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Eine Niederlage als Start einer Ära

Eine Niederlage als Start einer Ära

„Nicht die schwarze Bestie!“

In Spanien wollte keine wirkliche Begeisterung über den Viertelfinalgegner bei dieser EURO ausbrechen.

Die Statistik der bisherigen Aufeinandertreffen mit Frankreich, das nach einem 0:2 gegen Schweden nur Gruppenzweiter wurde, liest sich nämlich erschreckend: Sechs Spiele, ein Unentschieden, fünf Niederlagen.

Kein Wunder, dass die „Equipe Tricolore“ von der spanischen Presse deshalb nur noch als „Bestia negra“ des Nationalteams betitelt wird.

Das letzte Mal, als die Franzosen den Titel-Hoffnungen ihrer Nachbarn ein Ende setzte, war am 27. Juni 2006, im Achtelfinale der Weltmeisterschaft in Deutschland - Ein Tag, der eine Zäsur in der Geschichte der Real Federación Española de Fútbol (RFEF) markieren sollte.

Duell der Generationen

Das Duell der beiden europäischen Großmächte vor 43.000 Zusehern in Hannover wurde zum Aufeinandertreffen zweier Fußball-Generationen.

Auf der einen Seite die „Grande Nation“, bei der die Achse Barthez-Thuram-Makelele-Zidane-Henry ihren letzten großen Auftritt hatte, auf der anderen Seite „La Roja“, deren „Jahrhundert-Mannschaft“ noch in den Kinderschuhen steckte, mit drei Siegen in den Gruppenspielen aber schon gehörig aufhorchen ließ.

Inklusive der Verletzten Villa und Puyol finden sich in der Startaufstellung vor sechs Jahren gleich acht Spieler, die heute noch das Gerüst des spanischen Teams bilden. Der Einsatz von Fabregas oder Ramos, damals 19 und 20 Jahre alt, sorgte für einen Altersschnitt der ersten Elf von 24,5 Jahren.

Demgegenüber zählte die erste Elf von Frankreich, wo sich lediglich Ribery, Malouda und (mit zwei Einsätzen von der Bank) Alou Diarra im Kader von 2012 finden, im Schnitt 29,3 Lenze.

Lektion gelernt

Das Spiel selbst begann für den iberischen Gruppensieger, der gegen Ukraine, Tunesien und Saudi-Arabien gewinnen konnte, nach Wunsch. Villa verwerte einen Strafstoß zur 1:0-Führung.

Nach dem Ausgleich durch Ribery drehte allerdings Vieira per Kopf die Partie, die nach Zidanes Kontertor mit einem 3:1 für den späteren Vizeweltmeister endete.

„Sie haben uns an jenem Tag eine Lektion erteilt“, erinnert sich Fernando Torres im Rahmen des EM-Camps in Polen an den Tag, als der Traum vom Titel mal wieder vorzeitig ausgeträumt war.

Der Stürmer kann dem Aus im Nachhinein aber viel Gutes abgewinnen: „Diese Lektion hat uns geholfen, als Mannschaft zu wachsen.“

Xavi stand 2006 noch im Schatten eines Größeren

Start von etwas Großem

Wovon der Chelsea-Legionär spricht, muss nicht weitläufig erklärt werden. Seit der Pleite gegen „Les Bleus“ verlor Spanien gerade einmal vier von 51 Pflichtspielen und remisierte nur in weiteren drei.

Siegesserien wurden aufgestellt, Europa- und Weltmeisterschaft gewonnen und so ganz nebenbei revolutionierten Xavi, Iniesta und Co. den Fußball durch ihr berühmt gewordenes Tiki-Taka.

Der ewige Geheimfavorit, der bei einem Großereignis nie in der Lage ist, sein spielerisches Potenzial in Ergebnisse umzusetzen, wandelte sich zum Team, das es zu schlagen gilt.

Was hat sich verändert?

Bei Frankreich kam nach der WM 2006 der große Schnitt, dem zwei Jahre später die große Enttäuschung und bei den nächsten Interkontinental-Meisterschaften ein großer Skandal folgten.

Mittlerweile steht Teamchef Laurent Blanc aber ein Kader zu Verfügung, dem rund um die „Generation ‘87“ größtenteils Mitt-Zwanziger angehören und der das Siegen wieder gelernt hat.

Der aktuelle Altersschnitt von 26,74 entspricht genau dem des kommenden Gegners. Der feine Unterschied dabei: Während der Triumph bei den U17-Europameisterschaften 2004 den größten Erfolg von Nasri, Benzema und Co. im Team-Trikot darstellt, treten ihnen Casillas und seine Mannen als amtierende Welt- und Europameister entgegen.

Dieses Wissen um die eigene Stärke in entscheidenden Spielen soll nun den Mythos der „Schwarzen Bestie“ vergessen machen.

Oder wie Torres es ausdrückt: „Hoffen wir, dass unsere Erfahrung die Waage diesmal zu Gunsten Spaniens kippen lässt.“


Christian Eberle