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"Teambuilding findet bei mir auf dem Platz statt"

Thomas von Heesen versteht etwas von seinem Fach. Das beweist er auch in Kapfenberg, wo er über den Winter eine schlagkräftige Truppe formte, die mit dem Sieg bei der Austria ein erstes Ausrufezeichen im Abstiegskampf setzte.

Akribisch bügelt der 50-Jährige momentan Fehler aus, die in der Vergangenheit trotz guter Voraussetzungen in der Obersteiermark gemacht wurden.

„Von der Basis an strategisch aufstellen“ – so lautet die Vision des Deutschen. Diese soll auch ohne Wunschspieler Messi in die Tat umgesetzt werden.

Im großen LAOLA1-Interview verrät von Heesen, warum Teambuilding im Klettergarten für ihn nicht in Frage kommt und Spieler erst im Match begreifen, was sie im Training ankotzt.

LAOLA1: Wie wichtig war der Sieg bei der Austria für die Moral der Mannschaft?

Thomas von Heesen: Es gibt verschiedene Aspekte. Ich glaube, dass es aufgrund der Situation wichtig war, die drei Punkte überhaupt geholt zu haben, da die anderen auch punkten. Es war unglaublich wichtig, dran zu bleiben, obwohl zehn Punkte noch immer hart sind. Auf der anderen Seite weiß die Mannschaft jetzt, wo sie steht. Sie hat das erste Spiel ganz ordentlich absolviert. Aber es sind erst drei Punkte, nicht mehr und nicht weniger.

LAOLA1: Waren Sie davon überzeugt, dass die Mannschaft schon so weit ist?

Von Heesen: Wir haben in der Vorbereitung in dieser Formation sicher gute Spiele abgeliefert. Es passte eigentlich vieles zusammen. Jetzt müssen wir es nur immer bestätigen. Wir haben im Grundsatz eine gute Mannschaft, die charakterlich okay ist und auch marschiert. Wir werden sicher nicht alle Spiele gewinnen, aber wir werden schon auf einem gewissen Niveau spielen und schlussendlich gehört auch Glück dazu, um vernünftige Ergebnisse zu erreichen.

LAOLA1: Inwieweit konnte das Team schon abrufen, was Sie von ihm verlangen?

Von Heesen: Ich glaube, dass der eine oder andere schon überrascht war, wie selbstbewusst die Mannschaft aufgetreten ist. Das ist auch der Kern meiner Aufgabe, Teams mit viel Selbstvertrauen auszustatten, auch mit dem, was sie trainieren. Wir haben Spielzüge oder Abläufe ja hunderttausend Mal wiederholt und Automatismen eingeführt. Auch wenn es die Spieler ankotzt, aber im Spiel hilft es ihnen. Jeder weiß, was er zu tun hat, wo er defensiv zu agieren hat. Wir spielen relativ aggressives Forechecking, das kostet eine Menge Kraft. Es ist wichtig, das immer weiter zu verfeinern und zu intensivieren.

LAOLA1: Man hat den Eindruck, dass Harmonie herrscht. Täuscht das oder konnten Sie tatsächlich so schnell eine Einheit formen?

Von Heesen: Teambuilding findet bei mir auf dem Platz statt und nicht im Klettergarten. Das kann man machen, wenn man nicht weiß, was man inhaltlich arbeiten soll. Nur auf dem Platz kann man die Mannschaft dorthin führen, dass sie sich gegenseitig vertraut. Aber wir haben auch eine Menge falsch gemacht gegen Austria. Mir sind so viele Dinge aufgefallen, die wir korrigieren können.

LAOLA1: Trotzdem war wenig Zeit, um die vielen neuen Spieler zu integrieren.

Von Heesen: Die Spieler verstehen sich auch außerhalb des Platzes sehr gut. Mit neuen Spieler ist es schwierig, jetzt wundern sich alle, wo die her sind. Ich habe jetzt so einen Quatsch gelesen, dass ich aus demselben Management wie alle Spieler sein soll und alle abgehalfterte Ex-Profis und ausgemusterte Talente sind. Ich kenne aber nur einen Berater, ich weiß nicht einmal, ob die anderen Berater haben. Es wird oft etwas hineininterpretiert, was willenlos schlecht ist. Der eine war im Urlaub, zwei andere arbeitslos, die anderen drei hatten keine Verträge, einer hatte die Saison in Lettland beendet. Wenn man im Netzwerk arbeitet, ist es relativ einfach, gute Leute zu bekommen - für kein Geld. Und wenn ich Gerson sehe, wird der in zwei, drei Jahren bei ganz anderen Vereinen spielen. Das ist einer für die deutsche Bundesliga.

LAOLA1: Es handelte sich also bei allen um Wunschspieler?

Von Heesen: Wunschspieler ist Messi, das ist eine andere Geschichte. Das sind Spieler, die aus meiner Sicht perfekt zueinander passen. Individuelle Spieler, die stark sind. Dazu mit Nathan Junior ein Mannschaftsspieler und guter Stürmer. Lovin ist ein Stratege. Es muss im Gemeinschaftsverbund passen. Da haben wir ganz gute Qualität dazugewonnen.

LAOLA1: Gegen die Austria war die halbe Startelf verändert. War der Umschwung nur so möglich?

Von Heesen: Wenn man mit derselben Mannschaft wieder startet, die diese Hinrunde in den Kleidern hat, macht das keinen Sinn. Dann haben wir null Chance. So brauchten wir Spieler, die mit der Situation überhaupt nichts zu tun haben. Wenn ich jetzt mal Gerson, Babangida, Lovin und Nathan nehme: Denen ist vollkommen egal, wer auf der anderen Seite spielt, ob das Rapid oder Austria ist. Die geben Gas, das ist die Mentalität, die die Mannschaft jetzt begriffen hat.

LAOLA1: Kapfenberg ging bis jetzt den jungen Weg mit der Akademie. Welche Rolle spielen für Sie die jungen Talente?

Von Heesen: Das soll sich auch nicht verändern. Mario Grgic ist ja auch dabei, obwohl er, als ich kam, überhaupt keine Rolle gespielt hat. Was ich gar nicht verstehe, denn er ist ein Riesentalent, das spielen und man aufbauen muss. Diese Talente zu erkennen, denke ich, kann ich sehr gut. Das habe ich in Bielefeld oft genug bewiesen. Die Akademie ist hier die Basis des Erfolges für die Zukunft. Nur muss man strukturell inhaltlich von der Basis an arbeiten, alle Teams müssen dieselbe Philosophie spielen, um letztendlich nicht extern Spieler kaufen zu müssen, um so eine Situation wie jetzt zu korrigieren. Das ist eigentlich ur eine Korrektur - nichts anderes - für das, was man vorher falsch gemacht hat.

LAOLA1: Wie haben Sie sich persönlich hier in Kapfenberg eingelebt?

Von Heesen: Ganz gut. Die Leute sind alle super nett, man kann hier in Ruhe arbeiten, unabhängig von der Situation. Keiner wird nervös, ich sowieso nicht. Vielleicht überträgt sich auch meine Art auf das Umfeld, dass es dran glaubt, was wir erarbeiten. Die Mannschaft soll zeigen, wie wir aufgestellt sind. Dann versuchen wir, aus jedem Spiel das Optimale herauszuholen. Ob es klappt, weiß ich auch nicht. Ich bin kein Hellseher. Nur die Art und Weise gefällt vielen sehr gut. Wir glauben dran.

LAOLA1: Können Sie sich vorstellen, über den Sommer hinaus hier zu arbeiten?

Von Heesen: Ja, auf jeden Fall. Wenn es funktioniert, kann man sich in Zukunft mit der Basis der Akademie strategisch aufbauen und bräuchte niemanden verpflichten. Wenn die Basis passt, und ich arbeite gerne mit jungen Spielern zusammen - auch die, die wir geholt haben, sind teilweise noch relativ jung –, dann stimmt die Richtung für mich absolut. Ich mache das gerne.


Das Gespräch führte Alexander Karper