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"Diese Mannschaft ist einfach nicht tot zu kriegen"

Treffen Sturm Graz und Rapid Wien aufeinander, stehen die Chancen auf Werbung für den österreichischen Fußball nicht schlecht.

Auch das 2:2 vom Sonntagnachmittag hatte jede Menge Emotionen und Dramatik zu bieten – ein rassiges Duell zweier Traditionsklubs, das sich das stimmungsvolle Ambiente mehr als verdient hat und einen Rasen, der keine Zumutung ist, verdient hätte.

Der Tabellenführer aus der Bundeshauptstadt bewies dabei einmal mehr Moral und holte einen 0:2-Rückstand noch auf.

LAOLA1 fasst die wichtigsten Facetten des Schlagers der 5. Bundesliga-Runde zusammen:

STURMS ÄRGER: Sturm-Trainer Franco Foda war es bei aller Enttäuschung über die aus der Hand gegebene Führung wichtig zu sehen, dass seine Mannschaft auf Augenhöhe mit Rapid agieren kann. Fakt ist jedoch auch: Schon im Vorjahr ließen die Grazer in den direkten Duellen gegen die Top-3 der Tabelle viele Punkte liegen, gegen Rapid eroberte man gar nur deren zwei. Ein voller Erfolg gegen einen Kontrahenten, der vor dieser Partie ohne Punkteverlust war, wäre zweifelsohne ein Statement gewesen. Letztlich sprang nur das dritte Remis im dritten Heimspiel heraus. „Das tut im Herzen weh, dass man so eine Führung aus der Hand gibt“, bedauerte Anel Hadzic, „das darf einer Mannschaft normal nicht passieren, aber wir lernen daraus.“ Für Foda lag das Versäumnis darin, dass seine Elf nach dem Seitenwechsel mit den Kontersituationen zu verschwenderisch umging: „Wir hatten auch nach dem 2:1 drei, vier Riesen Möglichkeiten, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Das ist uns nicht gelungen.“ Rapid sei solch eine Aufholjagd indessen stets zuzutrauen: „Ich habe meinen Spielern in der Halbzeit gesagt, Rapid darf man nicht abschreiben. Das haben sie auch international gegen Ajax schon gezeigt. Das war uns bewusst.“

RAPIDS MENTALITÄT: Genau solche Erfolgserlebnisse wie in der Champions-League-Qualifikation gegen Amsterdam oder gegen den WAC, als man einen 0:1-Rückstand in einen 2:1-Sieg verwandelte, stärkten den grün-weißen Glauben in die eigene Fähigkeit, Rückstände aufholen zu können. Trainer Zoran Barisic adelte seine Schützlinge für den neuerlichen Kraftakt: „Unmittelbar nach dem Spiel habe ich mich mit Carsten Jancker unterhalten. Er hat ja doch in einigen großen Mannschaften gespielt. Wir sind beide der Meinung, dass wir es noch nie erlebt haben, dass eine Mannschaft solch eine Mentalität hat und einfach nicht totzukriegen ist. Dieses Kompliment muss ich meiner Mannschaft machen. Diese Moral in der Truppe ist schon etwas Besonderes, darauf kann man absolut stolz sein.“ Der gerettete Punkt konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wiener vor der Pause nicht ihr gewohntes Gesicht zeigten. „In der ersten Halbzeit waren wir in manchen Situationen einfach nicht präsent genug, was das Defensivverhalten betrifft, beziehungsweise nicht konkret genug, was das Offensivverhalten betrifft“, bemängelte der Coach. Florian Kainz freute sich zwar einerseits über die gelungene Aufholjagd, hob jedoch auch warnend den Zeigefinger: „Andererseits sind wir jetzt schon öfters in Rückstand geraten. Das darf uns nicht passieren. Gegen Donezk müssen wir schauen, dass wir von Anfang an da sind.“

ELFMETER (K)EIN AUFREGER: Irgendwie passt es zum derzeitigen Auftreten Rapids, dass man sich über den Strafstoß, der das 1:0 für Sturm bedeutete, überraschend dezent beschwerte – zumindest in der Öffentlichkeit. Für Steffen Hofmann war er „fragwürdig“, Kainz meinte: „Darüber kann man sich auch nicht mehr beschweren, der Schiedsrichter hat so entschieden. Wir hatten noch genug Zeit, das Ganze zu drehen.“ In den Katakomben konnte sich Referee Dieter Muckenhammer von Barisic einiges anhören. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei um die Entscheidung, nach einem angeblichen Foul von Mario Pavelic an Kristijan Dobras auf den Punkt zu zeigen, ist sehr hoch. Der Rapid-Coach ging bezüglich dieser „Aussprache“ jedoch wie gewohnt nicht ins Detail: „So wie immer gibt es von meiner Seite über die Schiedsrichter-Leistung in der Öffentlichkeit nichts zu sagen.“ Interessantes Detail am Rande zu diesem Penalty: Sturm ging offenbar ohne vorher bestimmten Elfmeterschützen in die Partie, wie Hadzic zu Protokoll gab: „Ich habe einfach die Verantwortung übernommen. Wir haben es im Spiel entschieden.“

GEGLÜCKTE UND WENIGER GEGLÜCKTE WECHSEL: Trainer haben einen Einfluss auf die Partie, vor allem Barisic machte seinen geltend. Wie zuletzt zur Gewohnheit geworden, rotierte der Rapid-Betreuer. Funktionierte die Startelf womöglich nicht wie erhofft, konnte er nach dem Rückstand aber immerhin Kaliber wie Steffen Hofmann und Robert Beric, den Schützen des Anschlusstreffers, von der Bank bringen. „Wir wollten für dieses Spiel die richtige Mischung finden, lagen zur Pause aber 0:2 hinten. Da ist es schon so, dass du dann mehr Risiko nimmst, wenn du versuchst, das Ergebnis zu reparieren und aufzuholen. Es ist ja legitim, dass du dann die offensivere Variante wählst“, betonte Barisic. Eine Variante, mit der Sturm nach einer taktisch sehr disziplinierten ersten Halbzeit mit Fortdauer der Partie nicht mehr zurechtkam. Auch weil Fodas Wechsel nicht wie gewünscht zündeten. Der 49-Jährige entschloss sich, Hadzic nach seiner Gelben Karte vom Feld zu nehmen: „Mir war das Risiko, dass er Gelb-Rot bekommt, einfach zu groß. Nach seiner Auswechslung haben wir etwas die Ordnung verloren, vor allem nach der Einwechslung von Hofmann. Rapid hat dann im Mittelfeld sehr offensiv gespielt. Wir hatten keinen Zugriff mehr, waren nicht mehr so aggressiv gegen den Ball.“ Auch die in der Theorie logische Maßnahme, den wenig sprintstarken Stoßstürmer Josip Tadic gegen den schnellen Bright Edomwonyi zu tauschen, brachte in der Praxis nicht den erhofften Effekt. Kritik an seinem Joker wehrte der Deutsche jedoch vehement ab: „Ich habe ihn gebracht, weil er extrem schnell ist, Rapid alles nach vorne geworfen hat und es viele Räume für uns gab. Jetzt zu sagen, ein Spieler ist für irgendetwas verantwortlich, ist nicht der richtige Weg. Das war nicht so und das lasse ich auch nicht zu, sondern wir waren selbst verantwortlich, hätten den Sack zumachen müssen. Dann wäre Rapid nicht mehr zurückgekommen. Das haben wir nicht getan und dann bei einer Standardsituation, bei der wir drei gegen eins in Überzahl waren, geschlafen. Solche Dinge passieren im Fußball.“

DIE EX-STURM-KICKER: Beric erzielte ein Tor, Florian Kainz lieferte mit seinem Eckball den Assist zum Eigentor von Michael Madl. Die zwei „Ex-Blackies“ in Grün-Weiß hatten an alter Wirkungsstätte ihren fairen Anteil an der Aufholjagd. Gerade Beric hat nun bereits in vier von fünf Liga-Spielen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber getroffen. „Heute war es ich, das nächste Mal ist es ein anderer“, wollte er sich seine Genugtuung nicht anmerken lassen und gab erst auf Nachfrage grinsend zu: „Es war mein erster Verein in Österreich. Es ist schon ein besonderes Spiel.“ Während der Slowene zu Beginn auf der Bank Platz nehmen musste, war Kainz erneut einem Spießrutenlauf ausgesetzt. Ob er denn glaube, dass bezüglich seiner Person bei einer Rückkehr irgendwann eine Beruhigung auf den Rängen im Liebenauer Stadion eintreten werde? „Ich konzentriere mich auf das Spiel und versuche das Ganze auszublenden. Das ist mir ganz gut gelungen. Ob mich die Sturm-Fans auspfeifen oder beschimpfen, kann ich nicht beeinflussen und muss ich abprallen lassen.“ Der Flügelflitzer scheute sich auch nicht, zu Eckbällen zu schreiten. Ob ihn die Verunglimpfungen überhaupt nicht berühren? „Wenn ich zum Eckball gehe, will ich den Eckball gut schießen. Wir haben das 2:2 nach einem Eckball gemacht. Aber natürlich, es ist nicht schön, wenn man ausgepfiffen wird. Aber ich kann es nicht ändern.“

DAS LEIDIGE RASEN-THEMA: Dass die Spielfläche der UPC-Arena ein einziges Ärgernis ist, ist keine Feststellung mit News-Charakter. Ein leidiges Problem, das die zuständige Stadionverwaltung nicht in den Begriff bekommt. „Schlecht! Es war ein absolutes Spitzenspiel, aber die Platzverhältnisse waren nicht dementsprechend“, ärgerte sich Foda und fand in Barisic einen engagierten Mitstreiter: „Ich schließe mich Franco an. Es ist eine Katastrophe, zwei solche Mannschaften auf solch einem Rasen spielen zu lassen. Ich würde mir in Österreich generell wünschen, dass man sich mehr bemüht und wirklich gute Plätze schafft, um den Zuschauern auch ein attraktives Spiel zu bieten. Das ist schon sehr nahe an der Grenze gewesen.“

Peter Altmann

  Sturm Rapid
Ballbesitz 37,4% 62,6%
Zweikämpfe 48,5% 51,5%
Eckbälle 3 8
Torschüsse 14 14
Torschüsse außerhalb Strafraum 3 6
Torschüsse innerhalb Strafraum 11 8
Kopfballchancen 1 2
Abseits 2 2
Fouls 19 16

VERLETZUNGEN: Einen Wechsel musste Barisic unfreiwillig bereits in der 8. Minute vornehmen. Stefan Stangl verletzte sich gegen seinen Ex-Verein früh. Am Montag wird eruiert, ob sich die erste Diagnose eines Muskelfaserrisses im Adduktorenbereich bewahrheitet. Nach dem langfristigen Out von Thomas Schrammel hat es somit auch den zweiten Linksverteidiger erwischt. Für den Steirer rückte Stephan Auer auf die linke Abwehrseite und löste seine Aufgabe sehr zur Zufriedenheit seines Trainers: „Er war sehr gut. 'Schneckerl' hat wieder dokumentiert, dass er ein Spieler ist, der auf sehr vielen Positionen einsetzbar ist. Wir wussten ja, welchen Spieler wir da verpflichten und wir, falls wir irgendwo Probleme haben, ihn bedenkenlos überall bringen können – nur für den Tormann wird es bei seiner Größe wahrscheinlich nicht reichen.“ Auf Seiten von Sturm musste Thorsten Schick verletzungsbedingt vom Feld. Eine genaue Diagnose steht noch aus, befürchtet wird jedoch eine Sprunggelenksverletzung.