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Brasilien: Chaos, Verletzte und Straßenschlachten

Brasilien: Chaos, Verletzte und Straßenschlachten

Der Fußball-Weltverband FIFA denkt trotz der Massendemonstrationen in Brasilien nicht an einen Abbruch des Confederations Cups.

"Weder die FIFA noch das LOK (Anm.: nationales Organisationskomitee) haben je über eine mögliche Absage diskutiert", sagte ein Sprecher des Weltverbandes am Freitag.

Man habe "vollstes Vertrauen in das Sicherheitskonzept" für Confed Cup und WM 2014 und "stehe in ständigem Kontakt mit den entsprechenden Behörden."

Kein Team will weg

Außerdem widersprach die FIFA Gerüchten, wonach ein Teilnehmer wegen der Massenproteste mit einer Abreise gedroht habe.

"Wir haben keine Anfrage von irgendeiner Mannschaft erhalten, den Wettbewerb abzubrechen", erklärte Pressesprecher Pekka Odriozola am Freitag in Rio de Janeiro. 

Die Zeitung "Folha Sao Paulo" hatte am Freitag berichtet, dass ein Team aus Sicherheitsgründen die vorzeitige Abreise erwäge.

Spekulationen zufolge soll es sich um Vize-Europameister Italien handeln. Für die Squadra Azzurra ist der WM-Testlauf auch ein Familienausflug. Die Familien der Spieler sind mit nach Brasilien gereist.

Krisensitzung nach Bürgerkriegszustand

In der Nacht zu Freitag hatten sich die Proteste im ganzen Land ausgeweitet. Dabei kam es zu teilweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Schätzungsweise eine Million Menschen gingen in der Nacht auf Freitag in etwa 100 Städten des südamerikanischen Landes auf die Straße.

Die Demonstranten forderten ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem und eine Ende von Korruption. Vielfach endeten die Demonstrationen in Gewalt. Ein Mensch kam ums Leben, vermutlich Hunderte wurden verletzt.

Präsidentin Dilma Rousseff verschob eine für Sonntag geplante Reise und berief für Freitagvormittag (Ortszeit) eine Krisensitzung ein.

In Rio de Janeiro wurden 44 Menschen verletzt, in Brasilia mehr als 100. Viele erlitten Verletzungen durch Gummigeschoße der Polizei oder hatten Atemwegsbeschwerden durch Tränengas-Granaten.

Polizei sorgt für Eskalation

Die größten Proteste gab es in Rio mit rund 300.000 Menschen. Die Allermeisten demonstrierten völlig friedlich und zogen durch das Zentrum der Stadt in Richtung Amtssitz des Bürgermeisters.

Eine kleine Gruppe von Protestteilnehmern bewarf die Sicherheitskräfte mit Steinen, wie eine AFP-Journalistin berichtete. Die Situation eskalierte, als die Polizei Tränengas-Granaten auf den Protestzug abfeuerte.

Anschließend kam es zu Straßenschlachten. Randalierer setzten im Verlauf der Nacht Autos in Brand, rissen Zäune um und steckten Plastikplanen in Brand.

Erstes Todesopfer zu beklagen

Die Polizei war mit berittenen Einheiten und gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz und ging laut Augenzeugen brutal gegen die Demonstranten vor.

"Die Polizei hat komplett die Kontrolle verloren und ist unfähig, mit solchen Demonstrationen umzugehen", sagte die Kollegin eines TV-Reporters, der durch ein Gummigeschoß am Kopf verletzt wurde.

In Ribeirao Preto, rund 330 Kilometer nördlich der Metropole Sao Paulo, kam nach Polizeiangaben ein Demonstrant ums Leben.

Ein Auto sei in eine Gruppe von drei Menschen gefahren, wobei einer von ihnen getötet wurde, schrieb die Polizei am Donnerstag (Ortszeit) im Kurzbotschaften-Dienst Twitter. Brasilianische Medien berichteten, das Auto habe versucht, an Demonstranten vorbei zu fahren, die eine Straße blockierten.

Die Weltmeisterschaft erfreut sich keiner großen Beliebtheit

Feuer in der Hauptstadt

In Sao Paulo gingen über 100.000 Menschen auf die Straße. Dort verliefen die Proteste weitgehend friedlich.

Zusammenstöße gab es in mindestens zehn weiteren Städten, darunter in der Hauptstadt Brasilia, wo 30.000 Menschen an einen Protestzug durchs Regierungsviertel teilnahmen.

Auch dort setzte die Polizei massiv Tränengas und Gummigeschoße ein. Tausende zogen vor das Außenministerium, besetzten dort eine Rampe und zündeten direkt an dem Ministerium ein großes Feuer an.

"Es ist eine nationale Bewegung"

Seit fast zwei Wochen gehen in Brasilien täglich zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen hohe Ausgaben für die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 zu protestieren und mehr Investitionen ins Gesundheits- und Bildungssystem zu fordern.

Der Historiker Francisco Carlos Teixeira von der Universiät Rio verwies am Freitag in einem TV-Gespräch auf die breite Agenda der Demonstranten.

"Aber das 'Nein zur Korruption' wird von den Allermeisten zuerst genannt. Die Korruption ist die zentrale Frage, und wir haben es hier mit einer nationalen Bewegung zu tun."

Er kritisierte die "brutale Antwort" der Polizei auf das Verhalten der Randalierer, bei denen es sich um Autonome und Anarchisten handle. "Wir können Vandalismus nicht mit Vandalismus beantworten."

Confed Cup (noch) nicht betroffen

In Campinas bei Sao Paulo kam es an einer Straßenkreuzung zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten.

In Salvador in Bahia, wo am Donnerstag eine Partie des Confederations Cups ausgetragen wurde, setzten Randalierer einen Bus in Brand und beschädigten zwei Mini-Busse des Fußball-Weltverbandes FIFA.

Die Protestaktionen in mehr als 100 Städten des Landes waren vor allem über das Internet koordiniert worden.

Präsidentin Rousseff verschob wegen der Demonstrationen eine für Sonntag geplante Reise nach Japan. Auch ein für Freitag vorgesehener Termin der Staatschefin in Salvador wurde abgesagt.

Für Freitag berief sie eine Dringlichkeitssitzung in Brasilia ein, an der auch Justizminister Jose Eduardo Cardozo teilnehmen sollte.

Die Partien des Confederations Cups waren in den Stadien von den Protesten gegen Misswirtschaft und Korruption bisher nicht betroffen.