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"Der FC Bayern hat eine schöne Zukunftsperspektive!"

Paul Breitner gehört einem ganz exklusiven Zirkel an. Der 60-Jährige ist einer von nur vier Spielern weltweit, die in zwei WM-Finals getroffen haben.

Außer ihm ist das nur den Brasilianern Pele und Vava sowie Zinedine Zidane gelungen.

Exklusiv waren auch die Vereine, sieht man von Eintracht Braunschweig ab, für die Breitner in seiner Karriere aufgelaufen ist: FC Bayern München und Real Madrid.

Heute arbeitet der seit jeher Streitbare als Scout für die Münchner, was ihn auch immer wieder nach Österreich bringt.

LAOLA1 traf Paul Breitner bei einem seiner Kurzbesuche zum Interview.

Ein Gespräch über das Potenzial der Bayern, die Karrierechancen von David Alaba und folgenschweres Cordoba.


LAOLA1:
Herr Breitner, der FC Bayern gibt in der Bundesliga den Ton an, ist in der Champions League noch ungeschlagen. Es riecht wieder nach Erfolg am Weißwurst-Äquator?

Paul Breitner: Es läuft sehr gut im Moment, ja. Und das Schöne ist, dass wir eine ziemlich junge Mannschaft haben, die in dieser Konstellation locker vier, fünf Jahre ohne Altersprobleme zusammenspielen kann. Und wenn man sich überlegt, dass Spieler wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger in ihrer Entwicklung noch nicht abgeschlossen sind, dann ist das ein Potenzial, das eine sehr schöne Perspektive für die Zukunft bietet.

LAOLA1: Welche Rolle kann und wird in dieser Zukunft der junge Wiener David Alaba spielen?

Breitner: Das wird man sehen. Alaba ist ein überragendes Talent, das alles mitbringt, um eine große internationale Karriere zu durchleben. Er ist bei uns, weil wir glauben und überzeugt sind, dass er das Zeug zum ganz Großen hat.

LAOLA1: Was bringen ein Christian Derflinger, ein Toni Vastic und all die anderen Österreicher mit, die sich im Bayern-Nachwuchs tummeln?

Breitner: Sie haben auch Qualität, sonst hätten wir sie nicht geholt. Wir schauen in Österreich und auch im Rest der Welt, ob es Jugendliche gibt, die gut genug sind, um beim FC Bayern Karriere zu machen. Was am Ende dabei rauskommt, ist immer eine andere Sache.

LAOLA1: Aber zumindest ist es aktuell so, dass so viele ÖFB-Talente wie noch nie im FCB-Internat Quartier bezogen haben?

Breitner: Der Hunger, den ein Spieler hat, ist ein Mitgrund, ihm überhaupt einen Vertrag zu geben. In dem Moment, wo er diesen mit 17, 20 oder 30 Jahren unterschreibt, hat er zu verinnerlichen, dass er – im Gegensatz zu allen anderen Mannschaften in Deutschland – jedes Spiel und gefälligst jeden Titel zu gewinnen hat. Ob das etwas wird, ist etwas anderes. Aber bei uns gibt es nicht die Situation, dass es wurscht ist, wenn man mal verliert.

LAOLA1: Deshalb holt man Siegertypen von anderen Vereinen, Führungsspieler von Konkurrenten?

Breitner: Das sind wir unseren Fans und Mitgliedern schuldig. Der FC Bayern hat aktuell 23 Nationalspieler. Mit dem linken Verteidiger vom SC Vösendorf werden wir uns nicht verbessern. Wenn wir einen Andreas Herzog von Werder Bremen zum FC Bayern holen, dann tun wir das, weil wir der Überzeugung sind, dass er noch besser ist, als der Nationalspieler, der bis dahin auf seiner Position gespielt hat.

LAOLA1: Mit Manuel Neuer und Jerome Boateng wurden im Sommer zwei weitere DFB-Teamspieler geholt. Auch das deutsche Nationalteam spricht wieder Bayrisch?

Breitner: Das, was wir im Moment haben, ist eine Vision, die Ulli Hoeneß schon vor zehn, fünfzehn Jahren hatte: der FC Bayern Deutschland. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, aber das wussten wir auch. Und jetzt sind wir angekommen.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Stephan Schwabl

Breitner: Das kapiert in Österreich nur niemand. Wenn irgendjemand kapieren würde, wie viel Qualität auch heute im österreichischen Fußball steckt, dann würde es ein bisschen anders ausschauen. Das Problem ist, dass bei euch Fußball „auch“ gespielt wird, das habe ich schon vor 30 Jahren gesagt. Damals haben einige gemeint, sie müssten mich zerreißen. Nach dem Motto: „Wie kann der Breitner sowas sagen?“

LAOLA1: Wie konnten Sie?

Breitner: Ich habe das damals gesagt, weil in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – nicht der Fußball die Nummer 1 ist, sondern der Wintersport. Und darunter werden Qualität und Ausrichtung des Fußballs in Österreich immer leiden. Bei uns ist der Fußball die Nummer 1, 2, 3 und 4, bei euch ist der Fußball einmal die Nummer 2, dann wieder die Nummer 5.

LAOLA1: Daran kann aber nicht nur der Wintersport schuld sein. Woran liegt das ihrer Meinung nach?

Breitner: Das Schlimmste, was dem österreichischen Fußball im letzten halben Jahrhundert passieren konnte, war der Sieg gegen uns Deutsche in Cordoba. Damit hat eine Unmenge von Leuten, die für den Fußball in Österreich mitverantwortlich sind, aufgehört zu denken. Für viele, viele Jahre. Das ganze Volk war schwindlig und hat geglaubt: Jetzt sind wir die Größten und die Besten! Aber in Wahrheit war das überhaupt nichts, sonst wärt ihr 1978 Weltmeister geworden.

LAOLA1: Hat der Fußball in Österreich zu lange im eigenen Saft geschmort, immer wieder aufgewärmt von der 78er-Generation?

Breitner: Es fehlt seit langer Zeit die internationale Ausrichtung. Ich weiß es natürlich nicht genau, aber vielleicht war es genau deshalb die richtige Entscheidung, mit Marcel Koller einen Schweizer zum Teamchef zu machen. Darüber kann man aber erst in einem halben Jahr urteilen, nicht jetzt schon.

LAOLA1: Der FC Bayern hat sich bei der Suche nach einem Nachfolger für Jupp Heynckes und damit gegen einen der „jungen Wilden“ wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel entschieden?

Breitner: Die entscheidenden Leute bei uns, und das bin ja nicht ich, haben sich vor ein paar Monaten für Jupp Heynckes entschieden. Weil sie der Überzeugung waren, dass er nach Jürgen Klinsmann und nach Louis van Gaal für den Moment der richtige Trainer sein wird.

LAOLA1: Heynckes hat, so hat es den Anschein, der Mannschaft neues Leben eingehaucht, plötzlich ist da wieder der zuletzt vermisste Hunger nach Erfolg?