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Boller: "Ich wollte mit offenen Karten spielen"

Boller:

„Pikant“ trifft es schon ganz gut. Sowohl in punkto Wechsel-Ziel als auch beim Zeitpunkt der Bekanntgabe hat sich Sascha Boller selbst übertroffen.

Der Offensivspieler von Austria Lustenau läuft ab Sommer für Grödig auf, unabhängig von Aufstieg oder Verbleib in der zweithöchsten Spielklasse. Derzeit trennen die direkten Konkurrenten gerade einmal zwei Punkte.

Der 29-Jährige selbst bleibt im Gespräch mit LAOLA1 gelassen: „Ich verstehe die Aufregung jetzt nicht.“ Schließlich habe er den Vertrag unterzeichnet, als der Rückstand der Salzburger noch acht Zähler betrug.

Bei den Lustenauern habe ihm zuletzt die hundertprozentige Überzeugung gefehlt, den Aufstieg schaffen zu wollen, in Grödig arbeite man zielorientierter.

Im Interview spricht er über seine Beweggründe und räumt mit Spekulationen wie etwa seiner provozierten Sperre gegen seinen künftigen Arbeitgeber auf.

LAOLA1: Dein Wechsel hat viele überrascht. Wie lange war das schon geplant?

Sascha Boller: Ich hatte schon über längere Zeit Kontakt mit Adi Hütter. Er wollte mich schon bei Altach zu sich holen. Mit Grödig habe ich jetzt erst in den letzten Wochen zu tun gehabt.

LAOLA1: Warum ausgerechnet zum schärften Konkurrenten um den Aufstieg?

Boller: Adi Hütter und Christian Haas haben mir dargelegt, dass Grödig ein Verein ist, der eine Vision und ein klar definiertes Ziel hat. Ich habe das auch so angenommen. Die zwei haben Hunger nach mehr, da will ich einfach dabei sein. Das war eigentlich der Beweggrund.

LAOLA1: Sind in Grödig mehr Visionen zu erkennen als bei Austria Lustenau?

Boller: Ich glaube schon. In Lustenau redet man zwar auch immer vom Aufstieg, aber nach drei Jahren fehlt mir die Überzeugung, ob man den hundertprozentig will.

LAOLA1: Trotz der langen Zeit in Lustenau bist du dir darüber nicht sicher?

Boller: Es ist einfach nicht klar definiert. Es gibt so viele Sachen, die nicht so laufen, wie sie laufen sollten. Ich war zweieinhalb Jahre da und es waren zweieinhalb schöne Jahre, das muss man auch dazusagen. Aber das war einfach ein Grund, dass ich einen anderen Schritt machen wollte.

LAOLA1: Du meintest, die Überzeugung fehlt. Was hat sich zum Herbst verändert?

Boller: Vielleicht versteht man das so falsch, wie ich es gesagt habe. Ich habe lange mit Hubert Nagel gesprochen, was geändert wird oder was passiert, wenn wir aufsteigen. Er will aber nicht viel ändern und mit der Mannschaft weiterspielen. Ich dachte aber immer, dass durch einen Bundesliga-Aufstieg ein richtiger Auftrieb durch die ganze Austria geht und man zwei, drei richtig gute Leute dazu holt, damit man auch in der Bundesliga noch eine richtig gute Rolle spielen kann. Das habe ich einfach vermisst zu diesem Zeitpunkt. Das hat mir Grödig besser dargelegt.

LAOLA1: Vor allem der Zeitpunkt war überraschend. Hätte das so ablaufen sollen?

Boller: Ich sage ganz ehrlich, dass ich mit offenen Karten spielen wollte. Ich habe zwei Tage davor den Vertrag unterschrieben und habe gesagt, dass sie es gleich bekanntgeben sollen. Weil es bringt ja auch nichts, wenn das irgendwann später herausgekommen wäre. Hätte ich gut gespielt, hätte keiner ein Wort gesagt. Aber wenn es mal nicht so gelaufen wäre, hätte jeder gesagt, dass man beim Boller sieht, dass er schon damals nach Grödig wollte. Hubert Nagel hat gewusst, dass ich woanders einen neuen Vertrag unterschreibe. Deswegen verstehe ich die Aufregung jetzt nicht. Hätte ich nicht mit offenen Karten gespielt, hätten sich alle verarscht gefühlt. Der Zeitpunkt ist natürlich jetzt relativ blöd, wenn beide Teams um den Titel mitspielen.

LAOLA1: Warst du mit deiner Situation unzufrieden? War ein Verbleib nie Thema?

Boller: Doch, ich hatte von Dezember bis Jänner viele Gespräche mit Hubert Nagel. Ich wollte eigentlich bleiben. Meine Freundin hat ihren Job hier und hat sich auch sehr wohl gefühlt. Es hat einfach nicht so gepasst, dass ich sage: Das mach‘ ich! Ich bin jetzt 29 Jahre alt und muss auf meinen weiteren Weg schauen.

LAOLA1: Siehst du ein Risiko, die restliche Saison nicht mehr zu spielen?

Boller: Nein, ich glaube nicht. Das wird Helgi (Anm.d.Red.: Kolvidsson) entscheiden, ich habe eigentlich einen ganz guten Draht zu ihm. Er hat mir gesagt, dass er sich anschauen wird, wie ich weiterhin trainiere. Ich werde weiterhin Gas geben für Austria Lustenau, das habe ich ihm auch versprochen. Wenn er sich dazu entscheidet, dass er mich nicht mehr spielen lässt, dann muss ich das akzeptieren.

LAOLA1: Für dich als Profi steht somit außer Frage, bis zuletzt alles zu geben?

Boller: Natürlich, ich hatte ja schöne zweieinhalb Jahre. Ich habe dem Verein auch viel zu verdanken, etwa dass ich mir einen Namen in Österreich machen konnte. Dass gerade Grödig jetzt noch bis auf zwei Punkte herangekommen ist, ist natürlich unglücklich.

LAOLA1: Wenn Grödig aufsteigt, hast du alles richtig gemacht. Und wenn nicht?

Boller: Dann werde ich in Grödig in der zweiten Liga spielen. Als ich erstmals mit Grödig Kontakt hatte, waren wir noch acht Punkte vorne. Da war es überhaupt nicht Thema, dass Grödig noch die Chance hat, aufzusteigen. Da war jeder überzeugt, dass Lustenau Meister wird. Dass es so gekommen ist und wir so einbrechen, ist unglücklich gelaufen. Ich wollte mich eigentlich mit dem Meistertitel aus Lustenau verabschieden, aber das hatte überhaupt nichts damit zu tun, ob Lustenau, Grödig oder keiner von beiden aufsteigt. Ich hätte sowieso bei Grödig unterschrieben.

LAOLA1: Im Herbst war u.a. noch Rapid Thema. Ist die Bundesliga weiter dein Ziel?

Boller: Ich habe mit Grödig gesprochen, die haben mir ein klares Ziel gesetzt und wollen die nächsten zwei, drei Jahre richtig Gas geben. Da will ich dabei sein. Das Ziel ist es, irgendwann die Bundesliga zu erreichen.

LAOLA1: Dass du gegen Grödig gesperrt warst, sorgt nun für eine schiefe Optik.

Boller: Natürlich wird jetzt viel darüber spekuliert, was war. Ich bin nicht stolz darauf, aber um das einfach ins gerade Licht zu rücken: Wenn man sieht, wieviele Gelbe Karten ich in den letzten Jahren bekommen habe, dann ist das natürlich unglücklich. Ich habe in den Jahren davor schon viel mehr Gelbe Karten gekriegt und war gesperrt, auch nach Gelb-Roten Karten. Ich glaube, da kann mir jetzt keiner einen Strick daraus drehen.

LAOLA1: Wer hat deiner Meinung nach im Aufstiegskampf die besseren Karten?

Boller: Das wird man sehen. Im Herbst war ich hundertprozentig davon überzeugt, dass wir das Rennen machen. Aber man hat ja gesehen, dass es schnell wieder relativ spannend wird, wenn man einen kleinen Einbruch hat. Ich glaube, man darf Altach immer noch nicht aus dem Fokus lassen. Die haben jetzt auch eine richtig gute Rückrunde gespielt. Wir werden die kommenden zwei Wochen im Training Gas geben. Dann bin ich gespannt, wie es weitergeht.

LAOLA1: Was fehlte Lustenau in den letzten Spielen im Vergleich zum Herbst?

Boller: Ich glaube einfach, dass wir die Lockerheit verloren haben. Jeder macht sich seine Gedanken, vielleicht auch über Verträge und das ‚Was wäre wenn‘? Wenn wir das noch verspielen, wären wir die Trotteln, weil uns schon jeder zum Meister gratuliert hat. Das war eine Kopfsache in den letzten drei, vier Wochen. Aber ich glaube, die Mannschaft hat die Qualität, die müssen wir nur ausspielen. Dann wird die Austria auch Meister.


Das Gespräch führte Alexander Karper