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Wengers Wiedersehen mit der alten Liebe

Wengers Wiedersehen mit der alten Liebe

Würde auf dieser Welt immer alles gerecht ablaufen, dann hätte Arsene Wengers Karriere wohl einen komplett anderen Weg genommen.

Der Franzose wäre mit Monaco in Frankreich zum Serienmeister avanciert, sein Verein hätte einem Angebot der Bayern zugestimmt und er würde jetzt auf viele erfolgreiche Jahre in München zurückblicken.

So aber musste sich Wenger als Monaco-Coach mit einem korrupten Rivalen herumschlagen, sein Klub ließ ihn im Sommer 1994 trotz einer Anfrage von Franz Beckenbauer nicht nach Deutschland ziehen und nur wenige Monate später wurde er nach einem schlechten Saisonstart gefeuert.

Statt zu den Bayern kam Wenger über den Umweg Japan 1996 zu Arsenal. Der Rest ist Fußball-Geschichte. Nun trifft der „Boss“ mit den „Gunners“ im CL-Achtelfinale auf seine alte Liebe, die AS Monaco. Ein Anlass, um in Nostalgie zu schwelgen.

Wären mehr Titel möglich gewesen?

Von 1987 bis 1994 lenkte Wenger die Geschicke des Vereins aus dem Fürstentum. Von Anfang an verfolgte ihn dabei ein dunkler Schatten: Bernard Tapie. Mit dem früheren Marseille-Präsidenten lieferte sich „Le Professeur“ ähnliche  Verbalduelle wie einige Jahre später mit Intimfeind Jose Mourinho.

Verglichen mit dem Chelsea-Trainer ist Tapie jedoch ein Schurke ganz anderen Kalibers. Unter seiner Führung hatte „OM“ am Ende der Saison 1993 drei Profis von Gegner Valenciennes bestochen. Die Spieler deckten den Skandal auf. Tapie wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt und Marseille ein Jahr nach dem Champions-League-Titel in die zweite Liga versetzt.

Zwar wurden Tapie keine weiteren Verbrechen nachgewiesen, doch bekamen die vier Meistertitel, die Marseille von 1989 bis 1992 gewonnen hatte, einen fahlen Beigeschmack. „Wenn ich jetzt auf diese Zeit zurückblicke, dann komme ich nicht drum herum daran zu denken, dass wir mindestens zwei Meistertitel mehr gewinnen hätten müssen“, blickt Claude Puel im „Guardian“ wehmütig zurück. Der nunmehrige Nizza-Coach war als Rechtsverteidiger konstanter Bestandteil jenes Monaco-Teams, das damals mit Marseille um den Titel kämpfte.

Eine Tragödie vor dem Europacup-Finale

Auch Wenger selbst hat den Schock von damals noch immer nicht verdaut. Die Frage, was möglich gewesen wäre, beschäftigt ihn bis heute. „Es ist eine Schande. Wenn es einmal so weit kommt, dass du nicht mehr weißt, wer da draußen ehrlich ist, dann gleicht das einem Desaster. Ich denke, wir müssen mit aller Härte dagegen vorgehen, um solche Betrügereien aus dem Fußball zu befördern“, erklärt der Arsenal-Coach.

Der Marseille-Skandal war nicht die einzige schwierige Phase, die Wenger als Monaco-Trainer zu bewältigen hatte. 1992 gelang seiner Mannschaft der Einzug ins Finale des Cups der Cup-Sieger. Dort wartete das von Otto Rehhagel trainierte Werder Bremen.

Am Abend vor dem Spiel ereilte dem französischen Fußball jedoch ein Schicksalsschlag. Beim Einsturz einer Tribüne kamen in Bastia 18 Zuschauer ums Leben. „Es war eine Tragödie. Wir konnten danach nicht einschlafen und uns angemessen auf das Spiel vorbereiten“, erinnert sich der heute 65-Jährige gegenüber „Uefa.com“ zurück.

Wenger plädierte für eine Verschiebung der Partie. Sein Einwand hatte bei der UEFA jedoch keinen Erfolg. Monaco verlor das Endspiel 0:2.

„Ein neuer Typus von Professionalität“

Letztlich holte der Elsässer in seinen sieben Jahren bei den Monegassen „nur“ zwei Titel - einmal die Meisterschaft (1988) und einmal den Pokal (1991). Je weniger Spuren diese Ära jedoch auf dem Papier hinterließ, umso mehr prägte sie den französischen Fußball der 1990er-Jahre.

Als absoluter Nobody von Absteiger Nancy gekommen verdiente sich der damals 38-jährige Wenger dank seiner modernen Trainingsmethoden schnell den Respekt der Spieler. „Mit ihm hielt ein neuer Typus von Professionalität Einzug. Er war kein Revolutionär, viel mehr ein Evolutionär. Im Laufe der Zeit änderte er viele kleine Dinge“, meint sein ehemaliger Schützling Puel.

Beispielsweise legte Wenger wie auch später bei Arsenal schon in Monaco großen Wert auf den richtigen Lebenswandel seiner Spieler. „Manche von uns nannten es ‚unsichtbares Training‘. Besonders in Bezug auf die Ernährung und auf die Erholungsphasen nach den Spielen gab er uns wertvolle Hinweise. Das waren Verbesserungen, die wir kaum wahrnahmen, aber die uns definitiv halfen.“

Er hat Thuram und Petit entdeckt

Schon damals erklärte Wenger seinen Spielern mit Hilfe von Video-Aufzeichnungen die Stärken und Schwächen der Gegner. Statistiken wertete er mit einem Daten-Programm namens „Top-Scorer“ aus. So manche Taktik-Besprechung soll bis zu 45 Minuten gedauert haben. Der „Professor“ war seiner Zeit voraus. In den 1980er-Jahren arbeitete kaum jemand mit diesen Methoden, die heutzutage zum Standardprogramm eines jeden Profi-Trainers gehören.

„Wir respektierten ihn, weil er so viel über Fußball, über Taktik und über die Spielvorbereitung wusste. Alles, was er machte, war sehr beeindruckend. Er hat uns auf ein ganz anderes Level gebracht, verglichen mit dem, was wir vor ihm gemacht hatten“, sagt Emmanuel Petit, der bei Monaco und Arsenal mit Wenger zusammenarbeitete.

Der Mittelfeldspieler ist nur einer von vielen späteren Superstars, die bei Monaco durch die Wenger-Schule gingen. Neben Petit holte der Elsässer auch Lilian Thuram von der Vereinsjugend in die erste Mannschaft. Zudem hatte Wenger Youri Djorkaeff sowie den späteren Weltfußballer George Weah unter seinen Fittichen.

Puel: „Bayern wäre perfekt gewesen“

Das letzte Ausrufezeichen mit Monaco setzte Wenger 1994, als er seine Mannschaft ins CL-Halbfinale führte. Nicht nur deswegen hatte sich der Coach, der es als Spieler auf lediglich zwölf Einsätze im Profi-Fußball brachte, mittlerweile auch einen Namen außerhalb Frankreichs gemacht.

Im Sommer nach der sensationellen CL-Saison wollte ihn Franz Beckenbauer zu den Bayern lotsen, doch Monacos Klub-Führung ließ ihn nicht gehen. Wenige Monate später wurde er nach einem verpatzten Saisonstart entlassen.

„Er war total enttäuscht davon, wie alles endete. Ganz besonders deswegen, weil er sehr gerne zu den Bayern gewechselt wäre. Das war eine außergewöhnliche Gelegenheit für jemanden wie ihn, der fließend Deutsch spricht und mit der Bundesliga aufgewachsen ist. Es wäre perfekt gewesen“, meint Puel im „Guardian“-Gespräch.

Wengers Karriere hätte eben ganz anders verlaufen können. Das Schicksal hat ihn aber zu Arsenal geführt.

Einen Weg, den er angesichts seiner 18 Jahre in London nicht bereuen dürfte.

 

Jakob Faber