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"Das Turnier kann für Deutschland eine Chance sein"

16 Jahre wartet Deutschland nun bereits auf einen Triumph bei einem fußballerischen Großereignis.

Seit dem EM-Titel 1996 hat sich viel verändert. Matthias Sammer ist hingegen damals wie heute ein wichtiger Bestandteil des Deutschen Fußball-Bundes.

Griff der Defensivspieler im Mutterland des Fußballs noch selbst nach den Sternen, ist er als aktueller DFB-Sportdirektor heutzutage der Mann im Hintergrund.

Der bisherige Eindruck des deutschen Teams stimmt ihn durchaus positiv – trotz Unruhen im Umfeld.

Denn Sammer weiß nur zu gut: „Deutschland ist immer erfolgreich, wenn es knallt.“

Vor zwei Tagen in Frage gestellt, nun der Gigant

Aufgrund der deutschen Mentalität ist Harmonie nämlich nur wenig fördernd. Wenn diese im Team vorherrschte, musste Schwarz-Rot-Gold laut Sammer immer vorzeitig die Segel streichen.

Im Moment sorgt Mario Gomez für Titelhoffnungen bei Deutschland. Einerseits durch seine bisher erzielten drei Turniertreffer, andererseits weil die Diskussionen um seine Person das Team noch mehr zusammenschweißen.

„Das verändert sich so schnell wie das Wetter. Gestern war noch Regen, heute scheint die Sonne. Vor zwei Tagen wurde Gomez noch in Frage gestellt, heute ist er der Gigant.“

Kritik ist für den 44-jährigen Dresdner da, um persönlich das Wichtige herauszufiltern und davon zu profitieren.

Sammer sieht in Kritik eine Chance

Sammer weiß, wovon er spricht. 1996 wurde er noch von DFB-Legende Paul Breitner öffentlich getadelt: „Der Einzige, der nicht ins Team passt, ist der Sammer.“

Doch das ist vergessen und vergeben, schließlich dürfe man Einflüsse von außen nicht überbewerten. So auch bei Mario Gomez. Das Thema sollte sich nach seinem Doppelpack gegen die Niederlande ohnehin erledigt haben.

Eine andere Personalie ist Bastian Schweinsteiger. Eigentlich wäre er der uneingeschränkte Herrscher im deutschen Spiel, wenn ihn ein Schlüsselbeinbruch und eine Wadenverletzung nicht über einen Großteil der Saison außer Gefecht gesetzt hätten.

Für Sammer stellt sich bei einem Spieler wie ihm jedoch nicht die Frage, ob dieser hundertprozentig fit ist, oder ein paar Prozent fehlen.

Schweinsteiger so wichtig wie Puyol für Spanien

„Durch die Art und Weise, wie er spielt, und seine Präsenz, ist er sehr wichtig. Er verkörpert diese Leader-Figur immer mehr und ist eine große Persönlichkeit.“

So wie Carles Puyol für Spanien - eigentlich. Denn die führende Persönlichkeit der „Furia Roja“ verpasst die EURO aufgrund einer Knie-Operation und reiste auch nicht mit ins EM-Quartier.

„Es wurde immer wieder gesagt: Puyol kann nicht Fußball spielen, aber er hat alles gewonnen. Puyol ist der absolute Leader, sein Fehlen kann für Spanien noch zum Problem werden“, vergleicht Sammer die Wichtigkeit des Barca-Verteidigers für Spanien mit jener von Schweinsteiger für Deutschland.

Dass er trotz seines körperlichen Rückstands die zwei finalen Pässe auf Gomez gegen die Niederlande leistete, freut den ehemaligen Dortmund-Profi besonders.

„Das Euphorisierende ist Sachlichkeit gewichen“

Bisher zeigt sich Sammer über die Art und Weise, wie sich Deutschland in Polen und der Ukraine präsentiert, erfreut. Schließlich hat der Mitfavorit auf den Titel nach zwei Spielen sechs Punkte und 3:1 Tore zu Buche stehen.

„Wir sind sehr zufrieden, aber ich bin froh, dass das Euphorisierende der letzten Turniere einer gewissen Sachlichkeit und Professionalität gewichen ist. Auch die Zielstrebigkeit in der Argumentation vieler Spieler gefällt mir persönlich sehr gut“, verrät Sammer gegenüber LAOLA1.

Immer wieder stellen die Öffentlichkeit und Medien Deutschland und Spanien auf eine Stufe über die anderen. Das sei aber nur eine Momentaufnahme, die weder fördernd noch hemmend auf das DFB-Team wirken dürfte.

„Nur ein Narr lässt sich aktuell leiten. Es sind noch so viele Aufgaben zu erfüllen. Das Fokussieren muss Schritt für Schritt sein, Träumerein dürfen nicht in den Mittelpunkt gestellt werden. Große Ziele definiert man frühzeitig, dann nur mehr Teiletappen.“

Nicht mehr als eine gute Ausgangsposition

Als Hauptverantwortlicher für die Nachwuchs-Nationalteams freut ihn die aktuelle Entwicklung hinsichtlich junger Talente in der Nationalelf besonders. Schließlich schickt Bundestrainer Joachim Löw das jüngste aller EURO-Teams auf den Platz.

„Das ist eine außergewöhnliche Entwicklung. Lahm ist zwar schon 28 Jahre alt, Schweinsteiger 27. Unter den heutigen Möglichkeiten können sie in sechs Jahren aber auch noch spielen. All das was nachkommt, ist qualitativ auf einem sehr guten Niveau. Nichtsdestotrotz ist es nicht mehr als eine gute Ausgangsposition.“

Anders als noch 1996 ruhen die Hoffnungen auf einer jungen Generation, die erst die Basis legen muss, die vor 16 Jahren altersbedingt schon vorhanden war.

„Das Turnier kann für Deutschland eine Chance sein“, glaubt Sammer. "Ob das Team diesen Anforderungen gerecht wird, muss es erst unter Beweis stellen.“


Alexander Karper