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"Dann wären wir bei Real Madrid oder Barcelona"

Vor dem Gastspiel in Wiener Neustadt hatte Marco Djuricin eine böse Vorahnung, nach dem 0:0 im Sonntags-Spiel der 12. Bundesliga-Runde war der Angreifer von Sturm Graz verärgert.

„Ich muss ehrlich sagen, ich hatte schon zuvor ein bisschen ein komisches Gefühl“, gestand der 21-Jährige, „denn meistens, wenn wir gewonnen haben, und dann war Länderspiel-Pause, haben wir es auf die leichte Schulter genommen. Das hat man in den ersten 20 Minuten extrem gesehen. Da haben wir geglaubt, wir sind Sturm Graz und putzen die weg. Aber das ist nicht so“

Vor allem die erste Halbzeit ordnete der gebürtige Wiener als „richtig schlecht“ ein und stand damit im Lager der Steirer bei weitem nicht alleine da.

Zwei Wochen hatte Trainer-Rückkehrer Franco Foda während der Länderspiel-Pause Zeit, nach dem Erfolg beim Comeback gegen Grödig in Ruhe mit der Mannschaft zu arbeiten. Fortschritte waren diesmal nicht zu erkennen, zumindest nicht vor der Pause.

„Es geht bei uns nur um den Kopf“

„In der ersten Halbzeit haben wir nicht so gespielt, wie wir uns das vorstellen. Das war ein bisschen lasch. Wir haben wieder den Fehler gemacht, dass wir zu tief gestanden sind. Wir sind immer dann gut, wenn wir offensiv verteidigen, wie sich das der Trainer auch von uns vorstellt“, monierte Daniel Beichler.

Dass man die ausgearbeitete Strategie nicht von Beginn an auf den Platz bekomme, sei ein mentales Problem: „Das hat nichts mit dem Trainer zu tun. Wir als Mannschaft haben es uns anscheinend wieder nicht zugetraut, von Anfang an offensiv zu verteidigen. Das ist noch unsere Schwäche. Dabei haben wir gegen Grödig oder hier in der zweiten Halbzeit gesehen, dass wir es können. Dann hat man gesehen, dass es Neustadt sehr, sehr schwer hatte. Wir haben ihnen teilweise nicht mehr viel Luft zum Atmen gegeben. Wir haben absolut die Power, dass wir es machen. Es geht bei uns nur um den Kopf, dass wir es von Anfang an machen.“

Sturm ist so gesehen in alte Muster zurückgefallen. Dass es bisweilen dauert, bis offensives Verteidigen in Fleisch und Blut übergeht, lässt sich auch bei anderen Vereinen beobachten.

„Uns gefällt die Idee des Trainers vom hohen Attackieren und schnellen Umschalten super, das haben wir gut aufgenommen, aber es dauert natürlich ein bisschen Zeit, bis man das verinnerlicht hat. Manchmal sind wir vielleicht noch zu ängstlich, sodass wir uns zurückfallen lassen. Aber ich glaube, die zweite Halbzeit war ein gutes Beispiel dafür, wie wir spielen wollen und es auch können“, meinte Lukas Spendlhofer.

„Ich weiß nicht, wer Angst hat, aber das ist nur Fußball“

Für Djuricin ist es höchste Zeit, das Kopfproblem zu lösen und mutiger zu werden: „Ich glaube, das ist genau unser Problem. Ich weiß nicht, wer Angst hat, aber das ist nur Fußball. Du musst nur Fußball spielen, kombinieren und Spaß haben. Den hatte bei uns heute, glaube ich, keiner oder nur wenige. Das müssen wir einfach besser machen. Der Anspruch von Sturm Graz ist, dass du gegen Wiener Neustadt gewinnst.“

Die Solo-Spitze ließ sich immer wieder fallen, um Bälle zu holen: „Ich will mich nicht verstecken, aber im Endeffekt kann ich auch nicht alles machen. Aber heute war ich auch nicht gut. Wir waren alle nicht gut. Wir haben einfach nicht fertig gespielt. Wir flanken manchmal rein und in der Mitte steht gar keiner. Wenn du den Kopf hochnimmst und in den Rückraum spielst, steht es 1:0. Aber okay, wir sind noch nicht so weit, deswegen müssen wir wirklich viel trainieren.“

„Dann würden wir es im Vorfeld abstellen“

Daran dürfte es unter Foda nicht scheitern. Während seine Schützlinge teilweise harte Selbstkritik übten, präsentierte sich der Deutsche eher von der verständnisvollen Seite. Dass seine Elf jedoch recht lasch ins Spiel ging, blieb auch ihm nicht verborgen:

„Wenn wir Trainer das immer wüssten, würden wir es schon im Vorfeld abstellen. Dann wären wir beide jedoch nicht hier, sondern wahrscheinlich bei Real Madrid und Barcelona. Aber das ist halt manchmal so“, meinte der 48-Jährige mit Blick zu seinem gegenüber Heimo Pfeifenberger.

Dass die beiden bis zum mit Spannung erwarteten Clasico am kommenden Wochenende (Sa., 25.10., ab 17:30 Uhr LIVE bei LAOLA1.tv) nach Spanien abwandern, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Also gilt es, sich mit den eigenen Problemen zu beschäftigen.

Und da störte Foda der fehlende Mut, das Pressing der Wiener Neustädter zu umspielen und dass man somit nicht von Anpfiff an auf die vorbereitete Strategie gegen die Niederösterreicher zurückgriff:

„Wiener Neustadt hat schon in Salzburg gut nach vorne verteidigt und aggressiv agiert, also waren wir darauf vorbereitet. Wir haben die ganze Woche daran gearbeitet, dass wir dementsprechend von hinten das Spiel aufbauen. Das haben wir leider erst in der zweiten Halbzeit gemacht, aus welchen Gründen auch immer. Das werden wir in Ruhe besprechen und analysieren. Die zweite Hälfte war dafür richtig gut. Da hat man gesehen, dass wir eine gute Struktur haben und Chancen kreierten.“

„Gibt Tage, an denen der Ball nicht reingehen will“

In dieser Phase kam das zweite Hauptproblem Sturms zu tragen, die mangelnde Effizienz. Nutzten die Steirer gegen Grödig noch eine ihrer vielen Chancen, agierte man diesmal zu unkonzentriert. „Es gibt solche Tage, an denen der Ball nicht reingehen will“, schüttelte Anel Hadzic den Kopf.

„Aber gut, wir hatten Möglichkeiten, das ist ja schon einmal positiv“, befand Foda, „aber eine von den drei, vier guten Chancen musst du nutzen, dann nimmt das Spiel eine andere Richtung. Aber damit müssen wir leider Gottes leben.“

Das Fazit des Coaches lautete, man müsse auch einmal mit einem 0:0 leben können: „Nicht jeder Tag ist gleich.“

„Wir nehmen alles, was wir kriegen können“

Nach vier Pleiten in Folge konnte auch Wiener Neustadt mit dem Punkt „sehr gut leben“, wie Pfeifenberger betonte:

„Es freut mich, dass wir einmal zu null gespielt haben. Wir haben uns in der Zweikampf-Quote gesteigert und auch in der Passqualität.“

Laut Herbert Rauter müsse man nach einer derartigen Niederlagen-Serie eine Politik der kleinen Schritte verfolgen: „Große Schritte können wir ohnehin nicht gehen. Wir nehmen alles, was wir kriegen können.“

Die Tabellensituation beunruhigt den früheren Sturm-Kicker jedoch ohnehin nicht: „Die Saison ist noch lange, ich sehe da nicht so das Problem. Wir sind zwar hinten nach, aber das waren wir die letzten drei Jahre immer. Von dem her mache ich mir noch keine Sorgen.“

Peter Altmann

Neustadt Sturm
Ballbesitz 46,5% 53,5 %
Zweikämpfe 51,5 % 48,5 %
Eckbälle 6 2
Torschüsse 16 14
Torschüsse außerhalb Strafraum 13 6
Torschüsse innerhalb Strafraum 3 8
Kopfballchancen 1 2
Abseits 5 2
Fouls 19 16