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"Dankbarkeit bringt nichts, es muss weiter gehen!"

Der Montag stand in Graz und Ried ganz im Zeichen der Dankbarkeit.

In der Steiermark dankten sie Franco Foda für 15 Jahre in Diensten von Sturm Graz, im Innviertel verabschiedete man Paul Gludovatz nach dreieinhalb erfolgreichen Jahren.

„Die Gludovatz-Ära war die erfolgreichste in der Geschichte unseres Vereins“, jubilierte Ried-Präsident Johann Willminger nach der einvernehmlichen Trennung vom Burgenländer.

Dem fiel die Entscheidung, den Trainer-Job an den Nagel zu hängen und beim SK Sturm als neuer Geschäftsführer Sport zu beginnen, „alles andere als leicht“, aber die Herausforderung war zu groß. „Ich wollte diese Chance in Graz unbedingt nutzen“, so Gludovatz.

Blick zurück, Blick in die Zukunft

Für SVR-Manager Stefan Reiter war die Überraschung keine große, er hatte bereits in den letzten Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass das Dienstverhältnis enden wollend ist.

Im großen LAOLA1-Interview blickt Reiter noch einmal zurück, auf die letzten Tage und auch auf dreieinhalb Jahre mit Paul Gludovatz.

Außerdem spricht er über die Suche nach einem Nachfolger, den Neuanfang als Triebfeder und er erklärt, warum der Unterschied zwischen Ried und Real, gemeint ist Madrid, kein großer ist.


LAOLA1:
Sie hatten kurz nach der Pressekonferenz des SK Sturm, bei dem Paul Gludovatz als neuer Geschäftsführer Sport präsentiert wurde, ein letztes klärendes Gespräch mit ihm. Wie ist das verlaufen?

Stefan Reiter: Unsere Zusammenarbeit war immer geprägt von Fairness, gegenseitigem Respekt und Offenheit. So verlief auch das Gespräch, in dem wir uns auf eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit 1. April geeinigt haben.

LAOLA1: Einvernehmlich, demnach gibt es auch keine Ablöse von Sturm Graz?

Reiter: Der Paul hatte bei uns einen unbefristeten Dienstvertrag. Das heißt, er kann zum Monats-15. und zum Monatsletzten jederzeit kündigen. Wir haben uns angeschaut, wie viel Resturlaub er hat, haben alles besprochen und uns dann auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung geeinigt. Die ist immer die beste Lösung.

LAOLA1: Sie haben in einem TV-Interview am Sonntag gesagt, dass Gludovatz sich mit 65 Jahren selbst aussuchen kann, was er macht, haben aber gleichzeitig auch von Perspektiven gesprochen, die er braucht. Konnten Sie ihm die nicht mehr bieten, oder warum der Job-Wechsel?

Reiter: Es ging nicht um die Perspektive in Ried, sondern um die neue Aufgabe in Graz. Wir hätten dieses Gespräch über die weitere Zusammenarbeit und seine Zukunft in Ried sowieso geführt. Denn ich habe schon in unseren letzten Gesprächen seit dem Winter gemerkt, dass er nicht mehr so Richtung Trainer tendiert.

LAOLA1: Weil?

Reiter: Mein Eindruck war, dass ihm die tägliche Arbeit am Trainingsplatz, die ja auch körperliche Arbeit voraussetzt, etwas zu viel geworden ist. Aber nichtsdestotrotz hat er die SV Ried gelebt. Paul war ja nicht nur Cheftrainer der ersten Mannschaft, er hat in allen Bereichen bis hin zum Nachwuchs sowohl sportlich als auch als Werbeträger immer mitgeholfen.

LAOLA1: Auch der neue Trainer sollte natürlich eine Identifikationsfigur sein. Es werden viele Namen …

Reiter: Also da möchte ich einmal eines sagen!

LAOLA1: … Namen gehandelt, zum Beispiel Neustadt-Trainer Peter Stöger, den Sie sehr schätzen sollen?

Reiter: Ich beteilige mich nicht an diesem ewigen Spiel, wo dann hinten nach einer aufschreit: Ich war der Erste, der das geschrieben hat. Deshalb wird es von mir weder positiv noch negativ irgendeinen Kommentar zu irgendeinem Namen geben. Nur so viel: Es gibt mehrere Trainer, die ich schätze!

LAOLA1: Aber man kann doch davon ausgehen, dass ein erfahrener Manager, wie Sie einer sind, einen Plan B in der Tasche hat?

Reiter: Jetzt, da die Sache Gludovatz mit Punkt und Beistrich erledigt ist, mache ich mir Gedanken über mögliche Nachfolger. Unser Vorteil ist, dass wir mit Gerhard Schweitzer und Michael Angerschmid zwei hochqualifizierte Trainer in Ried haben, die ja schon jetzt die Arbeit gemacht haben. Speziell in der letzten Zeit, zum Beispiel als der Paul krank war, zu einhundert Prozent. Das ist also die perfekte Lösung bis zum Saisonende. Daher ist es nicht notwendig, dass wir morgen einen neuen Trainer präsentieren.

LAOLA1: Mit Paul Gludovatz sind Sie auf den ersten Blick ein Wagnis eingegangen, war es doch sein erster Trainerjob im Profi-Fußball. Heute, dreieinhalb Jahre und einen Cup-Sieg später, kann man das Experiment als geglückt bezeichnen?

Reiter: Ach, mit diesen kritischen Stimmen ist es doch immer so, dass die aus der Ferne urteilen. Für uns war die Konzeption das Entscheidende und die Systematik, die wir in Ried auf den verschiedensten Ebenen haben, sehr wichtig. Wir waren überzeugt, dass sich das Zusammenspiel von Gludovatz und Schweitzer perfekt ergänzen wird. So gesehen war das damalige Risiko für uns Insider nie zu hoch, aber dass es so erfolgreich wird, damit konnten wir auch nicht rechnen. Aber wir sind sehr dankbar und stolz!

LAOLA1: Dankbarkeit ist ein Wert, der im heutigen Fußball nicht unbedingt gängig ist. Weil wen interessieren schon die Erfolge von gestern oder gar vorgestern?

Reiter: Das ist natürlich traurig. Aber zu viel Dankbarkeit bringt auch nichts, denn es muss immer weitergehen. Auch wenn man erfolgreich war, Meister oder Cup-Sieger geworden ist, es zählt immer nur der Tag X, das Heute. Fußball ist Tagesgeschäft, man lebt nicht von Erinnerungen oder vergangenen Erfolgen, sondern ist immer Getriebener. Weil es muss ja weitergehen …

LAOLA1: Sie müssen jetzt wieder einen neuen Trainer suchen, Dinge verändern. Täuscht der Eindruck, oder treibt Sie das auch an, wieder etwas Neues zu probieren?

Reiter: Natürlich sind Veränderungen auch eine Motivation. Es ist doch nirgendwo so, dass ein Spieler oder Trainer 30 Jahre beim Verein bleibt. Das sind immer wiederkehrende Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Diese Suche nach der perfekten Lösung macht für mich den Reiz meiner Arbeit aus. Aber was für mich dabei ganz wichtig ist: Entscheide nie emotional, sondern immer rational.

LAOLA1: Aber der Fußball lebt doch auch von Emotionen?

Reiter: Die kann ich mir nicht leisten, das geht in meinem Job nicht. Natürlich bin ich auch emotional, aber in der Tagesarbeit und wenn Entscheidungen zu treffen sind, kann ich mich nicht von Emotionen leiten lassen. Da muss man rational denken. Ich bin Angestellter der SV Ried und muss nach bestem Wissen und Gewissen für den Verein handeln.

LAOLA1: Sie sagen kein Spieler und kein Trainer ist 30 Jahre bei einem Verein. Der Manager Stefan Reiter ist mittlerweile 20 Jahre in Ried, werden es vielleicht 30?

Reiter: Sicher, ich muss ja noch 15 Jahre arbeiten.

LAOLA1: Aber Sie hätten ja auch Geschäftsführer Sport beim SK Sturm Graz werden können?

Reiter (lacht): Vielleicht, wer weiß …! Nein, die Frage stellt sich nicht, auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder Angebote gab.

LAOLA1: Würde es Sie nicht reizen, das Dorf hinter sich zu lassen und es bei einem Großklub zu probieren?

Reiter: Die Arbeit und die Funktion bleibt fast die gleiche, egal ob ich in Ried oder bei Real Madrid arbeite. Nur die Dimension ist natürlich eine ganz andere. Was ich schon sagen muss: Ich habe einen Arbeitsstil, den ich nicht verändern würde. Und das ist in Ried möglich.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Stephan Schwabl