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Nach 1:1 gegen Fenerbahce: "Es ist zum Kotzen!"

Nach 1:1 gegen Fenerbahce:

Als sich Kevin Kampl in den Katakomben der Red-Bull-Arena beim Warten auf den Lift seinen tollen Assist zum 1:0 durch Alan im Fernsehen ansah, war seinem Gesicht keine Regung zu entnehmen.

Gleich vier Türken konnten ihm in dieser Szene den Ball nicht abnehmen, seinen Pass versenkte der Teamkollege sehenswert zur längst überfälligen Führung. Aber der Slowene konnte sich nach 95 Minuten so gar nicht freuen, denn eine großartige Leistung seiner Mannschaft Red Bull Salzburg wurde nicht belohnt.

Fenerbahce Istanbul glich durch einen Elfmeter in Minute 94 zum 1:1-Endstand im Hinspiel der 3. Qualifikations-Runde zur Champions League aus und verschaffte sich damit eine bessere Ausgangsposition für das Rückspiel am 6. August im Hexenkessel namens Sükrü-Saracoglu-Stadion.

"Das ist brutal"

"Es ist zum Kotzen", ließ Kampl im Gespräch mit LAOLA1 seinen Emotionen freien Lauf. "Wenn du so viel investiert, dann in der 94. Minute so ein Tor bekommst und die sich so freuen - das ist für jeden Fußballer brutal.“

Linksverteidiger Andreas Ulmer bekam den Ball via Oberschenkel an die Hand ("Er ist mir raufgesprungen"), Schiedsrichter Duarte Gomes aus Portugal entschied auf Strafstoß, der eingewechselte Cristian verwandelte sicher.

Die tausenden Fenerbahce-Fans, die gemeinsam mit den Salzburger Anhängern für tolle Europacup-Stimmung sorgten, hatten am Ende doch noch Grund zum Feiern.

Für die „Bullen“ war es nach einer intensiven, leidenschaftlichen Partie vor erstmals ausverkauftem Haus in einem Pflichtspiel und noch nie da gewesener Geräuschkulisse ein Stich mitten ins Herz.

"Das schmerzt sehr, weil es auch noch in der Nachspielzeit war", sagte etwa Marco Meilinger. "Es tut weh, weil wir sonst mit einer super Ausgangsposition ins Rückspiel gegangen wären", wusste Stefan Ilsanker ob des bitteren Gegentreffers, der die Teilnahme an den Playoffs für die Gruppenphase ins Wanken brachte.

„Das Gegentor in der letzten Sekunde ist sehr frustrierend. Das Ergebnis enttäuschend. Denn wir waren die bessere Mannschaft, hatten die weit besseren Chancen“, konnte auch Trainer Roger Schmidt nach einer tollen Darbietung seiner Mannschaft nicht vollauf zufrieden sein.

"Den Arsch aufgerissen"

Den "Bullen" konnte an diesem Europacup-Abend aber kaum ein Vorwurf gemacht werden, das wussten sie auch selbst. "Wir haben uns den Arsch aufgerissen", formulierte Kampl den Aufwand treffend.

"Wir haben sie am Rande einer Niederlage gehabt", trauerte Ilsanker dem verpassten Sieg gegen den türkischen Vizemeister und Europa-League-Halbfinalisten nach.

Die Salzburger hatten deutlich mehr vom Spiel, ließen in der Defensive bis zur letzten Viertelstunde wenig bis gar nichts zu und waren selbst sehr torgefährlich. Einzig an der Chancenverwertung haperte es.

Goalgetter Jonatan Soriano vergab drei gute Möglichkeiten. Bereits nach drei Minuten hätte es 1:0 stehen können. "Ich habe den Ball zu spät gesehen und konnte ihm per Kopf nicht mehr genügend Druck geben", erklärte der Kapitän und meinte allgemein: "Es ist schade. Aber so etwas muss man abhaken."

"Habe so einen Hals bekommen“

Der Blick richtete sich nach vorne und schnell war nach diesem Spiel eine Aufbruchsstimmung da. Eine Jetzt-Erst-Recht-Atmosphäre. Auch weil sich der Schiedsrichter bei den Salzburgern keine Freunde machte.

"Gefühlt sind wir vom Schiedsrichter klar benachteiligt worden, wir hoffen, dass nächste Woche in Istanbul kein Portugiese mehr pfeift. Es hätte für uns klarere Elfmeter gegeben, als jenen, den Istanbul gekriegt hat", erklärte Schmidt nach der aufreibenden Partie, in der etwa Bruno Alves Alan ins Gesicht trat.

Kampl legte nach: "Ich habe so einen Hals bekommen. So etwas geht einfach nicht, ich weiß nicht, wen die uns da herschicken. Das war eine Frechheit. So viele Fehlentscheidungen bei Fouls oder Einwürfen, obwohl immer einer danebenstand. Den Elfer habe ich nicht gesehen, aber über die 90 Minuten war das eine richtig schlechte Leistung."

Ganz im Gegenteil zur Salzburger, die trotz schlechter Ausgangsposition Mut macht. "Wir haben als Mannschaft bewiesen, dass wir in der Lage sind, auch solche Stars zu biegen", ist Ilsanker guter Dinge.

"Das Gute ist, dass immer noch alles offen ist und wir in Istanbul einfach effizienter sein müssen“, gibt Kampl keineswegs auf.

Und was ist mit der Stimmung im Sükrü-Saracoglu-Stadion, auf die tausende Fenerbahce-Fans in Salzburg bereits einen lautstarken Vorgeschmack gaben? "Auch wenn das ein Hexenkessel sein wird, das ist scheißegal. Wir werden alles aus uns rausholen, wollen unbedingt in die vierte Runde."

"Hintern versohlen“

Da haben die Türken freilich etwas dagegen und dank des späten Ausgleichs sind diese auch für das Heimspiel mehr als zuversichtlich: "Mit diesem Resultat und dem Wissen um die Fans in unserem Rücken können wir optimistisch ins Rückspiel gehen", schilderte Stürmer Pierre Webo gegenüber LAOLA1.

Der Stürmer fand das Remis gerecht: "Das 1:1 ist verdient, wir haben uns nach der Pause extrem gesteigert und den Ausgleich erzwungen. Wir haben ein sehr intelligentes Spiel abgeliefert und wussten, was uns erwartet. Wir haben auf unsere Chancen gewartet."

Trainer Ersun Yanal sah es ähnlich: „Die letzten 30 Minuten war das wahre Fenerbahce zu sehen. Diesen Weg werden wir weitergehen. Salzburg war die ersten 60, 70 Minuten sehr gut, hatte viele Torchancen. Das war erst die erste Halbzeit, am Dienstag folgt die zweite. Die Salzburger haben heute gezeigt, dass sie eine sehr gute Mannschaft sind. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein, aber wir wollen in die Gruppenphase und werden auch dorthin kommen."

Salzburg will das verhindern und einer ist nicht nur augenscheinlich bis in die Haarspitzen motiviert, sondern auch hörbar, Kevin Kampl: "Mich knickt so etwas total, wenn man in der letzten Minute so ein beschissenes Tor bekommt und sieht, wie sie sich dann darüber freuen. Dann bist du einfach als Fußballer noch mehr motiviert. Am liebsten wollen wir ihnen dafür nächste Woche ein wenig den Hintern versohlen."

Und wenn er sich seine Vorarbeit zum 1:0 noch einmal ansieht, weiß er, dass das nicht unmöglich ist.

 

Bernhard Kastler / Christian Eberle