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"Bohrst du in der Nase, steht es in der Zeitung"

Marco Djuricin gehört zu den positivsten Erscheinungen bei Sturm Graz in diesem Kalenderjahr.

Mit bislang sechs Saison-Treffern mischt der 21-Jährige in der Torschützenliste voll im Kampf um den „Vize“ hinter dem mit 14 Toren enteilten Salzburger Jonatan Soriano mit.

Restlos zufrieden mit seiner bisherigen Ausbeute ist der gebürtige Wiener jedoch nicht. „Am liebsten hätte ich schon 20 Tore“, schmunzelt er im LAOLA1-Interview.

Zudem spricht Djuricin über die Maßnahmen von Franco Foda in der Länderspielpause und erklärt, warum der Trainer-Rückkehrer auch nur ein Mensch ist. Beschwerden über medialen Gegenwind in Graz findet er verglichen mit der Situation bei Ex-Arbeitgeber Hertha BSC Berlin „lustig“.

LAOLA1: Durch die Länderspielpause hatte Franco Foda zwei Wochen lang Zeit, mit euch zu arbeiten. Wie sehr wird sich seine Arbeit bereits in Wiener Neustadt bemerkbar machen?

Marco Djuricin: Ich hoffe, wir können zeigen, was wir trainiert haben. Wir haben gut gearbeitet, vieles ausprobiert. Wir wollen es natürlich schon am Sonntag umsetzen. Schauen wir, ob es gleich funktioniert.

LAOLA1: Worauf hat er besonderen Wert gelegt?

Djuricin: Auf jeden Fall auf das schnelle Umschaltspiel. Das ist die deutsche Schule. In Deutschland haben wir das auch immer so gemacht. Dazu hatten wir viele Passübungen, die wir früher nicht so oft gemacht haben. Das ist auch wichtig. Aber generell geht es darum, öfter nach vorne zu spielen.

LAOLA1: Aus Stürmer-Sicht hört es sich vermutlich gut an, wenn öfter nach vorne gespielt werden soll.

Djuricin: Sicher, für mich ist das super. Schon gegen Grödig habe ich viele Bälle bekommen. Jetzt müssen wir schauen, dass wir das gegen Wiener Neustadt auch schaffen. Gegen die tun wir uns immer schwer, weil sie sich meistens hinten reinstellen und super kontern können.

LAOLA1: Gegen Grödig hattest du zehn Torschüsse - ein hoher Wert. Hat sich in diesem Spiel schon angedeutet, in welche Richtung es gehen könnte?

Djuricin: Sicher ist es cool, dass ich so viele Torschüsse hatte, aber auf der anderen Seite auch blöd, weil ich nur ein Tor gemacht habe. Aber im Endeffekt haben wir gewonnen, das war das Wichtigste. Dass ich bei meinen Chancen manchmal konzentrierter sein und sie besser verwerten muss, weiß ich selber auch.

LAOLA1: Da klingt trotz guter Form Unzufriedenheit über die Trefferquote durch.

Djuricin: Ich bin schon zufrieden, aber man kann immer mehr machen. Ich könnte schon zwei, drei Tore mehr haben, und das ist schon schade. Aber gut, man kann nicht alles haben… (schmunzelt)

"Baby-Bomber" Djuricin hatte bei Hertha BSC einige Lehrmeister

LAOLA1: In welchen Bereichen musst du dich noch am meisten verbessern?

Djuricin: Vor dem Tor vielleicht einmal einen Haken machen, was ich ja eigentlich auch kann, oder vielleicht auch einmal länger warten. Das Kopfball-Spiel, mein linker Fuß - also es gibt immer genug zu verbessern. Das probiere ich auch immer. Ich bin im Saisonverlauf auch schon besser geworden, aber natürlich geht noch viel mehr. Damit ist man nie fertig.

LAOLA1: Im Frühjahr hattest du Robert Beric neben dir, jetzt agierst du als Solo-Spitze. Was hat sich für dich geändert?

Djuricin: Natürlich muss man als Einzelspitze ein bisschen mehr laufen, dafür ist dahinter kein Loch mehr im Mittelfeld, was wir letzte Saison oft hatten, wenn wir mit zwei Spitzen gespielt haben. Da waren dann die Stürmer schuld. Das ist jetzt besser.

LAOLA1: Mit Marko Stankovic, Daniel Beichler und Thorsten Schick in der Reihe hinter dir scheint sich ohnehin ein gutes Offensiv-Quartett zu entwickeln, oder?

Djuricin: Es war sehr wichtig, dass wir Thorsten Schick und Marko Stankovic dazubekommen haben. Die beiden haben Erfahrung und wissen einfach in gewissen Situationen, wie sie sich verhalten. Das ist gut für eine junge Mannschaft. Bis jetzt hat es gut geklappt, aber wir wissen alle, dass wir noch mehr Potenzial haben und dieses öfter abrufen müssen.

LAOLA1: Ist das die ehrgeizige Denkweise, die man als Stürmer haben muss?

Djuricin: Ich denke schon. Am liebsten hätte ich schon 20 Tore. Aber das ist nicht so einfach. Ich will immer das Beste herausholen und schauen, dass ich viele Tore mache. Bis jetzt sind es eben erst sechs. Aber die Saison dauert ja noch lange.

LAOLA1: Auf das Kalenderjahr gerechnet, hast du in der Bundesliga zwölf Mal getroffen. Du bist vom Verletzungspech verschont geblieben, es ist Stabilität reingekommen. Inwiefern ist 2014 für dich also positiv zu bewerten?

Djuricin: Das war ja mein Ziel, als ich nach Österreich gekommen bin, dass ich den Leuten, von denen mich die meisten noch nicht kannten, zeige, dass ich auch Fußball spielen kann. Das Wichtigste war, dass ich jetzt einmal fit geblieben bin und fast ein Jahr durchspielen konnte. Dass ich viel gespielt habe, hat mir gut getan. Dadurch kriegt man mehr Erfahrung. Ich bin zwar schon lange dabei, aber mit 21 noch immer jung. Ich bin Sturm Graz sehr dankbar, dass sie mir die Chance gegeben haben.

LAOLA1: Braucht man heutzutage als Stürmer mehr Erfahrung als auf anderen Positionen, um auf ein gewisses Level zu kommen?

Djuricin: Die Laufwege sind meistens nicht so schwer, die hat man als Stürmer einfach drinnen. Aber vor dem Tor sind die Situationen eben immer wieder verschieden. Da muss man abgezockt sein, und ich glaube, das kommt mit der Erfahrung. Man muss nur die Top-Stürmer anschauen: Die haben nur eine Chance, manchmal sogar nur eine halbe, und das ist dann ein Tor. Das ist in der Champions League schon cool anzusehen. Das will natürlich jeder Stürmer schaffen.

Früher oder später ein Fall fürs A-Team?

LAOLA1: Er selbst meint, dass man die heutige Generation anders abholen muss. Du gehörst selbst zur jungen Generation. Wie wichtig ist, dass zum Beispiel Spaß mit im Spiel ist?

Djuricin: Ich kann nur für mich sprechen. Das Wichtigste ist, dass der Trainer mit mir redet und mir Vertrauen schenkt. Dann spielt man natürlich besser. Aber das ist bei jedem anders. Man muss aber schon gut miteinander zurechtkommen, denn man ist jeden Tag mit der Mannschaft zusammen, da braucht man ein gutes Verhältnis. Bis jetzt hat es super gepasst und ich denke, das wird weiter so sein.

LAOLA1: Du bist zwar erst 21, aber die Liste deiner ehemaligen Trainer ist schon eine relativ lange. Da sind vom jungen Coach wie Markus Babbel bis zum alten Schlag wie Otto Rehhagel viele dabei. Wie schwierig ist es, sich immer wieder auf Neues einzustellen, wenn man eine derartige Bandbreite erlebt?

Djuricin: Damals habe ich wahrscheinlich eine schlechte Phase bei Hertha BSC Berlin erwischt. Es ging auf und ab, da hat es natürlich viele Trainer-Wechsel gegeben. Als ich zu Sturm gekommen bin, wollte man mit einem Trainer für drei Jahre zusammenarbeiten. Dass Darko Milanic dann ein Angebot bekommt, passiert so im Fußball. Aber mit Herrn Foda ist jetzt wieder ein Trainer hier, der lange bleiben will, und das ist gut so. Denn bei Hertha waren die vielen Wechsel für mich nicht so gut. Dafür habe ich lustige Sachen erlebt, unter einer Trainer-Legende wie Otto Rehhagel gearbeitet. Da habe ich wenigstens etwas zu erzählen… (lacht) Dass man ihn noch erlebt hat, war schon super. Davon werde ich noch meinen Kindern erzählen können, dass er mit Griechenland Europameister wurde. Das wird keiner mehr schaffen.

LAOLA1: Von welchem deiner Trainer im Ausland hast du am meisten mitgenommen?

Djuricin: Mitnehmen kann man von jedem Trainer etwas. Unter Herrn Babbel durfte ich das erste Mal in der 2. Deutschen Bundesliga spielen, unter Herrn Skibbe das erste Mal  in der 1. Bundesliga. Herr Luhukay war auch gut, obwohl ich ihn nur sechs Wochen hatte. Am meisten geholfen hat mir, denke ich, mein Jugendtrainer Thomas Krücken. Den kennen nicht viele, aber wegen ihm bin ich der, der ich jetzt bin.

LAOLA1: Es heißt immer, dass das Umfeld bei Sturm so schwierig sei. Inwiefern lächelt man müde über das, was in Graz abgeht, wenn man in einer Medienstadt wie Berlin gelebt hat?

Djuricin (schmunzelt): Wenn ich ehrlich bin, finde ich es lustig, wenn es immer heißt, in Graz sind so viele Medien. Von dem her ist es gut, dass ich in Berlin groß geworden bin. Denn das ist nicht normal, das kann man nicht vergleichen. Wenn du dort in der Nase gebohrt hast, ist das auch in der Zeitung gestanden. Da ist Graz mit den fünf, sechs Leuten, die hier sind, wirklich klein für mich. Aber okay, es ist für jeden Typen etwas anderes.

LAOLA1: Sturm hat in dieser Saison nach einem Sieg noch nie einen zweiten nachlegen können. In Wiener Neustadt bietet sich nun wieder diese Chance. Woran liegt es, dass der Knopf bislang nicht so richtig aufging? Man hat den Eindruck, die Mannschaft will, versteht sich gut, aber irgendwas hat euch immer blockiert…

Djuricin: Seit ich bei Sturm bin, haben wir uns immer schwer getan, eine kleine Serie zu starten. Oder wir gewinnen und dann kommt die Länderspiel-Pause. Ich weiß nicht, es ist schwierig zu sagen, woran das liegt. Aber in dieser Liga kann bis auf Salzburg, die in einer eigenen Liga sind, fast jeder gegen jeden gewinnen. Deswegen tun wir uns, glaube ich, so schwer. Gegen Wiener Neustadt sowieso. Aber ich bin zuversichtlich, weil wir bis jetzt auswärts eigentlich immer gut gespielt haben.

LAOLA1: Ist Franco Foda der Trainer-Typ, der euch die fehlende Konstanz einimpfen kann? In seiner letzten Ära bei Sturm ist er dafür gestanden.

Djuricin: Auf jeden Fall. Er sagt uns viele Sachen, die wir verbessern können und meint, dass wir konstanter spielen müssen. Das wollen wir unter dem neuen Trainer unbedingt schaffen. Wenn es immer auf und ab geht, ist es nicht schön, man will erfolgreich sein. Das sollte Sturm Graz auch sein, also hoffe ich, dass wir das mit Herrn Foda zurückbekommen.

LAOLA1: Foda selbst betont, dass er sich geändert hat. Du trainierst erstmals unter ihm. Was berichten die Mitspieler, die früher schon unter ihm tätig waren, diesbezüglich?

Djuricin: Nicht viel, sie haben nur gesagt, dass er ruhiger geworden ist und sind ein bisschen erstaunt, dass er so gelassen ist. Aber okay, die Menschen entwickeln sich weiter, lernen immer dazu. So wird es Herr Foda auch gemacht haben, er ist ja auch nur ein Mensch. Die Pause hat ihm wahrscheinlich gut getan, er konnte in dieser Zeit viel sehen. So ist es bei jedem Menschen: Wenn man vielleicht früher ein bisschen anders war und sich denkt, dass das nicht so gut war, ändert man sich halt. Aber so viele Spieler, die darüber berichten könnten, sind ohnehin nicht mehr hier… (lacht)

LAOLA1: Bei Sturm bleibt bei medialem Gegenwind nicht immer jeder ruhig. Wenn man schwierige Situationen im Ausland miterlebt hat, ist es so gesehen vermutlich kein Nachteil, oder?

Djuricin: Auf jeden Fall. Ich bin mit 19 abgestiegen. Was da in Berlin los war, ich glaube, das kann sich in Österreich gar keiner vorstellen. Die Medien haben uns zerrissen. Ich war zwar nur ein kleiner Teil der Mannschaft, war aber immer mit dabei. Ich will gar nicht wissen, wie sich die Stammspieler gefühlt haben. In Graz ist es, wenn du zwei, drei Spiele verlierst, für mich gar nichts im Vergleich. Es ist gut, dass man das erlebt hat. In Berlin gibt es 13 oder 14 Tageszeitungen. Das ist eine andere Welt.

LAOLA1: Schätzungsweise willst du diesen Trubel wieder erleben. Sprich, das Ausland hat weiter eine hohe Priorität in deiner Karriere, oder?

Djuricin: Sicher, jeder Spieler will ins Ausland. Aber mein Ziel war, dass ich jetzt einmal in Österreich meine Leistungen bringe und die Leute mich sehen können. Sicher will man sich immer weiterentwickeln – wo das sein wird, wird man sehen. Jetzt bin ich jedoch froh, dass ich mich bei Sturm Graz in die Auslage spielen kann.

LAOLA1: Das Ausland würde vermutlich auch in punkto Nationalteam helfen. Im ÖFB-Team wurde zuletzt immer wieder die Stürmer-Frage diskutiert. Wo siehst du dich diesbezüglich im Ranking der österreichischen Angreifer?

Djuricin: Sind wir einmal froh, dass Österreich zwei Mal gewonnen hat. Das war super! Bis jetzt hat Marcel Koller alles richtig gemacht. Mich freut es für Rubin Okotie, dass er getroffen hat, er hat einen super Lauf. Was mich betrifft, wird man sehen. Ich muss meine Leistungen bringen, vielleicht bin ich dann einmal dabei.

Das Gespräch führte Peter Altmann