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"Fernweh ist keines da!"

Fränky Schiemer ist ein richtiger Vorzeigeprofi.

Bereits zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit trifft er zum Interview-Termin ein.

Und das trotz leichtem Fieber.

Aber "schonen" kommt im Wortschatz des 26-Jährigen einfach nicht vor.

Schiemer beißt - so lange es eben geht - durch. Auch am Spielfeld.

Darum schätzen ihn seine Trainer so sehr, darum hat er sich bislang noch überall durchgesetzt.

Vor dem möglichen Meisterstück gegen Kapfenberg spricht Salzburgs Defensiv-Allrounder aber nicht nur über seine Vorzüge, sondern auch über die Probleme in der Mannschaft, Reizfigur Maierhofer und fehlendes Fernweh.

LAOLA1: Fränky, darf man euch schon zum Meistertitel gratulieren?

Franz Schiemer (schmunzelt): Naja, so weit ist es noch nicht. Aber nach dem 1:0-Sieg bei Rapid schaut es nun schon sehr gut aus. Das dürfen wir uns nicht mehr nehmen lassen.

LAOLA1: Zumal das Restprogramm mit Kapfenberg, Wr. Neustadt und Admira nicht das schwerste ist...

Schiemer: So ist es. Wir müssen einfach noch vier Punkte holen, dann brauchen wir auch nicht mehr auf Rapid schauen. Wir haben alles in eigener Hand und noch dazu zwei Heimspiele.

LAOLA1: Das Spiel gegen Rapid hat sehr hohe Wellen geschlagen. War dieses Spiel etwas über dem normalen emotionellen Level?

Schiemer: Ja, es war schon an der Grenze. Es waren einige Aktionen dabei – unter anderem der Ellbogencheck von Maierhofer -, die nicht in Ordnung waren. Leonardo wurde 90 Minuten lang nur provoziert, das hat keiner gesehen. In so einem Spiel wird alles hervorgeholt, was einen Vorteil verschaffen kann.

LAOLA1: Über Maierhofer wird auch Tage danach noch diskutiert. Kann man den „Langen“ nur lieben oder hassen?

Schiemer: Wahrscheinlich. Er ist ein Typ, der sehr gerne besondere Dinge macht. Für uns ist er wichtig, weil er sich immer voll reinhaut und auch die entscheidenden Tore macht.

LAOLA1: Braucht man nicht genau so einen Typen wie Maierhofer in der Mannschaft?

Schiemer: In den letzten Jahren waren wir sicher etwas zu brav. Alex Walke (Salzburg-Goalie, Anm.) hat es vor einigen Wochen richtig gesagt: Jede Mannschaft braucht zwei, drei Arschlöcher in der Mannschaft. Ich will nicht sagen, dass Maierhofer ein Arschloch ist, aber er ist am Platz immer giftig.

Schiemer im Gespräch mit LAOLA1-Redakteur Kurt Vierthaler
LAOLA1: Rapid-Coach Peter Schöttel hat gemeint, dass ihr die beste Mannschaft Österreichs seid, wenn ihr denn Lust dazu habt. Ist dieser Eindruck nicht bedenklich?

Schiemer: Er hat schon Recht damit, dass wir den besten Kader haben. Aber du musst es als Mannschaft auch einmal bringen. Das ist uns zu selten gelungen. Jetzt, wo es um die Preise geht, zeigen wir endlich, was in der Mannschaft steckt.

LAOLA1: Gibt es für dich in dieser Saison einen Knackpunkt?

Schiemer: Ich könnte wirklich keinen nennen. In so einer langen Saison gibt es immer wieder Spiele, wo man nicht 100 Prozent Leistung abrufen kann. Man hat in der Europa League gesehen, was bei uns eigentlich möglich wäre. Das war zwar nicht optimal, aber mental ist es nicht einfach, wenn du zuerst gegen Paris spielst und dann am Wochenende gegen Kapfenberg. Dieses Phänomen gibt es aber bei anderen Mannschaften auch.

LAOLA1: Seid ihr als Team im Laufe der Saison richtig zusammen gewachsen?

Schiemer: Auf alle Fälle. Gerade in der Zeit, wo es nicht gelaufen ist, haben wir uns intern oft zusammen gesetzt und Dinge besprochen, die man besser machen muss. Ich denke, wir haben die Krise gut bewältigt.

LAOLA1: Jedes Jahr herrscht in Salzburg ein reges Kommen und Gehen. Derzeit stehen 17 Legionäre im Kader. Kann da einfach auch keine richtige Gemeinschaft entstehen?

Schiemer: Doch. Wir haben auch total gute Typen im Kader. Keiner ist unangenehm. Es liegt nicht daran, dass wir uns nicht mögen. Aber bei so vielen Legionären besteht immer die Gefahr, dass es am Platz Kommunikationsprobleme gibt. Und für eine Mannschaft ist es auch nicht optimal, wenn jedes Jahr zehn neue Spieler kommen.

LAOLA1: Es soll ja künftig das 8-8-8-Modell geben. Ist das für dich ein erfolgversprechendes Modell?

Schiemer: Es hört sich jedenfalls gut an. Wir haben schon einen sehr guten Kader und sollten diese Mannschaft auch so beibehalten. Punktuell wird man sich natürlich verstärken. Was aber in der Zukunft passiert, ist zum Glück nicht mein Bier – darum kümmern sich andere (lacht).

LAOLA1: Du wirst aber ein Teil davon sein, da du bis 2015 verlängert hast. Wieso so lang?

Schiemer: Weil ich mich in Salzburg sehr wohl fühle. Ich habe nicht weit zur Familie heim und sportlich gibt es auch genug Reize. Ich will nur noch wechseln, wenn alles passen würde. Der Verein und das Umfeld müssen zu 100 Prozent stimmen. In Österreich ist Red Bull Salzburg die beste Adresse, dazu ist noch Potenzial nach oben da. Vielleicht können wir eines Tages in die Champions League einziehen.

LAOLA1: Fernweh verspürst du nicht?

Schiemer (schmunzelt): Nein, Fernweh ist keines da.

LAOLA1: Keine Lust aufs Ausland?

Schiemer: Ich bin sehr zufrieden, wie meine Karriere bislang verlaufen ist. Der Schritt ins Ausland muss nicht um jeden Preis gelingen, wobei ich das Thema nicht abschreiben will.

LAOLA1: 2015 bist du dann 29. Für eine Topliga könnte es dann fast schon zu spät sein...

Schiemer: Es ist ja heutzutage auch so, dass Verträge nicht immer eingehalten werden. Wenn mich ein Verein wirklich haben will, dann muss er eben Ablöse zahlen.

LAOLA1: Du warst in den vergangenen zwölf Monaten häufig verletzt. Muskelfasereinriss, Rückenprobleme, Zerrung im Oberschenkel- und im Gesäßmuskel, Mittelfußprellung und Muskelfaserriss im Adduktorenbereich. Alles Zufall oder hat jede Verletzung einen Hintergrund?

Schiemer: Ja, schon. Ich habe in meiner ersten Salzburg-Saison Raubbau an meinem Körper betrieben. Ich hatte durch Europa League, Meisterschaft und Nationalteam innerhalb kürzester Zeit so viele Spiele, dass ich mich nur mehr durchkämpfen konnte. Der Körper hat sich dann selbst eine Pause verordnet. Ich bin jetzt noch in der Aufbauphase, weil immer wieder Kleinigkeiten dazugekommen sind.

LAOLA1: Sind die Verschleißerscheinungen auch deinem Spiel geschuldet? Übertrieben formuliert, hast du fast gleich viele Spiele mit Turban wie ohne absolviert.

Schiemer: Mein Credo ist einfach, dass man sich 90 Minuten voll reinhauen muss. Gewisse Verletzungen muss man da als Fußballer in Kauf nehmen.

LAOLA1: Solltet ihr heuer das Double holen, wäre es dein sechster Titel in Österreich. Bist du stolz auf so eine Bilanz?

Schiemer: Ja, schon. Es ist immer ein tolles Gefühl, Titel zu sammeln. Aus diesem Grund wirst du Fußballer. Bei jedem Titel hast du viele schöne Erlebnisse, die du für die Karriere mitnehmen kannst. Ich hoffe, dass noch einige dazukommen.

LAOLA1: Macht es dich auch stolz, dass du dich allen Erwartungen zum Trotz immer durchgesetzt hast? Egal auf welcher Position.

Schiemer: Das ist natürlich schön für mich. Aber ich habe bei einem Vereinswechsel nie geschaut, wer Trainer wird. Du kannst dich sowieso nicht darauf verlassen, dass der Trainer auf dich steht. Du musst immer Leistung bringen. Ich glaube, dass ich fast immer alles abrufen kann und das scheint den Trainern zu gefallen.

LAOLA1: Euer aktueller Trainer ist trotz des möglichen Doubles nicht unumstritten. Verstehst du die Kritik an Ricardo Moniz?

Schiemer: In der ersten Meisterschaftshälfte hat nicht alles so funktioniert, wie es sollte. Darum ist Kritik aufgekommen. Das geht bei uns immer sehr schnell. Momentan muss man nicht über den Trainer diskutieren. Wir spielen derzeit sehr konstant und könnten mit dem Double alle Kritiker verstummen lassen.

LAOLA1: Immer wieder kursieren Namen, die Moniz möglicherweise ablösen könnten. Beschäftigt das die Mannschaft?

Schiemer: Das muss man einfach wegblenden. Es wird ja bei uns nicht nur der Trainer kritisiert, auch wir Spielen bekommen schnell unser Fett ab, wenn es einmal nicht so läuft. Mit dem musst du als Profi einfach umgehen können. Der Trainer zeigt, wie man es macht.

LAOLA1: Gibt es für deinen Geschmack in Salzburg zu viel Schwarz-Weiß-Denken?

Schiemer: Nicht nur in Salzburg. Mir kommt vor, dass das ein österreichisches Phänomen ist. Im Nationalteam ist es ja ähnlich. Aber in diesem Geschäft ist das normal. Außerdem werden wir sehr gut bezahlt, dass wir in der Öffentlichkeit stehen.

Das Interview führte Kurt Vierthaler