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Eilts: "Schweinsteiger ist der Kopf der Mannschaft"

Eilts:

"Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten einem Ball hinterher und am Ende gewinnen immer die Deutschen."

Gary Linekers berühmter Sager ging nach dem WM-Halbfinale 1990 um die Welt und sorgte vielerorts für Kopfnicken. Die DFB-Auswahl war damals die dominierende Mannschaft und krönte sich wenig später zum dritten Mal zum Weltmeister.

Sechs Jahre später stand "Die Mannschaft", wie die Auswahl international genannt wird, erneut ganz oben. Der EM-Titel 1996 - ausgerechnet in England und nach einem Halbfinal-Krimi gegen den Gastgeber - sollte allerdings der bis dato letzte sein.

16 Jahre Leidenszeit - gehen sie zu Ende?

Zwar glänzten unsere Nachbarn bei den letzten Großereignissen und begeisterten Fans wie Kritiker mit tollem Offensiv-Fußball. Der große Wurf gelang ihnen dabei nicht. Das soll sich bei der EURO in Polen und der Ukraine ändern.

Dieter Eilts, eine der prägenden Figuren der 96er-Mannschaft, spricht im großen LAOLA1-Interview über die Favoritenrolle seiner Landsleute und darüber, warum es ausgerechnet in diesem Jahr wieder mit dem Titel klappen soll.

Desweiteren verrät der ehemalige Bremen-Profi, der inzwischen die Nachwuchsschule der Werderaner leitet und überdies als Jugendkoordinator des VfL Oldenburg tätig ist ("Die Aufgaben machen mir unheimlich viel Spaß."), was es braucht, um Erfolg zu haben und inwieweit die CL-Finalniederlage des FC Bayern eine Rolle spielen wird.

LAOLA1: Langsam, aber sich steigt das Fieber vor der EURO 2012. Haben Sie schon leichte Temperatur, Herr Eilts?

Dieter Eilts: Nein. Sicherlich freue ich mich riesig auf die Spiele, weil ich denke, dass es total interessant wird. Erhöhte Temperatur habe ich aber nicht deswegen.

Dieter Eilts war beim EM-Titel 1996 eine der tragenden Säulen der DFB-Auswahl

LAOLA1: Zwischen den Verbänden wird immer heftiger um solche Spieler gebuhlt. Speziell die Türkei ist bemüht, dem DFB Spieler abzujagen. Ein Aspekt, der dem Fußball schadet?

Eilts: Das ist ein Umstand, der dazugehört. Der DFB versucht ja auch, Spieler vom eigenen Verband zu überzeugen. Das ist eine normale Geschichte, die Teil des Sports ist. Der DFB hat genügend positive Argumente, um die jungen Spieler für sich zu gewinnen.

LAOLA1: Bei den vergangenen Großereignissen war Deutschland jeweils nahe dran am Titelgewinn, um am Ende doch knapp zu scheitern. Was spricht dafür, dass es ausgerechnet 2012 klappt?

Eilts: Dass sich die Mannschaft enorm weiterentwickelt hat und permanent stärker wird. Die Spieler sind reifer geworden. Der Titel ist überfällig!

LAOLA1: Wie erwähnt, wird Spanien als zweiter Kandidat auf die EM-Krone genannt. Sind die Iberer auch für Sie der große Rivale oder sehen Sie weitere Nationen auf Augenhöhe?

Eilts: Wer das Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich gesehen hat, muss auch die Franzosen zu den absoluten Favoriten zählen. Dazu gibt es weitere Mannschaften, die um den Titel mitspielen können. Ich zähle auch die Portugiesen, die Engländer oder die Holländer zu den stärksten Mannschaften. Ich glaube allerdings nicht daran, dass sich eine Überraschung wie 2004 mit Griechenland wiederholen wird.

LAOLA1: Deutschland hat mit Portugal, den Niederlanden und Dänemark die vermeintlich stärksten Gruppengegner erwischt. Ein Vor- oder Nachteil?

Eilts: Ich sehe es nicht als Nachteil. Man weiß sofort, worum es geht. Entsprechend muss man in diese Spiele reingehen.

LAOLA1: Sie waren beim letzten Titelgewinn 1996 mit dabei und gehörten zu den prägenden Persönlichkeiten. Dennoch standen Sie stets im Schatten anderer Leistungsträger, darunter z.B. Matthias Sammer. Waren Sie froh über diese Rolle oder hätten Sie sich manchmal etwas mehr Beachtung durch die Medien gewünscht?

Eilts: Das hat mich nie gestört. Ich hatte ja auch in Bremen nie eine andere Rolle und war noch nie der Typ, der sich in den Mittelpunkt einer Mannschaft gedrängt. Insofern konnte ich gut damit leben.

LAOLA1: Zu Ihrer aktiven Zeit gab es ganz klare Hierarchien in einem Team. Inzwischen wird gerne von der „flachen Hierarchie“ gesprochen. Was können Sie mit diesem Begriff anfangen?

Eilts: Es gibt auch heute noch klare Hierarchien, daher würde ich nicht von flachen Hierarchien sprechen. Auf dem Platz braucht man immer Leute, die vorangehen, wenn es denn mal kritisch wird. Und diese gibt es auch heute noch.

LAOLA1: Beim Titelgewinn 1996 war die DFB-Auswahl bespickt mit Alpha-Tieren, die sich allesamt dem Erfolg unterordneten. Wie wichtig ist dabei das Gespür eines Trainers?

Eilts: Immens wichtig. Er muss die Spieler zusammenführen. Ihm musst bewusst sein, dass das nur über die Mannschaft geht. Das soll nicht heißen, dass die individuelle Klasse der einzelnen Spieler eingeschränkt werden muss. Erfolg ist dabei natürlich wichtig, aber jeder, der Fußball spielt, weiß, dass es dazugehört, auch mal auf der Bank zu sitzen. Wer ein Problem damit hat, sollte sich etwas anderes suchen. Das heißt nicht, dass er sich mit der Reservistenrolle zufrieden geben soll. Der betroffene Spieler muss im Training härter an sich arbeiten, damit der Trainer nicht an ihm vorbeikommt. Mit dem Mund kommt keiner auf den Platz.

LAOLA1: Das deutsche Nationalteam gilt neben Spanien als Topfavorit auf den EM-Titel. Wie schätzen Sie die Titelambitionen Ihrer Landsleute ein?

Eilts: Ich denke, die Qualifikation und dabei vor allem die Art und Weise, wie die deutsche Mannschaft ihre Spiele absolviert hat, lassen doch hoffen. Die Leistungen berechtigen, um zu sagen, dass Deutschland zu den Topfavoriten zählt.

LAOLA1: Die Mannschaft hat in den vergangenen Jahren einen immensen Leistungssprung hingelegt. Gibt es Spieler, die bei Ihnen besonderen Eindruck hinterlassen haben?

Eilts: Es gibt viele, die einen tollen Weg gegangen sind und eine tolle Entwicklung genommen haben. Neuer, Schweinsteiger, Götze, Müller, Badstuber, Özil oder Khedira sind da zu nennen.

 LAOLA1: Sehen Sie Spieler, die unersetzbar sind?

Eilts: Bastian Schweinsteiger ist sicherlich ein Kopf der Mannschaft. Er ist ein absoluter Führungsspieler, der eine immens wichtige Rolle spielen wird.

LAOLA1: Wo hat Deutschland seine Schwachstelle?

Eilts: Ich sehe eigentlich keine.

LAOLA1: Die Außenverteidiger-Position gilt als solche. Sehen Sie im Falle eines Ausfalls von Philipp Lahm adäquaten Ersatz?

Eilts: Ich denke schon, dass ein Jerome Boateng auf der rechten Seite spielen kann. Die Verantwortlichen werden sich bestimmt genügend Gedanken machen. Wobei ein Philipp Lahm sowohl als Spieler, als auch als Persönlichkeit natürlich nicht eins zu eins ersetzt werden kann.

LAOLA1: Das Team wird allerorts für seinen attraktiven Spielstil gelobt. Ein Verdienst von Jogi Löw oder ist der Bundestrainer Nutznießer der herausragenden Nachwuchsarbeit, die in den Vereinen geleistet wird?

Eilts: Es ist ein Zusammenspiel aus beidem. Jogi Löw hat seinerzeit gemeinsam mit Jürgen Klinsmann versucht, Wert auf neue Dinge zu legen. Letztendlich wurde vieles in den Nachwuchsleistungszentren und Bundesliga-Vereinen umgesetzt. Davon profitiert man nun gegenseitig. Anstoß dieser Spielphilosophie ist aber ganz klar der Bundestrainer.

LAOLA1: Es tummeln sich immer mehr Spieler mit Migrationshintergrund in der Auswahl. Ein Umstand, der sich befruchtend auf den Spielstil auswirkt?

Eilts: Absolut. Es ist positiv, wenn viele verschiedene Charaktere ihre Stärken mit einfließen lassen und sich gegenseitig nach vorne bringen. Voneinander zu lernen und Aspekte anderer Kulturen für sich mitzunehmen, kann sich nur positiv auswirken.

Dieter Eilts (mit Jürgen Kohler) gewann mit der DFB-Auswahl den EM-Titel 1996

Eilts: Zunächst muss man abwarten, wie die Mannschaft zusammengestellt wird. Sicherlich sieht es aber so aus, dass ein Umbruch oder Neustart durchgeführt wird. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Verantwortlichen das hinkriegen werden. Klar ist aber auch, dass es einige Zeit braucht, um die Elemente wieder zusammenzufügen. Da muss man auch mal mit weniger zufrieden sein. Gerade am Anfang kann es nicht der Anspruch sein, sich für die Champions League zu qualifizieren.

LAOLA1: In Erfolgszeiten wurden Thomas Schaaf und Klaus Allofs für ihre Arbeit gefeiert, inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Was entgegnen Sie den Kritikern des verantwortlichen Duos?

Eilts: Es ist doch so, dass sie sehr, sehr viele Spieler toll entwickelt haben. Sie haben starke Spieler zum SV Werder geholt. Es muss klar sein, dass es nicht nur bergauf gehen kann. Sie haben einst angefangen, als die Mannschaft nicht unbedingt ganz oben war und haben diese zu vielen Erfolgen geführt. Das werden sie auch jetzt wieder auf die Reihe kriegen.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Der deutsche Fußball ist im Aufwind. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass gerade jetzt wieder Fehler gemacht werden, da man gerade im Erfolgsfall besonders viele begeht?

Eilts: Ich bin davon überzeugt, dass die Verantwortlichen aus der Vergangenheit gelernt haben und sie wissen, dass hart dafür gearbeitet wurde, um wieder nach oben zu kommen. Nun muss noch härter dafür gearbeitet werden, da es um ein Vielfaches schwieriger ist, auch oben zu bleiben. Ich gehe aber fest davon aus, dass diese Arbeit fortgesetzt wird und sich keiner zurücklehnt.

LAOLA1: Auf Vereinsebene hat der FC Bayern binnen drei Spielzeiten zwei Mal das CL-Finale erreicht. Sehen Sie den Klub schon wieder konstant auf Augenhöhe mit Real Madrid oder dem FC Barcelona?

Eilts: Dass die Bayern schon wieder im Finale standen, zeigt ganz klar, dass sie im Konzert der Großen sind. Daran gibt es für mich keine Diskussion.

LAOLA1: Die Niederlage gegen den FC Chelsea war nicht nur bitter, sondern hinterließ auch Spuren. Bedeutet das zugleich negative Auswirkungen für die EM?

Eilts: Das verlorene Finale wird die Bayern sicher weiter stark beschäftigen. Ich denke aber, dass der DFB eine gute Umgebung und eine gute Atmosphäre schaffen wird, sodass die Bayern-Spieler das Geschehene gut verarbeiten und trotzdem eine gute Leistung bringen können.

LAOLA1: In der Bundesliga war zuletzt Borussia Dortmund zweimal einen Tick voraus. Sehen sie die beiden Top-Teams auf Augenhöhe?

Eilts: Der BVB zeigt, dass er auf nationaler Ebene gleichauf ist. Ich hoffe, dass die Dortmunder im nächsten Jahr auch auf internationaler Ebene aufzeigen können. Der BVB sollte aber langfristig auf alle Fälle das Zeug dazu haben, auch im Europapokal in der Liga der Bayern zu spielen.

LAOLA1: Für Ihren Stammverein, den SV Werder, lief es in den letzten Monaten alles andere als nach Wunsch. Womit würden Sie den Leistungsabfall begründen?

Eilts: Es gibt viele Gründe, gerade was Probleme mit Verletzten betrifft. Die Mannschaft konnte sich nie einspielen, es gab immer wieder Veränderungen. Das war wohl das größte Problem, das wir hatten.

LAOLA1: Mehrere Leistungsträger kehren dem Verein den Rücken. Müssen die Ansprüche in Zukunft nach unten geschraubt werden?