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"Ich habe keine Angst, angreifbar zu sein"

Wien – Es läuft.

Es läuft richtig gut sogar.

Die Wiener Austria ist seit sieben Pflichtspielen (5x Meisterschaft, 2x Cup) ungeschlagen. Eine solche Serie konnten die Violetten nicht einmal in ihrer letzten Meistersaison 2012/13 aufweisen.

Der Erfolgslauf kommt selbst für die Vereinsführung etwas überraschend. Schließlich wurde im Sommer ein neuer Trainer installiert und die Mannschaft komplett umgekrempelt.

Ein richtiger Hype ist um die Veilchen aber noch nicht entstanden. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Zuletzt wurde immer wieder die unattraktive Spielweise der Favoritener kritisiert.

Im LAOLA1-Interview geht Sportdirektor Franz Wohlfahrt auf die Vorwürfe ein, erklärt, wann er emotional wird, wieso die Austria ihre Zielsetzung (Platz drei) nicht ändern wird und spricht über seine Kaderpläne.

LAOLA1: Sieben Pflichtspiele in Serie gewonnen. Spitzenreiter der Bundesliga. Mit dieser Zwischenbilanz hat man nicht rechnen können. Was sagen Sie dazu?

Franz Wohlfahrt: Das ist eine absolut positive Situation. Ich weiß nicht, wie viele sich das erwartet bzw. erhofft haben. Deswegen sind wir mit der Ist-Situation natürlich voll zufrieden. Aber es ist eine Ist-Situation. Es liegt noch genug Arbeit vor uns, damit wir am Ende der Saison – und auf das kommt es an – unser Ziel, Platz drei, erreichen.

LAOLA1: Die Vereinsführung und Trainer Thorsten Fink sprechen gebetsmühlenartig von einer Momentaufnahme. Aber ist es nicht eher eine Tendenz, dass mit der Austria heuer zu rechnen ist?

Wohlfahrt: Auch, ja. Die Tendenz geht nach oben. Und spätestens jetzt sollten wir die Gedanken an die letzte Saison beenden. Vergleiche zum letzten Jahr wären nicht mehr richtig. Wir stehen anders da. Das ist klasse. Aber unsere im Sommer angestrebten Ziele bleiben: Wir wollen nächste Saison international dabei sein. Das ist ein Platz unter den ersten Drei oder durch den Cup. Es gibt keine Gründe, warum wir an dieser Zielsetzung etwas verändern sollten. Im Laufe einer Meisterschaft gibt es Höhen und Tiefen. Das zeigen andere Teams. Salzburg war zu Beginn nicht gut und ist jetzt wieder da. Rapid war am Anfang sensationell, zum Schluss etwas im Tal. So etwas kann immer passieren, auch bei uns. Doch auch wenn einmal eine Niederlage kommen wird, werden wir das überleben. Das Selbstvertrauen ist aufgrund der letzten Spiele stark gestiegen.

LAOLA1: Salzburg-Kapitän Jonatan Soriano rechnet stark mit der Austria im Titelkampf. Rechnet ihr insgeheim auch damit?

Wohlfahrt: Wir spielen nicht um den Titel – sondern um einen Platz in den ersten Drei. Wir kennen die Kaderqualität und die Möglichkeiten von Red Bull. Die sind größer als unsere. Sie können jederzeit reagieren und etwa im Winter am Transfermarkt zuschlagen. Das können wir nicht, das lässt unser geplantes  Budget nicht zu. Daher wird sich in der kommenden Übertrittsphase bei uns nichts tun, außer wir verkaufen jemanden.

LAOLA1: Kevin Friesenbichler meinte vor einigen Wochen, dass er mit der Austria heuer Meister werden will, weil das Potenzial dafür durchaus vorhanden wäre. Das ist doch die richtige Einstellung, denn als Sportler will man doch immer gewinnen.

Wohlfahrt: Das stimmt schon. Ich habe das sowohl in meinen jungen Jahren als Spieler, aber auch als Älterer gesagt. Ich wollte immer das Höchstmögliche erreichen. Das ist eben die Meisterschaft. Wenn das also ein Spieler sagt, ist das okay, aber wir als Vereinsführung müssen da vorsichtiger sein. Das Ziel ist immer der Sieg. Aber bei solchen rigorosen Aussagen kann das im Nachhinein gegen einen verwendet werden. Deswegen sind wir vorsichtiger. Ich habe keine Angst, angreifbar zu sein, das gehört ja auch dazu. Aber die Gedanken und Visionen, die ich in mir trage, müssen nicht immer nach außen gehen.

LAOLA1: Apropos angreifbar. In den letzten Wochen gab es immer wieder Kritik an der teilweise zu unattraktiven Spielweise der Austria. Waren diese Vorwürfe ungerechtfertigt?

Wohlfahrt: Zuerst muss man darauf achten, von wem und von wie vielen Menschen diese Kritik gekommen ist. Es wird immer eine Anzahl von Leuten geben, die nicht zufrieden sind. Das respektieren wir auch. Wir können uns aber nicht von unserem Weg abbringen lassen, nur weil der eine oder andere nicht zufrieden ist. Wir haben ja viele Menschen, die positiv sind, die mit uns den Weg gehen. Das ist viel wichtiger.

LAOLA1: Bayern-Vorstand Matthias Sammer sagte vor kurzem: „Kritik ist das größte Kompliment. Wenn du Kulturen veränderst, werden nicht alle Halleluja schreien.“ Sehen Sie das ähnlich?

Wohlfahrt: Ich wünsche mir schon, dass alle mit unserer Arbeit zufrieden sind. Und ich weiß, dass dieser Wunsch wohl niemals in Erfüllung gehen wird. Wir haben die letzten zehn Monate daran gearbeitet, dass die Vergangenheit hinter uns liegt. Wir wollen das auch aus den Gedanken der Fans hinausbringen. Gut, im Frühjahr hat es nicht funktioniert. Doch die Gründe dafür haben schon viel früher angefangen. Wir haben gewusst, dass wir Veränderungen machen müssen – nicht nur punktuell, sondern rigoros. Das haben wir gemacht. Wir haben einen klaren Plan, was Taktik betrifft. Doch wir respektieren auch die Leistung des Gegners. Es ist heutzutage nicht mehr so leicht, dass du jeden totspielst. Im Grödig-Match, als es daheim auch Pfiffe gab, ist der Gegner selbst  bei 0:2 hinten im Block gestanden und konnte oder wollte nichts machen. Bei einer 2:0-Führung den Ball nur nach vorne spielen, weil es ein paar Fans wollen, wäre fatal. Wir brauchen ja auch die Sicherheit für uns, wollen wenige Fehler machen. Wenn also kein Raum vorhanden ist, musst du es abwartender spielen. Aber klar, es gibt immer Verbesserungs-Möglichkeiten. Das ist uns bewusst. Aber zuerst gehört der Erfolg gesichert, dann kann man vielleicht einmal brillieren. Doch da sind wir noch lange nicht. Das sieht doch auch der Lehrplan vor. Ich lehre am Anfang nicht das Spiel, oder die Schnelligkeit. Am Anfang steht: Technik und Sicherheit. Funktioniert das, kann ich den nächsten Schritt machen. Die Mannschaft wurde im Sommer absolut neu zusammengestellt, der Altbestand des Kaders war noch von der abgelaufenen Saison verunsichert. Also haben wir bei Null angefangen. Ich finde, dass so der richtige Weg aussieht. Man kann aber nicht verlangen, dass alle Fans das so sehen. Die wollen einfach sofort ein spektakuläres Spiel sehen. Aber das geht nicht.

LAOLA1: Die Kritik der eigenen Fans ist eine Sache, doch auch medial wurden immer wieder die negativen Dinge herausgepickt, obwohl es Siege am Fließband gab. Haben Sie eine Erklärung für diese eher negative Berichterstattung?

Wohlfahrt: Das liegt in der Natur des Menschen. Im Schnitt interessieren negative Sachen mehr, als die positiven. Ich bin da anders, bin lieber positiv, glücklich und fröhlich, als mich an den Fehlern der anderen zu ergötzen. Doch es kann auch in meiner Position zu Emotionen kommen. Ich bin im Grunde sehr diplomatisch, aber wenn es zu Situationen kommt, die mir gar nicht mehr gefallen, dann positioniere ich mich.

LAOLA1: Wie etwa in Mattersburg, als im Pauseninterview die Leistung von Tormann Osman Hadzikic kritisiert wurde.

Wohlfahrt: Richtig. Da geht es auch nicht um mich, sondern um die Sache an sich. Es braucht Objektivität im Journalismus. Die war in dieser Situation nicht gegeben. Man war auf einen jungen Sportler fokussiert, der sein ganzes Leben der Karriere unterstellt. Der junge Mann geht bei Rot nicht über die Ampel und trainiert wie ein Büffel. Obwohl er sehr traurig war, hat er problemlos akzeptiert, dass wir Österreichs Nationaltormann holen. Er weiß, dass er erst 19 Jahre ist und noch Zeit da ist, zu warten und zu lernen. Dann spielt er, weil Robert (Almer, Anm.) verletzt ist und ein Medium hat nichts anderes zu tun, als nach 45 Minuten eine Analyse über seine Unsicherheiten zu machen. Da frage ich mich, was man sich dabei denkt. Schließlich werden so Meinungen geschürt. Das wirft kein gutes Licht auf den Spieler und das lasse ich nicht kommentarlos zu, weil es nicht objektiv war.

LAOLA1: Grundsätzlich scheint aber Rapid für die östlichen Medien der Liebling zu sein. Der Hype zu Beginn der Meisterschaft war fast so groß, als wäre man schon Meister geworden.

Wohlfahrt: Wir sind froh, dass man jetzt keinen Hype um uns macht. Wir haben zwar derzeit guten Erfolg und stehen gut da, aber es gibt noch viel zu verbessern. Das stimmt mich auch positiv. Wenn wir den Stamm halten können und uns nur punktuell verstärken müssen, glaube ich, dass wir in spätestens eineinhalb Jahren eine ganze starke Mannschaft haben.

LAOLA1: Ihr Vorgänger Thomas Parits hat sich bei Vertragsgesprächen relativ viel Zeit gelassen, erst als das Budget für die nächste Saison feststand, wurde es intensiver. Das war meistens recht spät. Wie ist Ihre Herangehensweise?

Wohlfahrt: Wie Thommy das genau gemacht hat, weiß ich nicht. Ich möchte jedenfalls so früh wie möglich in Gespräche gehen. Wir beobachten auch ständig den Markt, haben für die Saison 2016/17 schon viel im Kopf, wissen, wie die Mannschaft ausschauen soll. Seit Juli wurden 95 Spiel- bzw. Spielerbeobachtungen gemacht. Wir machen unsere Hausaufgaben. Da das Fußballgeschäft sehr schnelllebig ist, musst du flexibel sein.

LAOLA1: Das heißt, mit Alexander Gorgon, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wurde schon gesprochen.

Wohlfahrt: Natürlich. Er ist ein ganz wichtiger Spieler. Wir verstehen seine Wünsche und Visionen. Ich finde es toll, wenn jemand weiter nach oben will. Dennoch wollen wir ihn unbedingt halten.

LAOLA1: Heutzutage wird bei Spielerverpflichtungen immer mehr auf die sozialen Aspekte geachtet. Wie holt man sich darüber bei ausländischen Spielern Infos ein?

Wohlfahrt: Klar haben wir nicht so viele Infos wie über österreichische Akteure, aber noch immer genügend. Speziell was den Lifestyle des Betroffenen betrifft. Selbstverständlich werden die Leistung am Platz, die körperlichen Möglichkeiten, seine Verletzungsliste usw. analysiert, doch die Charaktereigenschaften sind ganz wichtig. Deswegen werden auch die Trainingseinheiten beobachtet. Daher gibt es Faktoren, die entscheidend sind. Bei Lary wusste ich etwa sehr vieles. Der Spieler war bereits während meiner Zeit als ÖFB-Tormanntrainer bekannt. Sein Name tauchte erstmals im Dezember 2013 auf.

LAOLA1: Abschließend noch kurz zu eurem Trainer. Viele Leute meinen: Felix Magath wollen und Thorsten Fink bekommen, sei wie Weihnachten für die Austria gewesen.

Wohlfahrt: Wir haben uns viele Gedanken über den neuen Trainer gemacht und sind viele Namen durchgegangen. Es wurde nichts dem Zufall überlassen. Ich habe in dieser Zeit viele Auto-Kilometer und Flugmeilen gesammelt. Schlussendlich gab es eine Entscheidung. Und die ist gut, sehr gut sogar. Was wäre wenn, kann man jetzt nicht beantworten. Ich bin der Meinung, dass es auch mit der einen oder anderen Lösung gut funktioniert hätte. Aber wir sind alle glücklich über die tolle Arbeit von Thorsten und seinem Team. Dieses Gespann ist auch im sozialen Bereich ganz stark. Und das braucht die Mannschaft.

LAOLA1: Magath erklärte vor ein paar Monaten, dass er sich mit der Austria grundsätzlich einig war, es aber zu viele Einflüsterer im Vorstand gab, weshalb er von einem Engagement Abstand nahm. Stimmt das?

Wohlfahrt: Das weiß ich nicht, ist seine Sicht der Dinge. Die genauen Gründe kann nur er sagen. Wir sind jetzt einfach froh, dass Thorsten unser Trainer ist. Er ist erfolgshungrig, hat viel Erfahrung als Spieler und Trainer, hatte Erfolge als Spieler und Trainer, hat eine hohe soziale Kompetenz und ist ein absoluter Medienprofi. Sein Profil ist ausgezeichnet und er ist dabei bodenständig geblieben.

 

Das Gespräch führte Martin Wechtl