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Der Titel ist Schnee von gestern

Der Titel ist Schnee von gestern

Es war einer der überraschendsten Meistertitel der letzten Jahre. In der letzten Saison schnappte Sturm der höher eingeschätzten Konkurrenz den Teller weg.

An der Herangehensweise der Grazer ändert dieser Triumph jedoch wenig. Meisterliches Selbstvertrauen? Ja. Favoritenrolle? Nein.

LAOLA1 nimmt für die Bundesliga-Vorschau den SK Sturm Graz unter die Lupe:

AUSGANGSLAGE

Unglaubliche Emotionen, unvergessliche Erinnerungen – es war ein meisterlicher Sommer in Graz. Nun gilt es die richtige Balance zu finden. Sturm wäre nicht der erste Überraschungs-Meister, bei dem sich eine gewisse Leere und Zufriedenheit einstellt. „Ich habe den Spielern gesagt: Sie sollen den Titel im Urlaub genießen, das habe ich als Trainer natürlich auch getan. Aber jetzt ist das schon wieder Schnee von gestern. Wir wissen, was auf uns zukommt, es wird wieder eine schwierige Saison“, lenkt Trainer Franco Foda den Fokus seiner Schützlinge längst wieder auf neue Aufgaben. Fußball ist nun einmal Tagesgeschäft. Und in diesem hat sich für den Deutschen an den Kräfteverhältnissen der Bundesliga nichts geändert. Sturm als Gejagter? Davon will der Meistercoach nichts wissen: „Der Favorit ist Salzburg, und der Gejagte ist auch Salzburg.“

PERSONAL

Auch in diesem Sommer hatte Sturm wieder einige Abgänge zu verzeichnen, wobei vor allem jener von Abwehrchef Gordon Schildenfeld ins Gewicht fällt (siehe Wunschelf). Bislang sind die Grazer auf der Suche nach einem Ersatz für den Kroaten noch nicht fündig geworden. Im Vergleich zur hohen Fluktuation der letzten Jahre kann man jedoch von personeller Kontinuität sprechen. Neu zum Meister gestoßen sind der zentrale Mittelfeldspieler Matthias Koch (Altach) und der georgische Linksverteidiger George Popkhadze (Zestafoni), das Duo soll Problemzonen im Kader beheben. „Koch war schon einmal in der Bundesliga, hat sich bei Altach aber leider Gottes einen Kreuzbandriss zugezogen. Ich glaube, er ist ein Spieler, der Potenzial hat. Wenn er sich an unser Training und an unsere Spielweise gewöhnt, werden wir viel Freude an ihm haben. Popkhadze ist erst 24, besitzt also sicher noch Luft nach oben“, erklärt Foda. Keine personellen Neuerungen gab es während der Sommerpause vom Umfeld zu berichten. Der Vorstand um Präsident Gerald Stockenhuber hat es bislang verabsäumt, den von unschönen Begleiterscheinungen überschatteten Abgang von Sportdirektor Oliver Kreuzer zu kompensieren. Auf „meisterliche“ Strukturen warten die „Blackies“ nach wie vor vergeblich.

AUSBLICK

Sturm verfügt weiter über eine routinierte und gefestigte Mannschaft, die wieder im Kampf um die internationalen Startplätze mitmischen wird. Eine Wiederholung des großen Wurfs kann bei aller meisterlich-breiter Brust wohl auch in dieser Saison nur gelingen, wenn die Konkurrenz aus Salzburg und Wien ihr Potenzial nicht zur Gänze ausschöpft.  Ein großes Ziel dieser Saison stellen die beiden internationalen Bewerbe dar – im Idealfall natürlich die Champions League. Foda: „Das hat sich die Mannschaft verdient, sie hat letzte Saison einen tollen Job gemacht. Als Meister wollen wir jetzt natürlich probieren, bei den ganz Großen mitzumischen.“

FÜNF FRAGEN AN DEN TRAINER

LAOLA1: Als Meister hat man etwas zu verteidigen. Trotzdem ist für Sie Salzburg nicht nur Favorit, sondern auch Gejagter. Können Sie nachvollziehen, wenn Ihnen zu viel Understatement nachgesagt wird?

Franco Foda: Nein. Wir haben noch nie Understatement betrieben, sondern können uns sehr realistisch einschätzen. Natürlich sind wir Meister geworden, aber da haben viele Momente und Fakten für uns gesprochen. Wir haben die Situation ausgenutzt, dass andere Mannschaften nicht konstant genug gespielt haben. Deshalb sind wir verdient Meister geworden. Aber wir wissen, dass es Salzburg gibt, das gute Einkäufe getätigt und absolut das größte Budget hat. Das ist die einzige Mannschaft, die sagen muss, dass sie Meister wird. Rapid und Austria sind sowieso immer zu nennen. Wenn wir im nächsten Jahr wieder international vertreten sind, haben wir eine tolle Saison gespielt.

LAOLA1: Zu den Abgängen zählen mit Mario Kienzl und Klaus Salmutter zwei langjährige Weggefährten. Inwiefern ist dies für Sie ein menschlicher Verlust?

Foda: Es ist von der menschlichen Seite immer sehr schade. Gerade mit diesen beiden Spielern habe ich sehr, sehr lange zusammengearbeitet, schon bei der Amateur-Mannschaft.  Wobei man unterscheiden muss: Salmutter ist ja von sich aus gegangen, er hat sich eine Auszeit genommen. Er wollte einfach einmal abschalten vom Fußball. Das haben wir ihm natürlich zugestanden und auch die Möglichkeit gegeben, dass er innerhalb eines Jahres zu uns zurückkehren kann. Ich hoffe, er kommt zurück, denn er ist noch nicht so alt und hat riesiges Potenzial. Bei Kienzl war es einfach so, dass wir uns nicht einigen konnten. Das ist natürlich sehr schade, vor allem auf der menschlichen Ebene. Er hat in den letzten Jahren wirklich tolle Arbeit abgeliefert. Er war immer sehr loyal, hat sich top verhalten, war sehr beliebt in der Mannschaft. Aber manchmal ist es im Fußball so, dass man nicht zusammenkommt.“

LAOLA1: Sie sind momentan nicht nur Trainer, sondern nach dem Abgang von Oliver Kreuzer auch Sportdirektor. Dieses Amt wird kontrovers diskutiert. Wäre es wünschenswert, wenn bald ein Nachfolger installiert wird, oder wird dieses Thema überschätzt?

Foda: Es werden hier ja nicht viele Transfers mit größeren Summen getätigt, daher glaube ich, dass es kein Problem ist. Natürlich braucht man eine gewisse Unterstützung, vor allem im administrativen Bereich. Daher gehe ich davon aus, dass das in den nächsten Wochen auch passieren wird. Aber ansonsten ist es ja so, dass die Trainer immer mitentscheiden sollten, welche Spieler kommen, weil sie im Endeffekt für die Mannschaft verantwortlich sind. Wobei ich sagen muss, dass die Zusammenarbeit mit Oliver Kreuzer hervorragend war. Wir haben auf einer Ebene getickt, was sehr wichtig ist.

LAOLA1: Sie gehen in Ihre sechs Saison als Sturm-Trainer. Kann man bald von einem Modell wie jenes, das Thomas Schaaf oder Otto Rehhagel in Bremen geprägt haben, sprechen?

Foda: Ich bin im sechsten Jahr Cheftrainer, aber schon 14 Jahre im Verein, also sehr lange. Das ist schön, denn im Trainer-Business ist es ja nicht alltäglich, dass man so lange beim gleichen Verein tätig ist. Aber wir haben in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet, und waren mit dem Meistertitel, dem Cupsieg und dem Erreichen der Gruppenphase in der Europa League sehr erfolgreich.

LAOLA1: Jeden Sommer glauben viele ob diverser Gerüchte über Angebote anderer Vereine an ihren Abgang. Wird unterschätzt, wie gerne Sie beim Verein sind?

Foda: Keine Ahnung. Natürlich gibt es immer Spekulationen, und es ist auch schön, wenn man irgendwo im Gespräch ist, weil es für die Arbeit, die man hier abliefert, spricht. Auf der anderen Seite habe ich immer betont, dass ich nicht unbedingt aus Graz weg muss, weil Sturm Graz hier in Österreich ein besonderer Verein ist. Hier würden  viele Trainer gerne arbeiten. Aber auch als Trainer sollte man sich immer hohe Ziele setzen. Irgendwann will man natürlich auch in eine Top-Liga. Ich bin jedoch jemand, der normal seine Verträge erfüllt. Gott sei Dank ist es mir bis zum heutigen Tag gelungen.

Peter Altmann