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"Wir müssen schleunigst die Kurve kriegen"

„Die Verunsicherung von heute auf morgen wegzubekommen, geht nicht. Wir haben heute gleich nach dem ersten individuellen Fehler wieder ein Gegentor bekommen. Man kann das nicht wegwischen. Wir müssen uns in jedem Spiel beweisen, und wir wollen uns in jedem Spiel verbessern. Dann kommt auch das Selbstvertrauen zurück.“

Markus Schopp oder Zoran Barisic – dieses Zitat könnten nach Schlusspfiff des Schlagers zwischen Sturm Graz und Rapid Wien wohl beide Neo-Trainer getätigt haben.

Im konkreten Fall tätigte es „Sieger“ Barisic. Dies untermalt die aktuelle Situation der beiden wankenden Bundesliga-Riesen.

Rapid verschaffte sich mit dem 3:1-Erfolg in Graz, dem zweiten Sieg in diesem Frühjahr, aber immerhin ein wenig Luft zum Atmen und eine gute Ausgangsposition im Kampf um einen Europacup-Platz. Die drittplatzierten Hütteldorfer rangieren nun fünf Punkte vor dem nächsten Gegner Wolfsberger AC und den Grazern.

„Sturm hatte im ganzen Spiel keine wirklichen Chancen“

„Es war ein interessantes Spiel, in dem die Vorzeichen für beide Mannschaften nicht optimal waren“, fand Barisic.

Die fehlenden Erfolgserlebnisse waren auch beiden Kontrahenten anzumerken, die Fehlerquote auf beiden Seiten entsprechend hoch. Letztlich setzte sich mit Rapid aber das aktivere Team, das mehr vom Spiel hatte, durch.

„Wir waren die bessere Mannschaft, hatten die besseren Chancen. Unser Gegentor resultierte aus einem Eigenfehler“, meinte Mario Sonnleitner, „Sturm hatte im ganzen Spiel keine wirklichen Chancen. Ich kann mich an nichts erinnern – einzig der Elfmeter, aber auch der war strittig. Wir hätten uns also nur selbst um die Früchte gebracht.“

Strittig war auch Sonnleitners Treffer zum vorentscheidenden 2:1 – laut TV-Analyse war der Ball vor der Kopfballhereingabe von Guido Burgstaller knapp im Torout.

Dass es für ihn als Ex-Sturm-Kicker ein besonderes Tor gewesen sei, versuchte der Innenverteidiger herunterzuspielen: „Mein Abgang von Sturm war alles andere als fein, aber damit habe ich schon längst abgeschlossen. Der Treffer war wichtig, weil ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dass wir gewinnen.“

„Bei einem Elfmeter gehört immer auch Glück dazu“

Seinen Teil dazu beigetragen hat auch Jan Novota. Der Goalie entschärfte den Elfmeter von Richard Sukuta-Pasu – ein strittiger Strafstoß, nachdem Andreas Hölzl von Sonnleitner gerempelt wurde. Eine Szene, welche das seit gemeinsamen Zeiten in Graz befreundete Duo nach Schlusspfiff im Spielertunnel noch ausgiebig diskutierte.

„Bei einem Elfmeter gehört immer auch Glück dazu. Was denkt der Spieler, was denkt der Torhüter? Es ist gut für mich, dass ich den Strafstoß gehalten habe, aber noch wichtiger sind die drei Punkte“, gab Novota zu Protokoll.

Drei Punkte, die Sturm mindestens genauso dringend gebraucht hätte. Während sich Rapid über den ersten Sieg unter Barisic freuen durfte, liest sich auf Seiten der „Blackies“ die Bilanz der ersten beiden Partien unter der Anleitung von Schopp desaströs: null Punkte, ein Torverhältnis von 1:6.

Das Bemühen war da, noch präsenter jedoch die Verunsicherung, eine spielerische Linie war über weite Strecken kaum auszumachen. Ein Problem, das im schwarz-weißen Lager auch niemand leugnete.

„Wir haben probiert, über den Kampf ins Spiel zu kommen, denn dass wir spielerisch nicht da sind, wo wir sein können, wissen wir selber“, erklärte Manuel Weber.

"Momente überhaupt nicht auf unserer Seite"

Der Kapitän haderte damit, dass „die Momente aktuell leider überhaupt nicht auf unserer Seite sind. Wir bekommen ein komisches 1:2, auf der anderen Seite verschießen wir den Elfmeter.“

Eine Einschätzung, die Schopp teilen konnte. Der Ausgleich zum 1:1 durch Hölzl, der den frühen Führungstreffer von Marcel Sabitzer egalisiert hatte, sei zwar „das erste Mal wieder ein Erfolgserlebnis gewesen, auf das die Mannschaft sehr lange hinarbeiten musste“, aber:

„Ich glaube, es war ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen, wir müssen jedoch ganz einfach weiterarbeiten und schauen, dass wir in den nächsten Spielen mehr von diesen Momenten auf unserer Seite haben. Das kommt nicht von nichts, das muss man sich erarbeiten.“

Wohlgemerkt ein Aufwärtstrend auf niedrigem Niveau, denn viel schlechter als beim 0:3 in Wolfsberg ging auch kaum mehr. Schopp war mit einigen Phasen im Spiel zufrieden und der jeweiligen Reaktion auf die beiden Gegentreffer, als man prompt ausglich beziehungsweise den Elfmeter herausholte.

Das schwarz-weiße Nervenkostüm

Grundsätzlich musste aber auch der Interimscoach eingestehen, dass Rapid die richtigen Antworten auf Sturms Pläne hatte. Das Vorhaben, den Wienern von Anfang an das Spiel aufzudrücken, scheiterte.

„Andi hat sich irrsinnig bemüht, das hat er auch schon im Training bewiesen. Aber um den alten Andi zu sehen, müssen wir noch viel arbeiten. Wir nutzen jede Trainingseinheit, um ihn wieder dorthin zu bringen, wo er hingehört. Von seiner Einstellung her weiß man, dass Andi immer bereit ist, an seine Grenzen zu gehen.“

Die Realität ist jedoch, dass Schopp alles hat, um seine Akteure wieder auf einst gewohntes Leistungsniveau zu bringen, nur keine Zeit. In den kommenden vier Runden gilt es, den gefährdeten Europacupplatz doch noch abzusichern.

„Uns ist allen klar, dass wir schleunigst die Kurve kriegen müssen“, verdeutlicht Hölzl, „wir arbeiten viel, intensiv und gut. Wir belohnen uns am Wochenende nur nicht selbst.“

Nächster Schritt gegen den WAC

Diesbezüglich ist bei Rapid Barisic nun einen großen Schritt weiter als Kollege Schopp, entsprechend löste sich die Anspannung:

„Ich bin erleichtert. Der Sieg war wichtig und eine Bestätigung für den Glauben an die Mannschaft. Ich habe mir schon gedacht, dass wir gut auftreten werden, und die Mannschaft hat meine Vorstellung hervorragend umgesetzt.“

Gegen den WAC soll nun der nächste Schritt gelingen. Klappt es, schaut es sehr gut aus mit dem Ziel, eine verkorkste Saison mit dem europäischen Trostpreis zu retten.

Sabitzer: „Wenn wir nächste Woche einen Dreier einfahren, sind wir durch und haben unser Ziel Europa-League-Quali erreicht.“

Peter Altmann/Martin Wechtl

„Wenn Rapid lange Bälle gespielt hat, sind sie immer wieder über unser Zentrum drüber gekommen, und wir waren im Erkämpfen der zweiten Bälle oft einen Schritt zu spät – speziell Marcel Sabitzer und Lukas Grozurek haben es sehr geschickt verstanden, sich in diesem Raum zu bewegen, die Bälle zu behaupten und dann auch zu spielen“, analysierte der 39-Jährige.

„Wenn man das Nervenkostüm einiger Spieler bei uns kennt, gibt es ganz einfach Kleinigkeiten, wo eine gewisse Unsicherheit da ist und man einen Schritt zurück macht. Das ist aber ein ganz normaler Prozess, den es über die Arbeit auszugleichen gilt. Ich glaube aber sehr wohl, dass wir in der zweiten Halbzeit eine Phase hatten, wo wir versucht haben, dem Gegner unser Spiel aufzudrängen“, so Schopp weiter.

Weber verletzt sich und enttäuscht

Lichtblicke waren in seiner Elf kaum zu finden. Gerade einige der routinierteren Kräfte trugen wenig zur Beruhigung der angespannten Situation bei. Imre Szabics wirkte wie ein Fremdkörper, auch Weber enttäuschte in seinem ersten Einsatz von Anfang an seit dem Frühjahrs-Auftakt in Mattersburg Mitte Februar.

Für ihn stand eine schwache Zweikampfquote von 26,7 Prozent zu Buche (11 von 15 Duellen verloren) und eine erschreckende Passquote von 55,5 Prozent (8 von 18 Zuspielen landeten beim Gegner).

„Ich war froh, dass ich wieder spielen durfte, habe mir viel vorgenommen, mich aber relativ schnell an der Hüfte verletzt. Dann konnte ich nicht mehr die Leistung abrufen, die ich mir vorgenommen habe“, begründete der Kärntner, der erst in Minute 67 vom Feld geholt wurde und noch einiges an Arbeit vor sich hat, um zu alter Sicherheit zu finden.

Leistungssteigerung von Hölzl

Positiv fiel indes Hölzl auf, der auch abseits seines Treffers eine Leistungssteigerung  an den Tag legte. Letztlich täuscht dieser Umstand jedoch nicht über den Fakt hinweg, dass auch im Tiroler noch viel mehr Potenzial schlummert. Dies beurteilt auch Schopp so: