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"Es war ein unglaublicher Wille zu erkennen“

 „Mir ist kein Stein, sondern ein Steinbrocken vom Herzen gefallen, als  der Schiedsrichter abgepfiffen hat.“

Dieser von AG-Vorstand Markus Kraetschmer getätigte Satz, sagt schon alles.

Die Erleichterung bei der Austria war nach dem 2:1-Derbysieg gegen Rapid nicht groß, sondern riesengroß.

Selbst Gerald Baumgartner, normalerweise eher ein ruhiger Zeitgenosse, zeigte sich nach Schlusspfiff ungewöhnlich emotional.

Neben einer Siegerpose in den Katakomben der Generali-Arena gab es für Heinz Lindner sogar ein Busserl auf die Wange.

Derbysieg verschafft Baumgartner Luft

„Da sieht man, wie erleichtert wir alle sind. Es ist die pure Erleichterung“, so der Austria-Schlussmann, der zugab, dass „ein Derbysieg immer etwas Besonderes ist. Doch dieser ist noch weiter oben einzustufen, weil wir in der ersten Hälfte fast nicht vorhanden waren. Nach der Pause hat man aber eine ganze andere Austria gesehen, die Rapid den Schneid abgekauft hat und trotz einem Mann weniger verdient gewonnen hat.“

Der Erfolg verschaffte dem angezählten Coach auch wieder Luft. Am Montagabend tagt bekanntlich der Aufsichtsrat der Veilchen bei dem Sportdirektor Franz Wohlfahrt seine Beobachtungen präsentieren will.

„Ich habe eine 60-seitige Präsentation. Da steckt viel Arbeit drinnen. Es ist sehr umfangreich, weil die Bereiche Sport bei Austria Wien sehr umfangreich sind“, erklärt der Kärntner bei LAOLA1 ohne auf die Zukunft des Trainers einzugehen.

Kraetschmer schließt Trainerdiskussion aus

Laut Kraetschmer  gibt es aber keine Trainerdiskussion. „Wir haben uns schon zuletzt darauf festgelegt, diesen schwierigen Weg gemeinsam zu gehen. Vor dem Derby ist nur darüber diskutiert worden, wie hoch wir verlieren werden. Die Mannschaft hat heute die richtige Antwort gegeben. Es war ein unglaublicher Wille zu erkennen.“

Zwar hat der Wiener die lautstarken „Baumgartner-Raus“-Rufe mitbekommen, „aber die Mannschaft hat gezeigt, wie entschlossen sie ist.  Alle gemeinsam wollten diesen Sieg. Mit guten Leistungen kommen wir wieder in ein ruhigeres Gewässer. Heute haben wir eine gute Leistung erbracht, haben Rapid, den Tabellenzweiten in Unterzahl besiegt. Ich bin froh und freue mich für die Mannschaft – speziell nach diesem Tiefschlag in Graz.“

Baumgartner selbst weiß nicht, wie lange er durch den Prestige-Erfolg seinen Job gerettet hat: „Keine Ahnung, ich mache mir keine Gedanken über mein Standing. Wir haben zwei Derbys gewonnen, das ist eine gute Derbybilanz, aber auch gegen Rapid gibt es nur drei Punkte.“

Kompliment an Mannschaft

Seinem Team sprach der Salzburger jedenfalls ein großes Kompliment aus. „Die Jungs haben unglaublich gefightet. Sie wollten den Sieg mehr als der Gegner. Nach dem Ausschluss hat man nicht gemerkt, dass wir einer weniger waren. Wir waren in der ersten Hälfte – speziell nach dem Rückstand – verunsichert. Das ist aber klar mit dem Druck, den wir haben. Das 1:1 fiel zu einem sehr guten Zeitpunkt und hat uns beflügelt.“

Vorbereitet wurde der Treffer in der vierten Minute der Nachspielzeit von Raphael Holzhauser, den Baumgartner in der 28. Minute für Tarkan Serbest („Ich habe ihn ausgetauscht, weil er nach seinem Fehler, der zum 0:1 durch Hofmann geführt hat, verunsichert war und nicht mehr in die Partie gefunden hat. Ich wollte ihn auch schützen.“) einwechselte.

Holzhauser-Einwechslung Gold wert

Ein Wechsel, der dem bis dahin quasi nicht vorhandenen Offensiv-Spiel die nötigen Impulse verschaffte.

Der 22-Jährige nahm das Heft in die Hand, forderte die Bälle und sorgte mit seinen Standards für stetige Gefahr.

Und so konnte Lukas Rotpuller unmittelbar vor dem Halbzeit-Pfiff per Abstauber sein erstes Bundesliga-Tor zum Ausgleich erzielen.

„Mein Treffer war ein sehr schönes Gefühl, aber nur eine Momentaufnahme. Ein Unentschieden hätte uns nicht viel gebracht, es wäre nur ein ganz kleiner Schritt nach vorne gewesen. Doch dieser Sieg gibt Kraft. Jetzt kann man mit ein bisschen Schwung die nächsten Aufgaben angehen“, kommentierte der Innenverteidiger sein Premieren-Tor.

„Wir haben genug Qualität“

Das 1:1 sollte sich als Knackpunkt zu Gunsten der Violetten erweisen. „Es hat nach dem Ausgleich jeder gespürt, dass etwas drinnen ist. Jeder hat seine Stärken danach wieder verinnerlicht. Wir haben ja genug Qualität, aber wenn wir die nicht umsetzen, wird es uns jeder Gegner schwer machen. Wenn wir aber mit dieser Leidenschaft von heute spielen, ist alles möglich. Dann kann man vielen Gegnern wehtun und jeden besiegen“, meinte Rotpuller.

Denn wie bereits erwähnt, zeigte die Austria nach dem Seitenwechsel ein anderes Gesicht. Und obwohl Christian Ramsebner Gelb-Rot sah (72.) war es Vanche Shikov in Minute 84 vorbehalten, nach einer Freistoß-Flanke von Holzhauser ebenfalls mit seinem ersten Bundesliga-Treffer per Kopf für den viel umjubelnden Siegestreffer zu sorgen.

Glück des Tüchtigen

Dass Rapids Thanos Petsos in letzter Sekunde noch die Latte traf, fiel für die Austria an diesem Tag in die Kategorie „Glück des Tüchtigen“.

„Natürlich braucht man beim Lattenschuss von Rapid in der Schlussphase auch Glück. Man kann nicht unbedingt sagen, dass wir im Frühjahr schon recht viel Glück gehabt haben, also war es trotzdem ein verdienter Sieg“, gestand Baumgartner und lobte im gleichen Atemzug Holzhauser:

„Er hat nach seiner Einwechslung großartig gespielt. Vielleicht hat es ihn gewurmt, dass er nicht von Beginn an dabei war, aber er hatte gegen Sturm nicht seinen besten Tag und ich habe mich eben für Serbest entschieden.“

Der Blondschopf nahm die Gratulationen relativ nüchtern entgegen. „Es war von der ganzen Mannschaft eine gute Partie. Wir haben wirklich sehr, sehr gut gekämpft. Da muss man schon den Hut ziehen.  Ich bin froh, meinen Teil dazu beigetragen zu haben.  Wir waren nach der Pause dominant und haben verdient gewonnen.“

„…dann bringt uns der Sieg nicht viel“

Bei aller Freude waren sich aber auch alle Beteiligten einig, nach dem erst zweiten Sieg im Frühjahr nachsetzen zu müssen.

„Es gab schon ein paar Spiele, wo man dachte, dass sie uns Auftrieb geben. Doch dann kam es anders. Wir schauen jetzt, dass wir fokussiert bleiben. Wenn wir uns zu viele Gedanken darüber machen, geht es nächste Woche sicher wieder schief“, meinte Lindner.

„Ein Derbysieg ist immer etwas Gutes. Wir müssen aber weiter dranbleiben, wenn wir nächste Woche nicht drei Punkte holen, bringt er uns eigentlich nicht viel“, ergänzte  Marco Meilinger.

Holzhauser abschließend: „Wir haben jetzt auch nur einen Sieg geholt. Dafür gibt’s nur drei Punkte. Wir müssen die Leistung nächste Woche in der Südstadt bestätigen.“

 

Martin Wechtl/Harald Prantl

Austria Rapid
Ballbesitz 47,5% 52,6%
Zweikämpfe 44,4% 55,6%
Eckbälle 7 9
Torschüsse 19 18
Torschüsse außerhalb Strafraum 11 5
Torschüsse innerhalb Strafraum 8 13
Kopfballchancen 1 2
Abseits 0 2
Fouls 16 17