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Der Torfall von Madrid und viele Gemeinsamkeiten

Der Torfall von Madrid und viele Gemeinsamkeiten

Wenn Borussia Dortmund am Mittwochabend in der "Königsklasse" Real Madrid empfängt, dann werden sie wieder wach, die Erinnerungen an jenen 1. April im Jahre 1998 ...

Champions League. Halbfinal-Hinspiel. Estadio Santiago Bernabeu.

Die Uhren zeigen 20:43 als ein Zaun vor der Tribüne unter der Last der ihn erklimmenden Zuschauer nachgibt. Er knickt ein und reißt das an ihm befestigte Tor mit sich um. Zwei Minuten vor dem offiziellen Spielbeginn geht nichts mehr.

„Das erste Tor ist bereits gefallen“, sollte TV-Moderator Günther Jauch die Situation wenig später auf den Punkt bringen. Die Spieler brechen ihr Aufwärmprogramm ab. Es ist unsicher, wie es jetzt weitergeht. Das eingerissene Tor ist nicht mehr zu gebrauchen, ein neues muss her. Das sieht auch Kommentator Marcel Reif so und stellt fest: „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan.“

Fußball- und Fernsehgeschichte

Über eine Stunde dauert es, bis vom Trainingsgelände der Madrilenen ein Ersatztor herangeschafft und aufgestellt werden kann. Selbst Fans beteiligen sich an dem ungewöhnlichen Transport.

Jauch und Reif laufen in dieser absurden Situation zur Höchstform auf. Ihre vom Galgenhumor geprägten Kommentare schreiben Fernsehgeschichte.

Nach insgesamt 76-minütiger Verzögerung kann das Spiel endlich starten. Dortmund unterliegt den „Königlichen“ mit 0:2. Das Spiel selbst ist an diesem Abend aber Nebensache. Während im deutschen Fernsehen knapp 13 Millionen Zuschauer die teils unbeholfenen Reparaturversuche der Spanier und die Überbrückungsbestrebungen des kongenialen Duos Jauch/Reif verfolgen, vermag das Spiel selbst nur rund die Hälfte davon vor den Bildschirm zu bannen.

BVB gegen Real – eine Begegnung mit Geschichte. Doch was verbindet die beiden Klubs, abgesehen von dieser 14 Jahre zurückliegenden Kuriosität  und wo liegen aktuelle Gemeinsamkeiten?

  • Bisherige Duelle

Das bereits erwähnte Spiel am 1. April 1998 entschied Real durch Treffer von Fernando Morientes und Christian Karembeu mit 2:0 für sich. Dortmund war ob der Vorkommnisse nur unter Protest angetreten, verzichtete allerdings nach dem Spiel auf einen Einspruch. Das Rückspiel im Westfalenstadion endete torlos, womit Real den Titelverteidiger aus der Champions League warf.

1998 kickte Real den BVB aus der CL

In der CL-Zwischenrunde 2002/03 gab es ein Wiedersehen. Jan Koller brachte die Gäste in Madrid in Führung, Raul und Ronaldo sorgten jedoch abermals für einen spanischen Heimsieg. In Dortmund trennte man sich wie schon fünf Jahre zuvor unentschieden. Wie in Madrid brachte Koller den BVB in Front, Javier Portillo gelang in der Schlussminute der Ausgleich. Damals wie heute mit dabei BVB-Kapitän Sebastian Kehl.

  • Unglückliche Wechselkandidaten

Drei Spieler streiften sich bereits beide Trikots über. Flavio Conceicao wurde in der Saison 2003/04 von Real an den BVB verliehen. 2007 übersiedelte Christoph Metzelder vom Ruhrpott nach Spanien. Nuri Sahin war der Einzige, für den eine Ablösesumme fällig war. Für 10 Millionen Euro wechselte der türkische Nationalspieler 2011 zu Real.

Conceicao kehrte nach 16 Partien für den BVB zu Real zurück, wo man aber weiterhin keine Verwendung für ihn hattte und den Brasilianer an Galatasaray Istanbul weiterreichte. Metzelder kam in drei Jahren bei den "Königlichen" zu bescheidenen 31 Einsätzen. Sahin verließ Dortmund als überragender Stratege, bei Real konnte er sich in seinem ersten Jahr nicht durchsetzten und wurde im vergangen Sommer an den FC Liverpool verliehen.

  • Rekordsaisonen

Die vergangene Saison war für die Dortmunder national wahrlich eine historische. Nicht nur das der Meistertitel erfolgreich verteidigt und der große Rivale FC Bayern auf Abstand gehalten sowie im Pokal-Finale gedemütigt wurde. Der BVB machte sich zudem mit 81 Punkten zum besten deutschen Meister aller Zeiten.

Real agierte in der heimischen Meisterschaft ähnlich souverän und sicherte sich den Titel ebenfalls mit einem neuen Punkterekord. Unglaubliche 100 Zähler verbuchten die Madrilenen am Ende der Saison auf ihrem Konto.

  • Sehr holpriger Start

Beide Teams konnten den Erfolgslauf der vergangenen Saison allerdings nicht konservieren und starteten mehr als durchwachsen in die neue Spielzeit. Während Real  bereits acht Punkte hinter Erzfeind FC Barcelona und derzeit auf Rang acht liegt, beträgt der Rückstand des viertplatzierten BVB auf die Bayern gar schon zwölf Zähler.

  • Die Trainer

Weder Jose Mourinho noch Jürgen Klopp war zu aktiven Zeiten ein Erstligaspiel vergönnt. Als Trainer zählen sie hingegen zur Crème de la Crème ihres Sports. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen „The Special One“ (der mittlerweile lieber „The Only One“ genannt wird) und „Kloppo“ ist zweifelsohne ihre Emotionalität.

Für den Portugiesen sind Geldstrafen und Sperren längst nichts Ungewöhnliches mehr. Er diskutiert oftmals heftig mit Schiedsrichtern und bezichtigt sie gar der Bestechlichkeit, wie einst Anders Frisk (2005). Er verstrickt die Unparteiischen ebenso wie die UNICEF in abstruse Verschwörungstheorien und selbst gegnerische Betreuer sind vor ihm nicht gefeit. Für den bisherigen Höhepunkt seiner Ausraster sorgte Mourinho im Supercopa-Rückspiel 2011, als er dem damaligen Barca-Assistenztrainer Tito Vilanova seinen Finger ins Auge drückte.

Jürgen Klopp: Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Klopp lässt seine Aggressionen hingegen regelmäßig an den vierten Offiziellen aus. 2010 kam der BVB-Coach bei einem Wutausbruch Andreas Trautmann bedrohlich nahe. In dieser Saison durfte sich Guido Kleve beim 3:3 in Frankfurt von Klopps Verwandlung zu Mr. Hyde überzeugen. Der Wiederholungstäter wurde dafür mit einer Strafe von 6.000 Euro bedacht. Wie die „Bild“ summiert, musste der 45-Jährige bisher insgesamt 39.500 Euro für seine Ausraster und Verbalattacken („Du Idiot“) berappen.

  • Taktische Ausrichtung

Grundsätzlich sind sich der BVB und Real in ihrer Spielanlage sehr ähnlich. Als große Stärken beider Mannschaften dürfen das schnelle Umschalten sowie das exzellente Pressing hervorgehoben werden.

Das Grund-System bildet dabei jeweils ein 4-2-3-1. Mit Robert Lewandowski bzw. Karim Benzema besetzt ein beweglicher, jedoch zugleich physisch starker Stürmertyp das Angriffszentrum. Dahinter sorgen die quirligen Dribbler wie Mesut Özil bzw. Marco Reus für Schwung. In der Innenverteidigung sind die Rollen klar verteilt. Während sich vornehmlich ein Part der Abwehrzentrale um den Spielaufbau aus der Defensive heraus kümmert (Ramos  bzw. Hummels) hat der andere seine Stärken im aggressiven Attackieren gegen den Ball, er ist wenn man so will der Mann für das „Grobe“ (Subotic bzw. Pepe).

  • Verletzungssorgen

Beide Teams müssen sich vor dem CL-Gipfel mit Ausfällen herumschlagen. Real steht Stamm-Linksverteidiger Marcelo für längere Zeit nicht zur Verfügung. Auch sein Ersatzmann Fabio Coentrao ist nicht fit, ebenso wie Alvaro Arbeloa. Daher ist Mourinho in der Defensive zu Umstellungen gezwungen. Michael Essien wird links in der Viererkette auflaufen, Sergio Ramos nach rechts rücken und Raphael Varane dürfte dessen Platz im Zentrum einnehmen.

Beim BVB sorgt man sich ebenfalls um den Einsatz seines Linksverteidigers Marcel Schmelzer, Klopp gibt sich dahingehend aber zuversichtlich. Eine Systemumstellung wie im Derby gegen Schalke wird der BVB-Coach diesmal auch bei einem Ausfall des Nationalspielers nicht vornehmen. Die wahrscheinlichste Alternative für ihn wäre Kevin Großkreutz. Hoffen darf man in Dortmund auf Mario Götze, der wieder im Kader stehen wird. Bei Ilkay Gündogan sieht es für einen Einsatz hingegen nicht gut aus, der in den vergangenen Wochen in Hochform agierende Jakub Blaszczykowski fällt definitv aus.

 

Der deutsche Meister empfängt den spanischen Titelträger. Es ist angerichtet für ein Fußballfest. Bei uns im Ticker seid ihr ab 20:45 Uhr natürlich wieder LIVE dabei.

 

Christoph Kristandl/Jakob Faber