nun aber auch schon wieder vorbei. Vier Mannschaften sind noch im Rennen um den Titel. Für dich erwartungsgemäß, oder doch überraschend?

Berger: Die Favoriten haben sich durchgesetzt. Das Ausscheiden von Holland war natürlich etwas überraschend, aber Portugal habe ich stark erwartet und die haben auch wirklich stark gespielt. Jetzt bin ich gespannt. Portugal-Spanien ist natürlich ein absoluter Klassiker. Da kommen einige Emotionen hoch, wenn man, wie ich in einem dieser Länder gelebt hat. Das ist eine riesige Rivalität. Die Portugiesen werden alles dafür tun, um gegen Spanien zu gewinnen. Es wird extrem schwierig werden, aber sie werden bis in die letzten Sekunden kämpfen, beißen und alles geben.

LAOLA1: Das heißt, du als gestandener, durchaus erfolgreicher Verteidiger lernst bei einer EM schon noch dazu?

Berger: Auf alle Fälle. Ich schaue mir gerne die Spiele an, setze mich aber nicht nur einfach so hin, sondern beobachte mit Hintergrund. Ich schaue, welche Pässe gespielt werden, wie sich der Spieler in brenzligen Situationen verhält. Da kann man immer noch was lernen.

LAOLA1: Wie kannst du uns in Österreich den Wert des Nationalteams in der Auffassung der Fans beschreiben. Wir haben in Portugal doch sehr starke Klub-Präferenzen zwischen den Lissaboner Klubs untereinander und gegenüber Porto. Und doch eint die „Seleccao“ die Fans.

Berger: Da vereinen sie sich alle komplett. Benfica, Sporting oder Porto, also entweder rot, grün oder blau ist unter der Meisterschaft ganz extrem. Wenn die Nationalmannschaft spielt, steht das ganze Land aber hinter Portugal. Gibt es dann ein Großereignis, heißt es: „Wir werden Europameister oder wir werden Weltmeister!“ Die Erwartungshaltung ist außergewöhnlich hoch. Und was von den Journalisten dazu alles geschrieben wird, ist phänomenal.

LAOLA1: Die klassische Rivalität, wie sie etwa in Spanien zwischen Barca und Real jahrelang als Grund für das Versagen der Nationalelf hergehalten hat, ist im portugiesischen Team nicht gegeben?

Berger: Nein, davon wird wenig gesprochen. Viel öfter heißt es, die Portugiesen hätten keinen Team-Spirit. Aber es ist oft schwierig, die guten Einzelspieler wie Ronaldo, Nani oder eben Moutinho als Trainer unter einen Hut zu bekommen. Sie versuchen das Beste und haben sich auch schon verbessert in ihrer Strategie und Taktik. Ich erhoffe mir einiges.

LAOLA1: Wie viel von den Erfolgen Portugals ist dem Trainer, Paulo Bento, zuzuschreiben?

Berger: Er hat sicher einen großen Teil dazu beigetragen. Schon bei Sporting hat er über eine lange Zeit gute Arbeit geleistet. Ich kenne ihn persönlich nicht so gut, aber was man so mitbekommt, ist er in der Lage, die Spieler extrem gut zu motivieren. Man sieht schon, die Bank springt auf, die Spieler klatschen nach Schlusspfiff miteinander ab. Ich spüre den Teamgeist und den Willen zusammenzuarbeiten.

LAOLA1: Abschließend ist noch ein Tipp gefragt. Wie wird es ausgehen?

Berger: Ich hoffe, dass einmal ein bisschen Überraschung hineinkommt und die Spanier vielleicht mit 0:1 verlieren.


Das Interview führte Christian Eberle

Info: Teil 2 des Interviews über Bergers neues Leben am Schwarzen Meer, sowjetische Trainingsmethoden und den fortwährenden Traum vom ersten Länderspiel folgt nach der EM.