news

"Könnten in der Premier League einiges bewirken"

Hoch über der Insel.

Am Weg nach Glasgow gab Ralf Rangnick, der Sportdirektor von Salzburg und Leipzig, LAOLA1 im Flugzeug ein Interview und sprach über englischen, deutschen und österreichischen Fußball so wie über die nahe Zukunft der heimischen „Bullen“.

Der 56-Jährige, der sich früher an Vertretern der ballorientierten Raumdeckung wie Arrigo Sacchi oder Valeriy Lobanovskiy orientierte, studierte in Großbritannien.

Just über der Insel startete das Gespräch.

LAOLA1: Wir fliegen gerade über England, dem Mutterland des Fußballs. Dort haben Sie als Student ein Jahr verbracht. Gibt es eine besondere Verbundenheit?

Ralf Rangnick: Ich habe Englisch und Sport auf Lehramt studiert und im Zuge dessen ein Jahr in England verbracht. Das war in den Achtzigern in Brighton und dementsprechend lange her. Aber es stimmt schon, deswegen gibt es eine enge Beziehung zu diesem Land.

LAOLA1: Ihre Philosophie ist offendkundig eine andere, ist dennoch die Liebe zum englischen Fußball vorhanden?

Rangnick: Liebe würde ich nicht sagen, aber es ist Interesse zum Fußball und den Stadien da. Ich bin oft mit dem Fast Train nach London gefahren und war dann eigentlich mindestens zwei Mal in der Woche in einem Londoner Stadion, bei West Ham, Arsenal oder Tottenham. Damals noch etwa im alten Highbury. Heute denke ich, dass die Premier League die am besten vermarktete Liga ist. Das lässt sich unschwer an äußerst hohen Fernsehgeldern feststellen. Selbst der Aufsteiger bekommt immer noch mehr als das Doppelte als Bayern in Deutschland. Sportlich gesehen würde ich aber nicht sagen, dass sie die beste Europas ist. Das ist für mich Deutschland, auch unter den Aspekten der Entwicklung, Tempo und Taktik. Dahinter sehe ich Spanien und dann kann man sich darüber streiten, ob England, Frankreich oder Italien kommt. Daran ändern auch Siege von Chelsea, Arsenal und Manchester City zuletzt in der Champions League nichts.

LAOLA1: Die am besten vermarktete Liga und Red Bull: Das klingt so, als würde das Sinn machen. Oder macht ein dritter Standort in Europa gar keinen Sinn?

Rangnick: Nein, das ist überhaupt kein Thema.

Rangnick über Hütter: "Er hat seine Sache bis jetzt gut gemacht"

LAOLA1: Wie bewerten Sie die Arbeit von Adi Hütter als Nachfolger von Roger Schmidt?

Rangnick: Nach einer Saison, wie wir sie 2013/14 gehabt haben, wäre es für keinen Trainer leicht gewesen. Es ist immer dankbarer zu einem Verein zu kommen, der zuvor nicht seine beste Leistung gebracht hat. Aber das war nicht der Fall. Die Benchmark, die Roger Schmidt hinterlassen hat, war deutlich höher als die, die er hinterlassen hätte, wenn er schon nach dem ersten Jahr gegangen wäre. Wenn man das alles zusammennimmt und auch sieht, dass Adi noch ein junger Trainer ist und im Spitzenbereich vorher noch nicht gearbeitet hat, dann muss man klipp und klar sagen, dass er seine Sache bis jetzt gut gemacht hat.

LAOLA1: Jonatan Soriano ist ein Kandidat für das UEFA Team des Jahres 2014. Soll er als Gallionsfigur so lange wie möglich in Salzburg gehalten werden?

Rangnick: Alleine seine Quote spricht für sich, die ist der absolute Wahnsinn. Wir werden Jonny von uns aus, so lange er sich hier wohlfühlt, bei uns behalten. Auch so lange er diese Spielweise körperlich auf den Platz bringen kann. Wenn man sieht, wie viel er läuft, da kann man ja auch nur den Hut ziehen. Es spricht auch für sich, als ausländischer Spieler Kapitän zu sein. Wir denken gar nicht daran, etwas zu ändern. Dasselbe gilt für Alan. Das sind Spieler, die wir behalten wollen. Natürlich gibt es aber auch die Sichtweise der Spieler. Wenn jemand sein Gehalt verdreifacht und eine Riesensumme als Ablöse zahlt, dann müssen wir wohl zumindest eine Nacht drüber schlafen. Das kann man nie völlig ausschließen.

LAOLA1: Martin Hinteregger hat das Gespräch mit Ihnen gesucht und ist deklarierter Red Bull-Athlet. Wechselt er im kommenden Sommer nach Leipzig?

Rangnick: Martin hat eine fantastische Entwicklung gemacht. Er ist so ein ganz anderer Typ von Profi, so einer ist mir in den ganzen 20 Jahren noch nicht begegnet. In den Gesprächen haben wir ihm schon versichert, dass er auch nächstes Jahr in einer guten und spannenden Mannschaft spielen wird. Da werden auch wieder jüngere Spieler dabei sein. Wir werden ein Team zusammenstellen, bei dem auch Martin hier Spaß haben wird zu spielen. Ich sehe ihn auch als absoluten Red Bull-Spieler. Wenn er irgendwann mal sagt, ich fühle mich bereit für den nächsten Schritt, dann werden wir uns damit auseinandersetzen.

 

Das Interview führte Bernhard Kastler

LAOLA1: Bleibt es eine Möglichkeit?

Rangnick: Wir haben in unserem sportlichen Portfolio zusammen mit New York und Brasilien vier Standorte, auf die wir uns voll und ganz konzentrieren.

LAOLA1: Sie wurden auch schon mit englischen Klubs in Verbindung gebracht.

Rangnick: Ich habe momentan eine sehr hohe Job-Zufriedenheit. Ich kann mir aktuell auch nur ganz schwer vorstellen, dass mir ein Verein, egal in welchem Land, auch nur annähernd so eine Job-Zufriedenheit bieten könnte. Die Verbundenheit zu England sorgt auch nicht dafür, dass ich alleine deswegen hingehe, um dann bei deutlich geringeren Möglichkeiten Dinge auf den Weg zu bringen, zu steuern und zu beeinflussen, nur weil es eben England ist. So jung bin ich dann auch nicht mehr, dass ich getreu dem Motto „No Risk, no Fun“ vorgehe. Aber grundsätzlich: Mit unserem Knowhow, unserer Art, wie wir jetzt in den beiden vergangenen Jahren in Leipzig und Salzburg Dinge entwickelt haben, könnten wir damit auch in der Premier League einiges bewirken. Didi Hamann hat zuletzt ein Interview im „Kicker“ gegeben. Er meinte, das Problem in England sei, dass die englischen Klubs gar nicht wissen, wohin mit dem ganzen Geld und dann fließt es direkt in die Taschen von durchschnittlichen Fußballern. Die verdienen dann mehr als bei uns absolute Spitzenspieler. Die Einschätzung Didi Hamanns kann ich meiner Erfahrung nach bestätigen. Als neutraler Beobachter, der beide Ligen einigermaßen kennt, glaube ich, dass mit wenigen Ausnahmen viele Vereine im Bereich Scouting noch viel unausgeschöpftes Potenzial haben. Und das beinhaltet dann auch das Einschätzen von Spieler-Marktwerten. Sonst würden sie nicht solche hohen Ablösesummen zahlen. In Liverpool haben sie dagegen allein 80 Millionen Euro für Luis Suarez bekommen, was nach den Vorfällen bei der WM alleine schon unglaublich ist. Aktuell haben sie als Achter sechs Punkte Rückstand auf Southampton, das wiederum ihre sieben besten Spieler verkauft und dafür 130 Millionen bekommen hat. Die stehen momentan vor Liverpool, Everton und Tottenham, die im Vergleich mit höheren Budgets ausgestattet sind. Ein Großteil der Vereine hat sehr gute Möglichkeiten, aber entscheidend ist immer, wie man die zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich einsetzen kann.

LAOLA1: Wie fällt Ihre Bilanz bei Red Bull nach zweieinhalb Jahren aus?

Rangnick: Wir haben viele Dinge so gemacht, wie wir sie jetzt wieder machen würden. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, keine Fehler gemacht zu haben. Aber in unserem Job ist es wie in jedem anderen Management-Job auch, dass man die Entscheidungen treffen muss, wenn sie anstehen. Da ich für zwei Vereine verantwortlich bin, muss ich doppelt so viele Entscheidungen treffen. Ich habe gelernt, dass man nicht tagelang grübelt sondern (klatscht) es so macht. Wenn wir fünf Tage zugewartet hätten, wären Kevin Kampl oder Sadio Mané damals nicht gekommen. Im Rückblick hätte es in Leipzig nicht viel besser laufen können, wir sind zwei Mal aufgestiegen und sind wieder in Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen. Die zuschauermäßige Entwicklung ist sensationell. In Salzburg ist die Entwicklung insgesamt auch klasse. Wir haben eine spannende Mannschaft mit vielen interessanten Spielern. Wir hätten uns natürlich alle gewünscht, spätestens in diesem Jahr in der Champions League zu spielen. Da bleibt eine latente Unzufriedenheit, weil wir es unbedingt schaffen wollten. Jetzt geht es darum, dass wir uns so aufstellen, um ab Winter beziehungsweise Sommer eine Mannschaft zu haben, die mit neuen Kampls, Ramalhos, Manés bestückt ist. Auch wenn das nicht jeder gerne hören will: Wir sind in Österreich und nicht ein paar Kilometer weiter nördlich, denn dann würden alle liebend gerne hier bei uns bleiben. Aber die österreichische Liga wird auch mit uns eine Ausbildungsliga bleiben. Jeder hochtalentierte Spieler, der sich hier gut entwickelt, wird nach zwei Jahren sagen, er sei für den nächsten Schritt bereit. Unser Ziel in Salzburg muss sein, dass wir in den nächsten Monaten wieder eine Mannschaft haben, vielleicht schon mit dem einen oder anderen Spieler im Jänner, spätestens ab Sommer, die die möglichen Abgänge kompensieren. Es sind ja schon einige da, wenn ich an Naby Keita, Massimo Bruno, Marcel Sabitzer, Benno Schmitz oder Konrad Laimer denke. Die sind ja erst seit fünf Monaten bei uns mit dabei und spielen aber schon teilweise von Anfang an.

LAOLA1: Vor der Saison war die Champions League das über allem stehende Ziel. Zuletzt meinten Sie, Salzburg würde es wahrscheinlich dann schaffen, wenn keiner damit rechnet. Wird sich an der Philosophie der Kaderzusammenstellung in Salzburg etwas ändern?

Rangnick: So lange ich hier Verantwortung trage, werden wir in Salzburg die bestmögliche Mannschaft zusammenstellen. Unser Scouting- und Mitarbeiter-Netzwerk gibt das auch her, sonst hätten wir es die letzten zweieinhalb Jahre auch nicht geschafft. Wie viele von der Mannschaft, die wir damals angetroffen haben, sind denn noch da? Es sind noch einige da, aber man muss einmal ehrlich sein: Jonatan Soriano war unter Ricardo Moniz Ersatzspieler, Stefan Maierhofer war die Nummer eins im Angriff. Soriano hat überhaupt keine Rolle gespielt und wurde nach sechs Monaten schon als absoluter Fehlkauf abgestempelt. Stefan Ilsanker kam aus Mattersburg zurück und hat jetzt gegen Russland für die A-Nationalmannschaft 90 Minuten absolviert. Christoph Leitgeb hat damals auch keine große Rolle in der Nationalmannschaft gespielt, Andreas Ulmer sowieso nicht. Martin Hinteregger war auch kein Stammspieler. Er war zwar noch 19 Jahre alt, aber heute spielen bei uns 19-Jährige in der Stammelf. Durch die Änderung der Transferpolitik plus der Installierung unserer Spielweise war das natürlich maßgeschneidert für die Entwicklung dieser jungen Spieler. Da schließt sich der Kreis. Aber selbstverständlich arbeiten wir jetzt schon mit Hochdruck daran, dass wir für Jänner und spätestens ab Sommer wieder neue Kampls und Manés finden.

LAOLA1: Solche Spieler zu finden respektive sie wohl auch selbst zu entwickeln, wenn man etwa an die neue Akademie in Liefering denkt.

Rangnick: Die neu eröffnete Akademie macht ja auch nur so Sinn. Was soll ich dem Konrad Laimer denn sagen? Angenommen wir würden unter Einsatz finanzieller Mittel, was nie ein Thema war, versuchen, Kevin Kampl hier zu halten. Wir brauchen auch Platz für einen Konrad Laimer! Der muss ja wie ein Naby Keita auch die Chance haben zu spielen. Deswegen ist es für mich ein ganz normaler organischer Vorgang. Das ist wie im normalen Leben. Man sagt ja auch nicht, mein Kind soll nie von Zuhause ausziehen, wenn es erwachsen ist. Das ist einfach naiv. Auch wenn es der Red-Bull-Salzburg-Fan schweren Herzens akzeptieren muss, aber in Deutschland geht es jedem Verein außer Bayern München fast ähnlich. Fragen Sie mal in Dortmund oder bei Borussia Mönchengladbach nach, was in den letzten Jahren passiert ist. Die haben alle ihre besten Spieler irgendwann abgegeben. Was neu ist: Als ich vor einem Jahr gesagt habe, ein Kampl oder Mané geht nur für deutlich zweistellige Millionenbeträge hier weg, haben mich Journalisten und selbst engste Mitarbeiter im Verein angeguckt, als ob ich ein Außerirdischer wäre (lacht). Sie dachten wahrscheinlich, in Österreich würde das nie gehen. „Das wird nie passieren“, das habe ich damals zuhauf gehört. Jetzt ist Sadio Mané zu einem für uns denkbar ungünstigen Zeitpunkt gewechselt und dennoch für eine deutlich zweistellige Millionensumme. Sollte Kevin Kampl gehen, dann wird sich das auch im zweistelligen Millionenbereich bewegen.

LAOLA1: Wissen Sie um die Interessenten für Kampl Bescheid? Wie stehen die Chancen für einen Red-Bull-Verbleib in Leipzig?

Rangnick: Unsere Aufgabe besteht darin, ihn zu überzeugen, dass er bei uns bleibt. Das wird aber kein Selbstläufer. Weil er bei anderen Vereinen nicht nur auf dem Zettel steht, sondern die auch mitbekommen haben, wie gut der Junge ist. Es gibt mittlerweile aber auch gute Gründe, dass er über den Weg RB Leipzig auch all seine eigenen Ziele erreichen kann.

LAOLA1: Wie hoch ist die im Vertrag per Ausstiegsklausel festgesetzte Ablösesumme?

Rangnick: Sie ist in jedem Fall im zweistelligen Bereich.  

LAOLA1: Wie sieht es bei Andre Ramalho und einem Verbleib bei Red Bull aus?

Rangnick: Sein Vertrag läuft im Sommer aus, das wissen aber eben nicht nur wir. Er ist für einen Innenverteidiger noch sehr jung, noch einmal drei Jahre jünger als Kevin. Auch bei Andre sage ich, er kann in Leipzig spielen und kann sich dort auch wieder weiterentwickeln. Wir arbeiten daran, es beiden Spielern so attraktiv zu gestalten, dass sie sagen, es hätte jede Menge Vorteile für den weiteren Karriereverlauf, weiter bei uns zu bleiben.

LAOLA1: Bleiben Massimo Bruno und Marcel Sabitzer nach Leihende weiter in Salzburg?

Rangnick: Das entscheiden wir im Sommer. Bis vor zwei Monaten haben sie noch gar nicht regelmäßig gespielt. Jetzt spielen sie, dafür haben wir sie geholt. Irgendwann habe ich einmal gelesen, wir hätten vergessen, Sadio Mané zu ersetzen. Da ist mir beinahe die Zeitung aus der Hand gefallen. Wofür glauben denn manche, dass wir Massimo Bruno für nicht wenig Geld geholt haben? Das haben wir in weiser Voraussicht gemacht, da Sadio diesen oder spätestens nächsten Sommer nicht mehr da sein würde. Deswegen haben wir Massimo genau für diese Position geholt. Jetzt spielt er und ich glaube, in Relation zu den Einsätzen ist er zusammen mit Jonny Soriano und Alan der torgefährlichste Spieler im Kader.

LAOLA1: Aber das System musste verändert werden. Wird in Betracht gezogen, einen Außenspieler zu holen, um auch wieder 4-2-2-2 spielen zu können?

Rangnick: Die damalige Grundordnung unter Roger Schmidt, dieses 4-2-2-2, entstand erst dadurch, als Alan wieder spielfähig war. Zuvor spielten wir ein lupenreines 4-2-3-1, mit Valon Berisha als hängende Spitze. Als Alan wieder fit war, hat Roger gemerkt, die müssen beide spielen, weil sie für 20 bis 30 Tore pro Saison gut sind. Ebenso klar war, dass Kampl und Mané auch spielen müssen. So ist das 4-2-2-2 geboren worden, das bis dahin fast keine andere Mannschaft in Europa so gespielt hat. Ab dem Moment, wo Mané nicht mehr da war, gab es eine neue Situation. Es gab kein Duplikat von ihm, auch wenn wir Massimo geholt haben. Aber der hatte andere Stärken. Es würde ihm nicht gerecht, wenn er auf der Position wie Sadio spielen müsste. Er muss mehr im Zentrum spielen. Das sieht Adi (Hütter, Anm.) genauso. So ist die Idee entstanden, mit drei Sechsern zu spielen. Momentan suchen wir natürlich eher Spieler für diese neue Grundordnung, nämlich dem 4-3-1-2, aber wenn wir wieder einen Spieler wie Sadio Mané finden und für Red Bull Salzburg begeistern können, dann schließe ich auch nicht aus, dass wir im nächsten Sommer sagen, es macht Sinn, wieder eine andere Grundordnung zu spielen. Die muss sich immer danach richten, unsere elf besten Spieler auf ihren 1A-Positionen auf den Platz zu bringen. Was sich nicht ändern soll, ist unsere Art Fußball zu spielen.