LAOLA1: Warum haben Sie Basketball im Verein gespielt und nicht Fußball?

Kraetschmer: Meinem Vater war meine Ausbildung sehr wichtig. Basketball war der Akademiker-Sport, im Fußball gab es indes noch keine Schulmodelle. Ich kann mich aber noch erinnern, dass mich im Park einmal jemand angesprochen hat, ob ich nicht zu einem Austria-Training kommen möchte, weil ich ganz gut kicken würde. Ich war sieben, acht Jahre alt, für mich war das ein Wahnsinn. Mein Vater hat dann aber auf Basketball gepocht. Ich habe das nicht verstanden und ihm gesagt: „Wirst sehen, eines Tages bin ich bei der Austria.“

LAOLA1: Wie hat es mit Stadionbesuchen ausgesehen?

Kraetschmer: Je eigenständiger ich wurde, umso weniger bin ich mit den Eltern nach Niederösterreich gefahren. Dann habe ich begonnen, regelmäßig die Spiele im Stadion zu besuchen. Als Student war ich immer bei den Heimspielen, auswärts war ich eher selten dabei. Ich kann mich aber auch erinnern, dass ich nach der Heysel-Katastrophe – das war vor meiner Zeit als Student – nicht ins Stadion durfte. So etwas hilft mir in der heutigen Arbeit, um Eltern zu begreifen und zu verstehen, warum das Thema Sicherheit sehr wichtig ist.

LAOLA1: Man merkt Ihnen dieses Fan-Sein ja bis heute an, Sie stehen bei den Spielen.

Kraetschmer: Das liegt aber auch daran, dass mein Platz auf der Ehrentribüne meistens doch von einem Sponsor oder vom Herrn Bürgermeister gebraucht wird. Aber es stimmt schon, für mich ist Fußball Emotion. Als Student war ich auf der Westtribüne. Stehend kann ich meine Emotion und meine Nervosität anders ausdrücken. Bis heute ist es nicht nur der Finanzvorstand, sondern auch der Fan, der sich über Erfolge freut.

LAOLA1: 1997 sind Sie im Alter von 25 Jahren zur Austria gekommen. Wie ist das damals gelaufen?

Kraetschmer: Ich hatte während meines Betriebswirtschaftsstudiums einen Studentenjob im Controlling der Schoellerbank, danach wurde ich fix angestellt. Vorstand der Bank war Mag. Mautner-Markhof, gleichzeitig geschäftsführender Vizepräsident der Austria. Durch Zufall sind sie dann draufgekommen, dass ich Austrianer bin. Also wurde es eines meiner Projekte, einen Businessplan für die Austria aufzubauen, Budgetanalysen zu machen, und so weiter. Danach sollte ich ein Projekt im Münzhandel übernehmen, was ich zum Unverständnis aller abgelehnt habe, weil mich das einfach nicht interessiert hat. Ein Jahr später kam das Angebot von der Austria. Dort wurde umstrukturiert, weshalb ich den Job des Innenadministrators bekommen habe.

LAOLA1: Wie waren die Reaktionen aus Ihrem Umfeld?

Kraetschmer: Mir haben viele Leute abgeraten, weniger meine Eltern, vielmehr Freunde und Bekannte. Ich habe aber gesagt: „Was soll ich verlieren?“ Gegenargument: „Dann hauen sie dich in zwei Jahren wieder raus. Dort ist hire and fire.“ Ich habe geantwortet: „Gut, dann habe ich zwei Jahre Erfahrung. Ich mache das einfach.“

LAOLA1: Können Sie Beispiele nennen?

Kraetschmer: Joachim Löw wurde von uns beurlaubt, der DFB wollte ihn. Ich bin überzeugt, der DFB hätte damals eine kleine Ablöse bezahlt, aber Stronach hat ihn kostenlos gehen lassen. Oder Roland Linz, als er uns zum ersten Mal verlassen hat. Sein Vertrag ist ausgelaufen, wir hatten eine Option. Hätten wir die Option gezogen, hätten wir Ablöse kassiert. Aber Stronach wollte das nicht. Eigentlich schade, aber okay. So etwas muss man dann akzeptieren.

LAOLA1: Wie haben Sie es eigentlich geschafft, die Ära Stronach bei der Austria – im Gegensatz zu etlichen Trainern, Sportdirektoren und Spielern – zu überleben?

Kraetschmer: Es gab immer einen gewissen Respekt, eine gewisse Wertschätzung. Ich habe beispielsweise nie mit ihm Tennis gespielt, ohne das böse zu meinen. Wir hatten eine rein berufliche Beziehung. Er hat über mich gesagt: „Das ist ein Mann der Zahlen, ein Buchhalter.“ Das war aber gar nicht abfällig. Wir haben uns jedoch nie über Taktik oder Spieler unterhalten. Das eine oder andere hätte ich sicher gerne anders gemacht, aber Stronach ist eben ein Eigentümer der alten Schule. Er zahlt und sagt, was Sache ist.

LAOLA1: Was hätten Sie denn anders gemacht?

Kraetschmer: Als uns Stronach übernommen hat, war Herbert Prohaska unser Trainer. Das hat aber von Beginn weg nicht gepasst. Wir haben gesagt: „Frank, das ist eine Austria-Ikone, der beste Spieler, den die Austria jemals hatte. Für die Fans ist er extrem wichtig.“ Er hat gemeint: „No, no, no. Wir gehen unseren Weg.“ Man kann darüber diskutieren, ob man sich mehr auf die Hinterbeine stellen hätte können. Mein Credo war immer, dass ich versucht habe, dass vertraglich von den Rahmenbedingungen her alles passt. Verträge wurden eingehalten, Steuern wurden pünktlich bezahlt. Letztendlich war alles sauber. Wobei man sich natürlich darüber unterhalten kann, ob etwa Dirk-Jan Derksen, Jochen Janssen oder Fernando Troyansky die Ablösen, die wir bezahlt haben, wert waren.

LAOLA1: Hat sich Stronach bei Ihnen persönlich noch einmal gemeldet, nachdem alles erledigt war?

Kraetschmer: Wir haben uns einmal in Wiener Neustadt gesehen, als er dort Klub-Boss war. Und er hat mich vor etwa einem dreiviertel Jahr angerufen, weil Frenkie Schinkels in irgendeiner Zeitung etwas gegen ihn gesagt hat. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht ändern kann.

LAOLA1: Wenn ich Stronach wäre, hätte ich versucht, Sie als eloquenten Mann mit Wirtschaftskompetenz, für das „Team Stronach“ zu gewinnen.

Kraetschmer: Er hat mich nicht gefragt. Ich habe auch keine politischen Ambitionen. Da sind mir mein aktueller Job und die wenige Freizeit, die ich habe, zu wichtig.

LAOLA1: In der Stronach-Zeit haben Sie viele fragwürdige Entscheidungen mittragen müssen, mittlerweile liest man in vielen Fan-Foren, dass selbst Rapid-Fans die Austria um ihren AG-Vorstand beneiden. Wie erleben Sie Ihren Image-Wandel?

Kraetschmer: Jetzt gibt es viele Leute, die mir gratulieren, die sich mit mir freuen. Aber der Sport ist schnelllebig, in drei, vier Monaten kann es schon wieder anders aussehen. Ich habe auch schlimmere Zeiten erlebt. Da haben mir die Leute nicht auf die Schultern geklopft, sondern mich bespuckt und beschimpft. Ich ertappe mich an diesen Tagen immer wieder, dass ich an die Mitgliederversammlung am 26. April 2012 denke. Damals war Ivo Vastic unser Trainer und wurde sehr stark kritisiert. Ich habe gesagt, dass wir die CL-Hymne mal in diesem Stadion hören wollen. Die Leute haben mich fast ausgelacht. Mich hat das angestachelt. Es gibt übrigens ein ganz aktuelles Beispiel zum Thema Anerkennung.

LAOLA1: Auf wie viele Arbeitsstunden kommen Sie pro Woche ungefähr?

Kraetschmer: Das sind Wellenbewegungen. Im Schnitt würde ich schätzen, dass es 60 bis 70 Stunden pro Woche sind. Da zähle ich aber auch ein Auswärtsmatch inklusive Fahrtzeit dazu. In so einer Position ist wichtig, bestmöglich für die Familie da zu sein. Meine Familie muss sicher im Moment auf viel verzichten. Wichtig ist auch, Ausgleichssport zu machen. Am Montag spiele ich Fußball, zwei Mal in der Woche gehe ich in der Früh laufen und ab und zu streue ich ein Rückentraining ein.

LAOLA1: Ist es Ihr Ziel, ein Leben lang bei der Austria zu arbeiten?

Kraetschmer: Ich hätte beim Klub Pläne für die nächsten Jahre. Das hängt aber auch mit den handelnden Personen zusammen. Im aktuellen Team macht es Spaß, wenn das so weitergeht, kann ich mir vorstellen, noch sehr, sehr viele Jahre zu bleiben. Fakt ist, dass ich entwickeln und gestalten möchte. Wenn ich den Eindruck habe, dass ich nur noch verwalte, wäre ich der Erste, der sich gerne einer neuen Herausforderung stellen würde. Ich will aber gar nicht verhehlen, dass ein Auslandsthema für mich interessant wäre, wenn die Konstellation passt. Ich glaube, dass ich in Österreich für keinen anderen Verein tätig sein kann. Vor Jahren hat es da schon das ein oder andere Gespräch gegeben. Aber ich bin Austrianer.

LAOLA1: Können Sie sich vorstellen, weg vom Sport zurück in die Anonymität, wenn man so will, zu gehen?

Kraetschmer: Der Sport ist ein Wirtschaftsfaktor und da zu gestalten, macht viel Spaß. Ich könnte mir durchaus vorstellen, in einen anderen Wirtschaftsbereich zu gehen. Es würde mich nicht stören, wenn ich keine Pressegespräche mehr führen müsste. Mediale Auftritte sind nicht meine Triebfeder. Für mich geht es nur um die Aufgabe.

Das Gespräch führte Harald Prantl