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Seriöse Strukturen statt Weiterwurschteln

Seriöse Strukturen statt Weiterwurschteln

Magna ist Geschichte, selbige soll in Wiener Neustadt nun ein Haufen No-Names schreiben.

Nach gewaltigem Aderlass im Sommer wurde das Projekt neu aufgestellt, die Niederösterreicher wollen sich als offener und sympathischer Verein präsentieren.

LAOLA1 nimmt für die Bundesliga-Vorschau den SC Wiener Neustadt unter die Lupe:

AUSGANGSLAGE

Neustart in Neustadt. Nachdem „Magnat“ Frank Stronach auch dieses Projekt fallen ließ, wurde aus dem Retortenklub ein stinknormaler Verein. Dies bietet die Chance auf einen sympathischeren Ruf, bedeutet jedoch zu Beginn den Kampf gegen die aus dem Magna-Ausstieg resultierenden Mechanismen: Das Budget wurde nahezu halbiert, viele etablierte Kräfte erlagen dem Lockruf potenterer Vereine, Erfolgscoach Peter Schöttel heuerte bei Lebensverein Rapid an. In dessen Fußstapfen tritt sein langjähriger Nationalteam-Kollege Peter Stöger, der wie sein Vorgänger auch administrative Aufgaben übernimmt. Der 45-Jährige möchte Wiener Neustadt offener und transparenter verkaufen, sieht sich im ersten Schritt jedoch der Mammutaufgabe des Abstiegskampfs gegenüber.

 

PERSONAL

Das Motto am Personalsektor lautet: Chance. Neun hauptsächlich prominente Abgänge wie Alex Grünwald (Austria), Guido Burgstaller (Rapid) oder Hannes Aigner (LASK) wurden mit neun großteils weniger prominenten Neuzugängen ersetzt, die ihre erste, zweite oder gar schon dritte Chance in der Bundesliga erhalten. Die Mischung aus jungen Talenten und arrivierten Akteuren, die erstmals oder nach schwierigen Karrierephasen etwas zu beweisen haben, soll dem völlig umgekrempelten Kader die nötige Energie im Abstiegskampf verleihen. Seine Neuzugänge schätzt Stöger wiefolgt ein:

Günter Friesenbichler (Hartberg): „Seine Qualitäten sind die Robustheit, das Kopfballspiel und die Abschlussstärke. Wenn wir in den Bereich reinkommen, wo er gefährlich sein könnte, dann ist ‚Friesi‘ für jeden Gegner eine echte Gefahr, und das wird er auch bei uns beweisen.“

Serkan Ciftci (Rapid Amateure): „Für ihn ist die Bundesliga ein logischer Schritt. Für mich überraschend, dass niemand wirklich auf ihn aufmerksam geworden ist. Ich habe ihn schon länger auf meiner Liste und bin froh, dass ich ihn gekriegt habe. Er ist ein schneller und torgefährlicher Spieler mit einem sehr guten Schuss. Sehr introvertiert, aber eine echte Waffe.“

Daniel Wolf (Admira): „Er könnte der Stratege im offensiven Bereich sein. Ein routinierter Spieler mit Serie-B-Erfahrung. Sollte für die Bundesliga gut genug sein.“

Willi Evseev (Hannover 96): „Ein technisch starker und kreativer Kicker, guter Linksfuß, Spieler hinter der Spitze.“

Matthias Lindner (Mattersburg): „Auch er steht schon länger auf meiner Liste, ihn wollte ich damals schon zur Vienna holen. Für mich ein sehr intelligenter Fußballer, extrem ruhig und kaltblütig, wenn es Richtung Strafraum geht. Ein echter Knipser.“

Fernando Troyansky (Austria): „Ein Spieler, auf den man sich immer verlassen kann, der im Defensivbereich universell einsetzbar ist – Top-Profi mit Top-Charakter.“

Mario Pollhammer (GAK): „Einer meiner lieb gewonnenen Spieler vom GAK, kann rechts im Mittelfeld und in der Viererkette spielen. In Graz hatte er den Spitzenamen ‚Maschine‘, er ist nicht umzubringen.“

Nikon „El Maestro Jevtic  (Austria-Nachwuchs): „Ein Spieler mit unglaublicher Qualität. Wir geben ihm die Möglichkeit, sich im Profi-Fußball durchzusetzen.“

Danijel Prskalo (Red Bull Juniors): „Ein Stürmer, der vor dem Tor Ruhe ausstrahlt, beweglich ist und eine gewisse Größe mitbringt. Ein Spieler für die Zukunft.“

AUSBLICK

Man muss nicht lange um den heißen Brei herumreden: Für viele Experten ist Wiener Neustadt Abstiegskandidat Nummer eins. Für Stöger keine undankbare Ausgangsposition, da die Erwartungshaltung denkbar gering ist, und die Niederösterreicher eigentlich nur überraschen können. Für den akribischen Arbeiter Stöger gilt es zunächst, aus seinem ausgeglichenen Kader so schnell wie möglich einen erweiterten Stamm herauszufiltern. Der 65-fache Teamspieler setzt dabei stark auf das Element, dass sich jeder Spieler in der höchsten Spielklasse beweisen und Neustadt als Sprungbrett nutzen will: „Wir geben Spielern die Möglichkeit und auch das Vertrauen, dass sie Bundesliga spielen können, auch wenn sie bisher Regionalliga gespielt haben. Wenn sie an sich selbst glauben, sind sicher viele Überraschungen möglich.“ Stöger spekuliert mit einer Art Zweiteilung der Tabelle, das simple Ziel im Kräftemessen der unteren Fünf: „Oben bleiben.“

LAOLA1: Ist längerfristig gesehen ein Verein wie die SV Ried ein Vorbild?

Stöger: Ried ist meiner Meinung nach für einen – ohne das böse zu meinen – „normalen“ österreichischen Fußball-Klub der Herzeige-Verein schlechthin.  Viele kleine Sponsoren aus der Umgebung, ein gesundes Umfeld, super Infrastruktur, ein tolles Stadion, gute Trainingsmöglichkeiten, von der Akademie und vom Nachwuchs her gut aufgestellt, immer seriös.

LAOLA1: Muss man, um dem Modell Ried nachzueifern, in Jahren denken?

Stöger: Ich bleibe dabei: Es steht und fällt mit der Idee des eigenen Stadions. Ein kleines feines Stadion mit 5000, 6000 Zuschauern würde Wiener Neustadt auch gut tun. Die Leute würden so etwas auch annehmen. Aber das ist etwas, was wirklich vielleicht erst in den nächsten Jahren kommt. Wir müssen jetzt einmal den großen Schritt machen, in der Liga zu bleiben, um dann die kleinen Schritte, was unsere Strukturen betrifft, umzusetzen.

LAOLA1: Man merkt, Sie denken schon weiter. Wie groß ist für Sie der Reiz, als prominente Frontfigur einem ganzen Verein den Stempel aufzudrücken?

Stöger: Groß, sonst hätte ich es ja nicht gemacht. Für mich ist es eine echte Herausforderung, mitzuhelfen, den Verein in Wiener Neustadt und vor allem auch der Umgebung zu etablieren. Es ist eine Geschichte, die ich auf mindestens zwei Jahre geplant habe. Intern haben wir natürlich gesprochen, dass es eine längere und bleibende Geschichte werden soll. Meine Verpflichtung war ein Zeichen des Vereins nach außen, dass nach dem Magna-Ausstieg nicht irgendwie weitergewurschtelt wird, sondern versucht wird, Strukturen aufzubauen und seriös zu arbeiten, um in der Liga zu bleiben. Dafür ist eine prominente Frontfigur wichtig, aber eine, die auch arbeiten will. Denn es gibt auch prominente Frontfiguren, die nicht wirklich bereit sind, an der Basis zu arbeiten…(schmunzelt)

Peter Altmann

FÜNF FRAGEN AN DEN TRAINER

LAOLA1: Der Kader ist relativ ausgeglichen. Peilen Sie einen fixen Stamm an oder werden Sie viel rotieren?

Peter Stöger: Ich hätte eine Freude, wenn wir sehr erfolgreich in die Saison starten und so etwas wie ein großer Stamm zum Einsatz kommt, weil es funktioniert. Da wir jedoch viele junge Spieler dabei haben, kann man nicht davon ausgehen, dass sie diese Stabilität über Wochen oder Monate haben, deswegen sind wir relativ ausgeglichen aufgestellt, um flexibel ans Werk gehen zu können. Mein Kader schaut nicht so aus, dass zehn von elf fix spielen und nur ein Posten frei ist. Bei der Austria, in Salzburg oder in Ried wird meist nur über eine Position diskutiert, bei uns werden es wahrscheinlich Woche für Woche drei, vier Positionen sein, wo wir schauen: Wer ist gerade gut drauf? Wer passt in das System? Wer passt zum Gegner? Aber ich sage auch ehrlich: Wenn eine Mannschaft funktioniert, gibt es für mich genauso wie für andere Trainer keinen Grund, sie zu ändern.

LAOLA1: Das Projekt wurde neu aufgestellt, Magna ist aus dem Vereinsnamen verschwunden. Ist das die Chance, identitätsstiftender als bisher in der Region zu wirken?

Stöger:  Das sehen wir sicher als Möglichkeit. Wobei ich nicht glaube, dass Magna Wiener Neustadt vorgehabt hat, sich abzuschotten. Aber wenn Unternehmen wie Magna oder zu Beginn Red Bull einsteigen, herrscht von Start weg Skepsis nach dem Motto: Das ist jetzt nur noch Kommerz. Ich glaube, sie wollten, aber es ist halt kaum eine Resonanz gekommen. Jetzt ist klar: Die Unterstützung von Magna gibt es nicht. Für uns ist logisch, dass wir Neustadt und Umgebung integrieren wollen. Für unser Budget ist es nicht egal, ob 3000 bis 4000 oder nur 1500 Zuschauer kommen. Wir wollen uns öffnen und haben zum Beispiel die Idee geboren, bei der Präsentation gegen eine Auswahl aus Spielern, die unterklassige Vereine entsenden, anzutreten. Diese Vereine sollen sehen: Wir sind nicht abgehoben, wir sind offen für alles, wir versuchen mit ihnen in Kooperation zu treten und uns vielleicht ein bisschen sympathischer zu präsentieren.