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Van Marwijk und seine Stars stehen in der Kritik

Van Marwijk und seine Stars stehen in der Kritik

Schon bei den ersten Aufräumarbeiten in der niederländischen Chaos-Truppe wurde das ganze Ausmaß der inneren Zerrissenheit deutlich.

Der frustrierte Dauerreservist Klaas-Jan Huntelaar soll vor dem Rauswurf gestanden sein, Gerüchte über Handgreiflichkeiten machten die Runde - die Möchtegernchampions standen sich beim Vorrunden-Aus bei der EM mit ihren Egos einmal mehr selbst im Weg.

Vertrauen fehlt

"Es ist schwer, füreinander zu kämpfen, wenn das Vertrauen weg ist", gab Spielmacher Wesley Sneijder zu. Seine Analyse ließ tief blicken. Die Kritik von Legende Johann Cruyff an den Stars der "Oranjes" passte zum Kater.

Der Vize-Weltmeister von 1974 bemängelte besonders die fehlende Kreativität im Spiel der Elftal. "Oranje ist während der EM vor allem am schlechten Aufbau und am unsauberen Passspiel gescheitert", schrieb Cruyff in seiner wöchentlichen Kolumne für die Tageszeitung "De Telegraaf".

"Hier haben viele Nationalspieler nicht das gebracht, was sie leisten können. Und damit meine ich vor allem die Stars", sagte Cruyff.

Cruyff gibt Spielern die Schuld

Nach Meinung des einstigen Weltklasse-Spielmachers muss Bondscoach Bert van Marwijk nun einen klaren Schnitt machen und nur noch Spieler berufen, auf die er sich auch wirklich verlassen kann.

"Bert muss nun ganz klar entscheiden, wer für ihn wichtig ist", riet Cruyff dem umstrittenen Bondscoach. Wer nicht mitziehe, dürfe nicht mehr nominiert werden.

"Denn Fehler kannst du machen und Chancen vergeben, aber du musst auf dem Feld schon machen, was von dir verlangt wird", ergänzte Cruyff.

Kontrastprogramm zur WM 2010

Die Sehnsucht nach dem großen Titel blieb erneut unerfüllt - und noch nie waren die Niederländer so weit vom Triumph entfernt wie in Polen und der Ukraine.

"Wir sind um eine Enttäuschung reicher und um eine Illusion ärmer", schrieb "De Telegraaf" am Dienstag. Als Arjen Robben und Co. nach dem Debakel nach Amsterdam zurückkehrten, warteten nur ein paar hundert Anhänger auf ihre gefallenen Helden.

Vor zwei Jahren hatten dem Vize-Weltmeister noch Hunderttausende bei einer Grachtenrundfahrt durch Amsterdam ein begeistertes Willkommen bereitet. "Dunkler Empfang in Schiphol" titelte "De Telegraaf".

Kritik an der Fitness

Bis zum 6. Juli soll geklärt werden, ob Bondscoach Bert van Marwijk seinen bis 2016 laufenden Vertrag erfüllen darf.

KNVB-Direktor Bert van Oostveen will sich mit dem 60-Jährigen so schnell wie möglich an einen Tisch setzen. "Ich will das nicht noch einmal erleben und daher werden wir alles ganz genau durchleuchten", sagte der Verbandsboss dem "Algemeen Dagblad".

Van Oostveen ist besonders übel aufgestoßen, dass die Mannschaft während der EM offensichtlich nicht fit war. Der Unterschied mit den anderen Teams sei "unglaublich" gewesen, kritisierte er. "Das will ich als Direktor wissen, aber auch als Fußballfan."

Öffentlichkeit ist geteilter Meinung

In der niederländischen Öffentlichkeit wird van Marwijk nicht die Alleinschuld am ersten Vorrunden-Aus bei einer EM seit 32 Jahren gegeben. Bei einer Umfrage des "Algemeen Dagblad" war die Stimmung bis Dienstagmittag geteilt.

49 Prozent der Befragten meinten, es sei Zeit für einen anderen Coach. 51 Prozent sagten, van Marwijk solle den dringend benötigten Neuanfang selbst einleiten.

Gerüchte um Handgreiflichkeit und Huntelaar-Rauswurf

Die Profis mit den großen Egos scheinen in Krakau zu keiner Zeit zu einer Einheit geworden zu sein.

Der prominente niederländische Fernsehmoderator Jack van Gelder behauptete sogar, Verteidiger Wilfred Bouma sei gegen den Teamarzt handgreiflich geworden, als dieser ihn zu einer Dopingkontrolle führen wollte. Bouma bestreitet das.

Auch Huntelaar wurde von ihm angeprangert. Der Bundesliga-Torschützenkönig von Schalke 04 soll laut Van Gelder mit der Dauer-Kritik an seiner Reserverolle die Stimmung verpestet und sogar kurz vor dem Rauswurf aus dem Quartier in Krakau gestanden sein.

Auch wenn die EM für Oranje vorbei ist. In der Heimat werden die Nachwehen noch lange Zeit zu spüren sein.