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Ortlechner: "Es gibt nur ein Wir“

Ortlechner:

Anlaufschwierigkeiten.

Der Saisonstart der Wiener Austria hat nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht.

Einem 1:1 daheim gegen Grödig folgte ein 0:4 auswärts gegen den WAC.

Nur ein Punkt nach zwei Runden sorgt im Lager der Violetten naturgemäß für lange Gesichter.

Die Alarmglocken schrillen allerdings (noch) nicht.

„Ich könnte mich herstellen und Durchhalteparolen durchgeben und die Fans mit gewissen Aussagen beruhigen. Aber das brauche ich nicht. Es passt. Das Paradoxe an der aktuellen Situation ist, dass sich die wirklich sehr, sehr, sehr gute Trainingsarbeit leider noch nicht in Punkte ausdrückt“, erklärt Manuel Ortlechner.

Im LAOLA-Interview spricht der 34-jährige Austria-Kapitän über das Feuer in der Mannschaft, erklärt, warum die Spielphilosophie von Trainer Gerald Baumgartner begeistert und warum die Rückendeckung seitens der Vereinsführung gegeben ist.

LAOLA1: Der Saisonstart verlief mit nur einem Punkt enttäuschend…

Manuel Ortlechner: Gegenfrage: Wann ist der Start vorbei? Die Frage müssen sich die Medien auch gefallen lassen. Nach Runde eins, zwei, drei, vier oder fünf?

LAOLA1: Das gehört definiert, klar. Wenn nach zwei verpatzten Runden Thomas Parits beim Training eine Ansprache hält, wird ihn aber etwas stören.  

Ortlechner:  Dass der Start punktmäßig in die Hose gegangen ist, brauchen wir nicht diskutieren. Wenn man nur einen von sechs Zählern holt, ist das nicht zufriedenstellend. Thomas Parits ist ja oft beim Training, weil sein Büro gleich neben den Trainingsplätzen steht. Er beobachtet uns oft und deswegen weiß ich auch, dass er sehr viel Vertrauen hat, weil er sieht, wie wir im Training arbeiten. Das Paradoxe an der aktuellen Situation ist, dass sich die wirklich sehr, sehr, sehr gute Trainingsarbeit leider noch nicht in Punkte ausdrückt – sprich in Erfolgen. Das schmeckt keinem von uns. Und das war der Inhalt seiner Rede. Herr Parits weiß, dass viel Qualität in der Mannschaft. Wichtig ist, dass wir zusammenstehen und ruhig bleiben. Daher sollten wird den Start erst nach mehreren Runden bewerten. Enttäuschend ist für mich wirklich die fehlende Umsetzung der Trainingseinheiten. Die Leute, die in den täglichen Ablauf involviert sind, können aber relativ beruhigt sein, weil sie sehen, was passiert. Wäre die Trainingsarbeit nicht gut und gebe es interne Probleme, dann müssten die Alarmglocken schrillen, aber nicht, wenn man nach zwei Spieltagen nur einen Punkt am Konto hat. Es gibt sehr viele Experten, die nie an einem Trainingsplatz zu finden sind und nur aus der Entfernung ihre Expertisen zum Besten geben. Es sollte uns aber nicht weiter beunruhigen, dass diese Leute so gescheit daherreden.

LAOLA1: Wer ist Schuld an der mangelhaften Umsetzung. Der Trainer, oder die Spieler?

Ortlechner:  Es gibt kein entweder oder. Wir sitzen alle im selben Boot. Es gibt nur ein Wir.

LAOLA1: Dennoch steigt jetzt natürlich der Druck, der bei der Austria sowieso immer vorhanden ist. Für dich nichts Neues, aber wie geht Trainer Gerald Baumgartner damit um?

Ortlechner:  Als Austria-Trainer muss man ein breites Kreuz haben. Das hat er. Er trainiert nämlich privat sehr viel, ist ein Fitness-Junkie (lacht). Unsere tägliche Arbeit stärkt ihn in diesem Weg, den er mit uns eingeschlagen hat.  Und wir sind richtig euphorisch mit dem, was er uns beibringen will. Wir haben Spaß dabei und sind willig.

LAOLA1: Manuel, du bist 34 Jahre alt, quasi im letzten Drittel deiner Karriere. Gibt es irgendetwas, was du in deiner Karriere bereut hast?

Ortlechner (lacht):  Letztes Drittel, schön formuliert… Nein, im Gegenteil. So wie es passiert ist, war es gut. Ich bin auch sehr froh, dass der letzte Schritt zur Austria geführt hat.

LAOLA1: 2009 – vor deinem Wechsel nach Wien – stand ein Auslandsengagement im Raum. Du hast also kein Problem, es nie in der Fremde versucht zu haben?

Ortlechner:  Natürlich soll man immer nach etwas Höherem streben, aber wenn es sich nicht ergibt, ergibt es sich eben nicht. Und irgendwo hinzugehen, nur damit ich im Ausland war, war nicht meins. Die Zeit bei der Austria war ja retrospektiv betrachtet nicht unerfolgreich. Zwei Mal einen vereinsinternen Punkterekord aufgestellt, Meister 2012/13, Champions-League-Teilnahme. Außerdem ist es für mich noch nicht vorbei. Da kann und soll noch etwas kommen.

LAOLA1: Wird es deine letzte Saison bei der Austria sein?

Ortlechner:  Vielleicht. Das weiß man noch nicht. Ich verrate es dir aber sowieso nicht (lacht). Es gibt aber einen groben Plan, doch es wäre unseriös darüber jetzt zu sprechen.

LAOLA1: Das heißt, du bist noch voll motiviert, voller Tatendrang?

Ortlechner:  Genau das meine ich mit den Leuten, die nie am Trainingsplatz sind. Damit meine ich die Boulevard-Journalisten. Wer öfter hinkommt, weiß, dass ich jeden Tag der letzte bin, der heimgeht. Also ja, ich bin noch immer voll motiviert. Ich habe nicht vor, dieses Jahr einfach so ausklingen zu lassen – im Gegenteil. Ich werde alles in die Waagschale werfen.

LAOLA1: Kann es sein, dass einige im abgelaufenen Spieljahr aufgrund der jüngsten Erfolge mit Meistertitel und CL-Gruppenphase den letzten Biss verloren haben und dadurch eure verpatzte Saison zustande gekommen ist?

Ortlechner:  Ich sage dir jetzt etwas: Nach dem 4:1-Sieg gegen Zenit St. Petersburg im letzten CL-Gruppenspiel bin ich sehr lange in der Kabine gesessen und habe noch mit unserem Zeugwart geplaudert. Irgendwann ist der uns zugestellte UEFA-Delegierte für die Heimspiele dazu gestoßen und hat mitgeredet. Es war ein Holländer, der schon sehr lange im Fußball-Business tätig ist. Er hat natürlich mitbekommen, wie es uns zu der Zeit in der Meisterschaft ergangen ist und hat dementsprechend geschmunzelt. Er hat von dem Phänomen gesprochen, dass alle Mannschaften, die nicht regelmäßig in der Champions League teilnehmen oder international vertreten sind, Probleme in der Liga haben bzw. hatten. Diese Teams haben einfach mit diesem „Wochenmitte-Highlight“ so zu kämpfen, dass sie es psychologisch und mental am Wochenende nicht auf den Platz bringen. Du stehst in der CL so unter Strom, bist es auch nicht gewohnt, dass alle auf dich schauen, um diesen Stress zu verarbeiten und drei Tage später wieder neu aufzubauen. Ein Philipp Lahm von den Bayern ist nichts anderes gewohnt, als jeden dritten Tag seine beste Leistung abzurufen. Das wird der Grund gewesen sein. Denn wir wollten. Das versichere ich dir. Ich weiß noch, wie wir nach dem 1:1 in Porto auswärts gegen Grödig angetreten sind. Wir hatten dort ohne zu Übertreiben sechs hundertprozentige Torchancen in der ersten Hälfte. Da kann ich nachher nicht sagen, es hat am Willen gefehlt. Es liegt alles so knapp beisammen.

 

Das Gespräch führte Martin Wechtl

LAOLA1: Hast Du als Kapitän einen engeren Kontakt mit ihm?

Ortlechner:  Ja. Ich will da aber nicht zu sehr in die Tiefe gehen. Gewisse Dinge sind dafür bestimmt, dass sie intern bleiben. Grundsätzlich ist es so, dass wir uns mehr austauschen. Wir alle tragen seine mitgebrachte Spielphilosophie zu 101 Prozent, weil es auch der Trend des internationalen Fußballs ist. Die Fußballkugel dreht sich. Du kannst dich mit gewissen Dingen eine gewisse Zeit dagegen wehren, aber irgendwann musst du dich mitdrehen, denn sonst wirst du überrollt. Deswegen ist man gut beraten, neuen Dingen offen gegenüber zu stehen. Wir sind derzeit in einem Entwicklungsprozess, der noch länger nicht abgeschlossen ist. Erfolge helfen, um das Gewünschte schneller intus zu haben. Deswegen ist es wichtig, in naher Zukunft erfolgreich zu sein, um weiter am System herumfeilen zu können.

LAOLA1: Du hast jetzt schon mehrmals die gute Arbeit im Training erwähnt. Musst du das sagen, oder ist es tatsächlich so?

Ortlechner:  Ich könnte mich herstellen und Durchhalteparolen durchgeben und die Fans mit gewissen Aussagen beruhigen. Aber das brauche ich wirklich nicht. Es passt. Und es ist kein Feuer am Dach. Ich bin froh, dass es einigermaßen ruhig ist. Das war nicht immer so. Deshalb muss man auch einen Dank an die Fans aussprechen – auch jenen die in Kärnten waren. Sie nehmen sehr viel in Kauf. Jetzt fehlen nur noch die Ergebnisse, damit meine Worte nach außen hin glaubwürdig erscheinen.

LAOLA1: Der Faktor Zeit spielt bei einem neuen System eine wesentliche Rolle. Hat man im schnelllebigen und ergebnisorientierten Fußballgeschäft überhaupt noch Zeit?

LAOLA1: Natürlich. Ganz wichtig ist, dass die Verantwortlichen die Lage richtig einschätzen. In Salzburg war es in der Phase Düdelingen auch nicht lustig. Doch sie sind ruhig geblieben und haben Vertrauen in ihr Vorhaben gehabt. Das ist das Thema. Diesen Standpunkt vertritt auch unsere Vereinsführung. Wir bekommen die Zeit. Das sagt mir nicht nur meine Gefühl, sondern das weiß ich durch Gespräche. Und das beruhigt mich total.

LAOLA1: Zeit hatte auch Vanche Shikov über seine Rote Karte nachzudenken. Nach sechs Minuten im Debüt ausgeschlossen zu werden, ist ganz bitter. Noch dazu, wenn man als Legionär erst ein paar Wochen in einem neuen Land ist. Habt ihr ihn speziell aufzupäppeln müssen?

Ortlechner:  Wir sind so ein geiler Haufen, das ist überhaupt kein Thema mehr. Ich habe im Trainingsspiel, wenn Markierungs-Shirts vergeben werden – und wir haben auch rote – in seine Richtung schon Späße gesehen. Wir haben ihm also schon wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Alles ist gut.

LAOLA1: Mit Omer Damari wurde endlich der neue Stürmer gefunden. Wie “riskant“ findest du es, in Anbetracht der aktuellen Weltlage, einen Israeli zu verpflichten? Noch dazu, wo die Austria in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit rechtsgerichteten Anhängern hatte?

Ortlechner:  Wenn es intern zu einem Problem kommt, kenne ich mich nicht mehr aus. Sollte das leider  europaweite „Gegner-Bashing“ in ein eigenes „Spieler-Bashing“ ausarten, weil ein Spieler aus dem Land kommt oder einer anderen Religionsgemeinschaft angehört, kenne ich mich echt nimmer aus. Ich sehe seine Verpflichtung aber auch als eine Art Chance für unsere Fans, einen Spieler mit jüdischen Wurzeln zu unterstützen. Ein Problem könnten die Derbys werden. Da sind beide Seiten gefordert. Ich hoffe, dass nichts passiert. Andernfalls wäre es sehr, sehr traurig.