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"Wollen uns nicht wegen der Null stressen"

Peter Gulacsi.

Vor 15 Monaten konnte kaum einer in Österreich mit diesem Namen etwas anfangen. Heute ist der ungarische Keeper der beste Tormann, der hierzulande spielt und die unbestrittene Nummer eins bei Meister Red Bull Salzburg.

„Ich habe von Anfang an gesehen, dass er ein Riesentalent ist. Wenn er so weitermacht, wird er ein großer Torwart in Europa“, sagte Eddie Gustafsson am Montag bei „Talk und Tore“ auf „Sky“.

Gulacsi, der in diesem Jahr beim 2:2 gegen Dänemark sein Debüt für die Nationalmannschaft gab, wurde wegen seiner Rolle als spielender Tormann aus Liverpool nach Salzburg geholt.

Im LAOLA1-Interview spricht der 24-Jährige über seine Vorbereitung auf das wichtigste Spiel seiner Karriere, das Vorbild Manuel Neuer und wie ihn Herbert Ilsanker noch besser macht.

LAOLA1: Ist Salzburg noch besser als in der vergangenen Saison?

Peter Gulacsi: Wir wollen einfach immer besser werden, denn unsere Ziele beschränken sich nicht nur auf die Bundesliga. Uns geht es auch um die internationalen Bewerbe. Vergangene Saison war es die Europa League, jetzt wollen wir dasselbe in der Champions League erreichen und dabei das Niveau in der Bundesliga halten. Wir verbessern uns, weil wir stets dieselbe Philosophie verfolgen und dieselbe Art des Fußballs. Wenn man die Basis intus hat, kann man an den Details arbeiten. Das machen wir im Training und analysieren auch viel auf Video, was wir etwa auf wenigen Metern noch besser machen können. Wir fokussieren uns erst auf unser Spiel, dann auf das des Gegners.

LAOLA1: Da sind wir schon bei Malmö: Wie hast du dich auf dieses wichtige Spiel vorbereitet?

Gulacsi: Wir Spieler bekommen alle jeweils Informationen über unsere Gegenspieler und bei mir ist es natürlich normal, dass ich genauer über die Stürmer Bescheid weiß. Mit Herbert (Ilsanker, Tormann-Trainer, Anm.) schauen wir dann Videos und bereiten uns dementsprechend auch auf dem Feld vor. Es ist eine komplexe Vorbereitung und natürlich schauen wir uns die Stärken und Schwächen des Gegners an, aber es ist auch wichtig, sich nicht zu sehr auf den Gegner zu fokussieren. Denn wir wollen gegen jeden denselben Fußball spielen.

LAOLA1: Hast du dennoch gleich nach der Auslosung Videos von Markus Rosenberg geschaut?

Gulacsi: Nein, so etwas tue ich eigentlich nicht. Markus Rosenberg kenne ich noch aus meiner Zeit in England, als er auch dort spielte. Er ist ein toller Angreifer, schnell, mit einem guten Auge und einem schnellen Abschluss. Wir müssen auf ihn aufpassen. Wir werden generell mit allen wichtigen Informationen ausgestattet und wenn ich noch mehr brauche, dann kann ich mir Zugang dazu verschaffen. Mir ist die gute Balance aus Wissen, der eigenen Stärken sowie jenen des Gegners wichtig. Wir dürfen den Gegenspielern aber einfach nicht viel Platz lassen, egal wer vorne spielt.

LAOLA1: Salzburg steht in der letzten Runde vor dem großen Traum, spielt zu Hause, wo idealerweise kein Gegentor fallen soll. Ist es das wichtigste Spiel deiner bisherigen Karriere?

Gulacsi: Man könnte das so sagen. Wir wollen unbedingt in die Champions League und nun ist es natürlich das wichtigste Spiel bislang. Aber so wird es auch vor dem Rückspiel eine Woche später sein. Sicherlich hat das Heimspiel eine gewisse Wichtigkeit, um ein gutes Resultat zu erzielen. Aber wir wollen uns nicht deswegen stressen, dass wir ja kein Tor bekommen. Wir sind eine offensive Mannschaft, erzielen viele Tore und wollen uns darüber Gedanken machen. Mit unserer Philosophie haben wir bislang auch wirklich nicht viele Tore bekommen. Wir wissen, dass es schön wäre, wenn wir zu Hause die Null halten könnten. Aber in erster Linie geht es darum, das Spiel zu gewinnen.

LAOLA1: Spürst du selbst weniger Druck, weil ohnehin die ganze Mannschaft verteidigen muss?

Gulacsi: Ja, das betrifft wirklich alle in der Mannschaft. Wenn wir zusammen gut arbeiten, dann limitiert das die Chancen für den Gegner. Aber wir wollen einfach unseren Fußball spielen und nicht unsere Art zu spielen vergessen. Nur das wäre gefährlich.

LAOLA1: Du bist ein Tormann, der mitspielt und das hier auch muss. War das immer schon so?

Gulacsi: Im Nachwuchs in Ungarn habe ich schon für ein sehr offensives Team gespielt. Wir haben fast alle Ligen gewonnen und da hatte ich nicht immer sonderlich viel zu tun. Aber wir standen hoch und deswegen habe ich viel mit meinen Mitspielern spielen und immer gute Entscheidungen treffen müssen. Liverpool hat für Torhüter wie mich einen ähnlichen Stil, es ist auch ein offensives Team und der Keeper muss viel mitspielen. Es geht nicht nur darum, Torschüsse zu halten, sondern auch mit der Mannschaft am Feld zu arbeiten. Da gibt es viel zu tun.

LAOLA1: Wie ist Salzburg damals überhaupt auf dich aufmerksam geworden?

Gulacsi: Herbert Ilsanker und Hans Leitert (Leiter der Tormann-Ausbildung, Anm.) wurden auf mich aufmerksam, sie haben mich gescoutet und dann auch Liverpool kontaktiert. Das war ein langer Prozess, den ich erst am Ende mitbekam. Bei Red Bull passiert dahingehend viel hinter den Kulissen, es wird viel gescoutet und analysiert. Sie haben mich dann viel im zweiten Team Liverpools beobachtet.

LAOLA1: Wie macht dich Herbert Ilsanker besser?

Gulacsi: Wir versuchen generelle Fähigkeiten zu verbessern. Es ist nicht einfach für einen Tormann-Trainer, Match-Szenen nachzustellen. Die Geschwindigkeit des Spiels, des Schusses, der Entscheidungen sind Dinge, die zwei Torhüter und ihr Trainer unmöglich nachmachen können. Man kann aber an den Dingen abseits davon arbeiten, etwa an der Reaktion, an der Zeit für das Treffen einer Entscheidung. Torhüter zu sein besteht aus vielen Dingen. Wir haben auch Abwechslung dabei und können mit vielen Methoden und Geräten arbeiten, um uns zu verbessern. Es geht nicht nur um die Qualitäten, die zu sehen sind, sondern auch um jene dahinter. Hier kann ich gut arbeiten und mir sagen auch Menschen von außen, dass mich die Arbeit mit Herbert hier verbessert.

LAOLA1: Ist Alexander Walke Rivale oder Unterstützer?

Gulacsi: Er ist ein Rivale, weil er so hart trainiert und das ist wiederum eine Motivation für mich. Er zwingt mich, dass ich jeden Tag alles gebe, weil er selbst immer 100 Prozent gibt. Manchmal ist er im Training einfach auch besser, da komme ich dann nicht ran. Aber das ist gut für mich, denn das macht mich besser, wenn ich immer gefordert werde. Alex hat auch vergangene Saison immer gut gespielt und es ist ein Zeichen für mich: Ja, Fehler gehören zum Spiel, aber ich kann mir nicht leisten, dass meine Leistungen schlechter werden, denn dann ist Alex da, der die Chance nützen würde, weil er ein toller Goalie ist. Und er ist ein Freund, er und Eddie haben mir im ersten Jahr viel geholfen.

LAOLA1: Ist Manuel Neuer ein Vorbild für dich?

Gulacsi: Ja, denn er ist der absolut beste Keeper der Welt und er ist der moderne Torhüter schlechthin. Nicht nur erst seit diesem Jahr, sondern schon länger. Er spielt auch in einem Team, wo er vielleicht weniger richtige Tormann-Aufgaben, aber dennoch viele Entscheidungen zu treffen hat und offensiv spielen, viel mit den Füßen arbeiten und auf die Stürmer aufpassen muss. Das ist für mich mehr als reines Tormann-Spiel.

LAOLA1: Seine neue Nummer zwei heißt Pepe Reina, dein Mentor aus Liverpool-Zeiten.

Gulacsi: Ja, ich habe ihm schon eine SMS geschrieben und wenn er sich einmal in München richtig niedergelassen hat, werden wir uns auch zum Essen treffen. Weit ist es ja nicht. Ich habe mit Pepe trainiert und er ist jemand, der einen ähnlichen Stil pflegt. Er ist schnell mit den Füßen und will mit dem Team spielen. Manuel ist aber noch einmal eine Steigerung, eben auch wie er den Verteidigern bei langen Bällen hilft.

LAOLA1: Wie bewertest du Neuers legendäres Tormann-Spiel gegen Algerien bei der WM?

Gulacsi: Ich denke, die Leute haben gesehen, wie gut er gespielt hat, aber sie verstehen nicht, wie gut er gespielt hat. Mannschaften mit schnellen Spielern lauern auf solche Aktionen. Und wenn du einen Tormann mit einem etwas weniger ausgeprägten offensiven Stil hast, dann hast du vielleicht vier oder fünf Eins-gegen-Eins-Situationen und sie treffen wahrscheinlich zwei oder drei Mal. Manchmal fragen sich die Leute, was der Keeper so weit draußen macht, aber so eine Aktion bewahrt zumeist vor einem Tor.

LAOLA1: Wie schwierig sind diese Entscheidungen zu treffen?

Gulacsi: Es ist absolut nicht einfach und man hat das ja auch bei Neuer gegen Algerien gesehen. Das sind wohl die härtesten Entscheidungen, die man treffen kann. Da geht es auch um viele Dinge, etwa ob das Feld nass ist oder auch ob der Wind geht. Da geht es um viele Kleinigkeiten, wo eine Entscheidung schlecht ausgehen kann. Am Ende des Tages geht es einfach darum, kein Tor zu kassieren. Und so lange das so bleibt, war es immer eine gute Entscheidung.

LAOLA1: Wäre eine Rückkehr in die Premier League eine gute Entscheidung? Ist das dein Traum?

Gulacsi: Es ist nicht mein absoluter Traum. Ich war dort, es gab schöne Dinge und weniger schöne. Hier mag ich viele Dinge und mir gefällt auch die deutsche Bundesliga. Mir ist vor allem wichtig, dass ich mich wertgeschätzt fühle. Die letzten beiden Jahre bei Liverpool waren nicht einfach und ich hatte nicht das Gefühl, was ich hier habe. Und ich bin auch nicht der Typ, der nach einem guten Jahr sofort in eine große Liga will. Ich will Schritt für Schritt gehen. Der nächste heißt Champions League. Natürlich ist es für jeden ein Traum, jedes Wochenende vor 50.000 Zuschauer zu spielen, aber ich weiß ob meiner Zeit in Liverpool, was ich hier habe.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler