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"Wir haben uns in der Situation sehr naiv angestellt"

Wenn Franco Foda seine knapp sechsjährige Amtszeit als Sturm-Trainer Revue passieren lässt, wird ihm tendenziell das eine oder andere Gastspiel bei der Wiener Austria einfallen, nach dem er erklären musste, warum es als bessere Mannschaft unglücklich doch nicht zum Sieg gereicht hat.

Diese Sorge hatte der Deutsche bei seinem letzten Auftritt als Coach der Grazer am Verteilerkreis nicht.

Die Austria war beim 1:1-Remis zwischen den beiden Traditionsklubs die klar bessere Mannschaft. Darüber waren sich nach Schlusspfiff alle Beteiligten einig.

„Ich bin mit dem Punkt sehr zufrieden, vor allem wenn das Tor noch so spät fällt“, freute sich Foda.

„Wie der sichere Sieger ausgesehen“

Spät sind beide Treffer gefallen, denn die Schlussphase des Schlagers hatte es wahrlich in sich. Erst bugsierte Roland Linz den Ball in Minute 89 zur violetten Führung ins Tor und verschaffte sich damit ein vermeintlich kitschiges Traum-Comeback als Siegtorschütze.

Doch die Wiener haben die Rechnung ohne Manuel Weber gemacht, dem in Minute 95 wenige Sekunden vor dem Abpfiff noch der Ausgleich gelang.

„Wenn der gegnerische Trainer zufrieden ist, heißt das, dass ich nicht zufrieden sein kann“, ärgerte sich Austria-Coach Ivica Vastic über die gefühlte Niederlage, „wir haben wie der sichere Sieger ausgesehen. Dass es uns leider nicht gelungen ist, das 1:0 über die Runden zu bringen, ist natürlich sehr bitter.“

Entsprechend fassungslos waren naturgemäß seine Schützlinge. „Ich muss ganz ehrlich sagen, wir haben uns in dieser Situation sehr naiv angestellt. Wir sind zu fünft oder zu sechst auf den Ball gegangen, keiner hat geschaut, was hinter ihm passiert“, monierte Michael Liendl.

„Bitter, wir waren 90 Minuten die klar bessere Mannschaft und durch solch einen saublöden Fehler spielst du die Partie 1:1, obwohl sie nie 1:1 ausgehen darf“, so der Mittelfeldspieler weiter.

„Uns war klar, dass wir eine Reaktion zeigen mussten“

Vastic nahm seine in besagter Szene ungeordnete Abwehr in Schutz: „Die Verteidigung hat bis zu diesem Moment super funktioniert. Eigentlich war Sturm nur in dieser Situation besser, sonst haben wir das ganze Spiel außer dem Kopfball von Milan Dudic nicht viel zugelassen.“

Auch wenn bei weitem nicht alles gelang, war dieses Match auch das Offensivspiel betreffend ein klarer Schritt nach vorne – vor allem im Vergleich zu den misslungenen Darbietungen in Wiener Neustadt und Mattersburg.

„Dass das Mattersburg-Spiel nicht gut war, wissen wir alle. Uns war klar, dass wir eine Reaktion zeigen müssen, und das haben wir gemacht“, betonte Liendl.

Auch der Trainer zeigte eine Reaktion und bot erstmals in diesem Frühjahr Linz auf, indem er ihn in Minute 70 für Roman Kienast auf das Feld schickte. „Ich habe damit gezeigt, dass ich keinen Konflikt mit Roli habe“, versicherte Vastic.

 „Typisches Linz-Tor“

Auch wenn er unter dem Strich nicht den Helden des Sieges spielen durfte, war Linz die Erleichterung über das persönliche Erfolgserlebnis anzusehen: „Für mich war es wichtig, dass ich wieder einmal getroffen habe. Ich hoffe, dass es jetzt wieder bergauf geht.“

„Ein typisches Linz-Tor“, kommentierte der geschlagene Torhüter Christian Gratzei – Linz‘ Jugendfreund aus gemeinsamen Tagen beim DSV Leoben.

Dass der Keeper Wien-Favoriten doch noch mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen konnte, lag am zweiten Saisontor von Manuel Weber.

„Man muss uns zu Gute halten, dass wir bis zuletzt daran geglaubt haben, dass wir noch ein Tor machen können, und das hat dann ja auch geklappt“, meinte der Kärntner.

„In erster Linie an uns selbst gescheitert“

Nicht allzu viel geklappt hat auf Seiten der Grazer in den 94 Minuten davor. „Die Austria hat es uns sehr schwer gemacht. Sie waren spielstark, sehr dominant auf dem Feld, haben das Spiel über weite Strecken bestimmt“, analysierte Weber.

Gratzei ergänzte: „Wir sind in erster Linie an uns selbst gescheitert. Wir sind nicht so in die Zweikämpfe gekommen, haben der Austria das Feld überlassen, waren viel zu weit weg. Die Austria ist dann immer besser ins Spiel gekommen, und dann wird es natürlich schwierig. Sie haben sehr gute Spieler, da muss man eng drauf sein.“

17:4 Torschüsse der Veilchen sprechen ebenso eine klare Sprache wie die Bilanz von 57,7 zu 42,3 Prozent an gewonnenen Zweikämpfen. Mit 57,3 Prozent Ballbesitz hatten die Wiener auch deutlich mehr vom Spiel.

„Die Austria hat sicher ihr bestes Spiel im Frühjahr gemacht. Sie haben uns von Anfang an unter Druck gesetzt, damit sind wir nicht wirklich zurechtgekommen. Wenn man so spät ein Tor kriegt, ist es eigentlich schon fast vorbei. Gott sei Dank ist es noch 1:1 ausgegangen“, atmete Ferdinand Feldhofer auf.

„Das Glück kommt zurück“

Foda, der fehlende Dynamik und Power im Umschaltverhalten monierte, gestand, dass er eigentlich schon fix mit einer Nullnummer gerechnet hätte. Umso mehr ärgerte ihn das defensive Fehlerverhalten beim Gegentreffer:

„Leider hat ein Spieler das Abseits aufgehoben, obwohl wir im Training ständig üben, dass wir rausrücken, wenn der Ball nach innen gespielt wird.“

Besagter Spieler war Dominik Pürcher, der seinen Fauxpas mit dem wunderbaren Assist zum Weber-Treffer teilweise wieder gut machen konnte.

„Man sieht: Das Glück kommt vielleicht zurück“, glaubte Foda, der seine Mannschaft in Spielen wie gegen Wiener Neustadt oder Kapfenberg unbelohnt sah: „Diesmal hatten wir nicht so viele Torchancen, haben dafür aber einen Punkt geholt.“

„Sieg gegen Sturm hätte doppelt gut getan“

Auch Gratzei hofft, dass dieses nach dem Sieg gegen Wacker zweite Erfolgserlebnis binnen weniger Tage die Verkrampfung lösen könnte: „Das ist auf alle Fälle etwas, aus dem man Selbstvertrauen ziehen muss, und das werden wir auch machen.“

Inwiefern die Köpfe der Austria-Spieler nach dieser Begegnung nach oben gehen werden, wird sich weisen. Am kommenden Wochenende wartet das Spitzenspiel gegen Red Bull Salzburg.

Liendl: „Wenn ich mir diese Saison anschaue, ist einfach alles möglich. Aber natürlich wissen wir, dass wir acht Punkte hinten sind, wenn wir gegen Salzburg verlieren. Dann wäre es natürlich verdammt schwer. Deswegen hätte ein Sieg gegen Sturm doppelt gut getan.“

Peter Altmann/Martin Wechtl