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"Man kann über Konzepte reden oder welche haben"

Franz Lederer geht mit mir über den saftigen Rasen des Pappelstadions zur Tribüne, wo wir das folgende Interview abhalten.

„Schön ist er, oder?“, fragt mich der Trainer des SV Mattersburg. „Absolut“, pflichte ich ihm bei und füge hinzu: „Hoffentlich bleibt das so im Herbst und Winter.“

 „Wir haben noch nie ein Spiel absagen müssen.“ Dieser Konter sitzt.

Kein Wunder, für die Burgenländer läuft es derzeit am Schnürrchen. Der Saisonstart hievte den Abstiegskandidaten der vergangenen Jahre vor dem Duell mit Rapid auf den dritten Platz.

„Es beginnt das Mattersburg zu werden, so wie wir uns das vorstellen“, freut sich der 48-Jährige, als der mit bald acht Jahren am längsten dienende Bundesliga-Trainer auf der leeren Haupttribüne sitzt.

Die Grün-Weißen ernten in dieser Saison die ersten Früchte des Umbruchs, der 2008 begonnen hat und der mit Abstiegskämpfen und Negativberichterstattung über die rustikale Spielart verknüpft war.

Das war gestern, heute steht der SVM früh in der Saison anders da.

Als Nächstes wartet das schwere Gastspiel bei Rapid. Vorab sprach LAOLA1 mit Lederer über das Ernten von Früchten, „Undercover-Chef“ Manuel Seidl und Konzeption.

LAOLA1: Peter Schöttel hat in Wiener Neustadt mit bescheidenen Mitteln die Klasse gehalten und ist Rapid-Trainer geworden. Sie haben es weitaus öfter vollbracht. Wo ist Ihre größere Aufgabe?

Franz Lederer: (lacht) Ich bin mittendrin. Ich kann mir zurzeit keine größere Aufgabe vorstellen, wie mit dieser Mannschaft den Weg zu gehen, den wir uns vorgenommen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für einen Trainer eine schönere Aufgabe gibt, mit der Mannschaft, die Jahr für Jahr totgesagt und weggefordert wurde, in die Regionen zu kommen, die dir keiner zutraut. Unser Ziel ist es, in einen der nächsten Saisonen um den Europacup mitspielen zu können. Heuer wird es noch schwer.

LAOLA1: Heuer läuft es aber bislang schon ganz gut: Sechs Spiele, zwölf Punkte, zu Hause als einziges Team noch ungeschlagen. Ist Ihr Herz bei diesem Saisonstart aufgegangen?

Lederer: Schon. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Jahren nicht so einen guten Start hingelegt haben. Wobei wir sogar mehr hätten mitnehmen können.

LAOLA1: Aktuell liegt Mattersburg auf Rang drei. Inwieweit ist das aber gar nicht so eine Überraschung?

Lederer: Ich messe dem Tabellenrang zu diesem Zeitpunkt nicht allzu viel Bedeutung zu, es sind noch 30 Spiele zu absolvieren. Die Tatsache, dass die Mannschaft schon bei zwölf Punkten hält, sollte aber nicht nur mich nicht überraschen, sondern auch jene, die ein wenig das Frühjahr beobachtet haben. In den letzten sieben, acht Spielen war die Luft zwar heraußen, aber sie hat in dieser Zeit gezeigt, dass sie nicht nur Fußball spielen, sondern auch Punkte einfahren kann. Das ist auch das Wichtigste.

LAOLA1: Ist es bereits ein Ernten von Früchten?

Lederer: Es beginnt das Mattersburg zu werden, so wie wir uns das vorstellen. Es ist noch immer nicht, wie es sein kann, aber man sieht schon, dass die Jungs abgebrühter geworden sind. Wenn ich Martin Rodler hernehme, der ist mit rund 20 Bundesliga-Spielen zuletzt der Unerfahrenste gewesen. Das macht sich bemerkbar in der einen oder anderen Situation. Im Ganzen bringen wir aber noch nicht das auf den Platz, das wir imstande zu leisten sind.

LAOLA1: Inwiefern?

Lederer: Ich möchte die Mannschaft noch entschlossener sehen. Beim WAC kannst du etwa früher ein 2:0 herstellen, dann ersparst du dir das Zittern. Von Salzburg (2:3) und Wacker (1:2) möchte ich gar nicht mehr reden. Das sind die Prozesse, in denen du als gereiftes und cleveres Team viel schneller die Sache zu Ende bringst.

LAOLA1: Mattersburg und "Holzfäller-Truppe" gehörten früher zusammen wie "Hatschi" und Gesundheit. Ist die spielerische Note mehr und mehr an die Oberfläche gekommen?

Lederer: Wir haben 2008 mit einem Umbau begonnen und da waren Spieler wie Seidl, Malic, Farkas, Höller blanko, was Bundesliga-Einsätze anbelangt. Und es ist Bundesliga: Ein Denkfehler, ein Stellungsfehler und dann fängst du zu greifen an, machst ein unnötiges Foul und kommst eben zu so einem Ruf. Dann kommt noch hinzu, dass du am Tabellenende bist und da muss dir einfach jedes erlaubte Mittel recht sein, damit du Punkte machst. Wir haben immer geschafft, die Klasse zu halten. Das war in diesem Fall das Wichtigste. Jetzt sind meine Spieler selbstsicherer, jetzt trauen sie sich die Bälle zu spielen, jetzt wissen sie, wie sie sich taktisch zu verhalten haben. So kann auch die Komponente Fußballspielen viel mehr zu tragen kommen.

LAOLA1: In dieser Hinsicht ist Manuel Seidl nicht unwichtig: Ist er Ihr Chef im Mittelfeld geworden?

Lederer: Was seine Lautstärke und das Einteilen anbelangt, dann ist er sicher ein "Secret oder Undercover Chef". Er nimmt sich nie heraus, laut zu sein, was ihm aber auch noch fehlt, wenn er den nächsten Schritt machen will. Er ist für unser Spiel natürlich ganz klar ein wichtiger Faktor geworden, hat auch schon um die 130 Bundesliga-Spiele absolviert. Jetzt gelingt es ihm auch, seine oftmals im Training präsentierten Stärken, auch ins Spiel einzubringen, das heißt unter anderem auch Tore zu machen. Er macht immer wieder die richtigen Schritte nach vorne.

LAOLA1: Er wirkt auch offensiver als früher auf der Sechserposition.

Lederer: Er hat eine unglaubliche Laufbereitschaft, die fast schon ins Unmenschliche geht. Natürlich hast du als Sechser andere Aufgaben und musst schauen, dass im Zentrum taktisch alles funktioniert. Er ist kein typischer Sechser, auch kein Zehner, er ist ein Achter, der auch von der Seite kommen kann. Jeder Spieler, der mehrere Positionen spielen kann, erhöht für sich selbst die Möglichkeit zu spielen.

Lederer: "Ilco hat einen großen Schritt gemacht"

LAOLA1: Wie haben Sie die deutschen Kollegen Roger Schmidt und Peter Hyballa bislang kennengelernt?

Lederer: Ich bin Ihnen zwei Mal persönlich begegnet, einmal bei der Saisonstart-Pressekonferenz für zehn Sekunden und jeweils einmal bei den Spielen, wo es vorher und nachher ein Handshake gab. Ich will da jetzt niemanden einordnen, sie werden versuchen, den besten Job zu machen. Natürlich wirkt ein Deutscher durch seine Sprache anders, sie sind rhetorisch gut drauf, das ist ganz logisch. Ansonsten sollten sie wie alle anderen auch an der Arbeit gemessen werden.

LAOLA1: Deutschen Trainern wird Konzeption als Stärke mehr nachgesagt als österreichischen.

Lederer: Schauen Sie, man kann über Konzepte reden oder man kann Konzepte haben. Es heißt ja jetzt nicht, nur weil ich nicht darüber rede, dass ich mir nichts bei meiner Arbeit denke. Wir haben seit 2008 ein Leitbild und wissen, wo wir hinsteuern. Wir haben eben nicht darüber gesprochen.

LAOLA1: Insofern müssen Sie stolz sein in Tagen wie diesen.

Lederer: Wir beginnen anzufangen, uns zu belohnen und ein wenig stolz zu sein. Wir bleiben aber demütig.

LAOLA1: Jetzt geht es Jahre gegen den Abstieg und Sie kommen nach so einem Saisonstart nicht mehr aus sich heraus?

Lederer: (lacht) Sprechen wir Anfang November, dann machen wir hier noch einmal  ein Interview mit dieser Frage und dann kann ich hoffentlich die richtige Antwort geben und sagen: Jetzt ist es soweit, jetzt haben wir gezeigt, was los ist.

LAOLA1: Gut, das machen wir. Aber bringen wir den Stolz auf andere Weise unter: Der bei Mattersburg gereifte Christian Fuchs ist nun Kapitän der Nationalmannschaft.

Lederer: Das macht uns unheimlich stolz. Er hat hier seine ersten Bundesliga-Minuten heruntergespult und er ist immer so geblieben, wie er war. Das ist das Wunderbare an ihm. Das merke ich wenn wir jetzt noch telefonieren. Wer überhaupt so einen Zugang zum Beruf hat wie er, der hat es verdient, Teamkapitän zu sein.

LAOLA1: Hier höre ich ohnehin immer wieder, wie „erdig“ nicht alle seien.

Lederer: Es passt einfach nicht hier her, abgehoben zu sein oder nur Geld verdienen zu wollen. Das merkt auch der Zuschauer, der bei entsprechender Leistung auch alles verzeihen kann. Wenn er aber merkt, einer ist nur hier, weil am Monatsersten die Kohle kommt, dann verzeiht er nicht alles. So etwas hat es aber bei uns auch kaum gegeben, auf das sind wir auch stolz.

LAOLA1: Und Ilco Naumoski hat man in den Griff bekommen.

Lederer: Er ist ein so vorbeschriebenes Blatt. Aber er hat auch die Situation beim WAC (Privatduell mit Jovanovic führte zu Naumoskis frühzeitiger Auswechslung, Anm.) für meine Begriffe gut überstanden. Das wäre früher nicht so gewesen. Das Nase-an-Nase-Duell zwischen Ogris und Kühbauer ist DAS Foto des österreichischen Fußballs, wenn es um Emotionen und Rivalität geht. Das gehört auch dazu, wenn es in geordneten Bahnen bleibt. Ilco ist heißblütig, Herr Jovanovic auch. Aber Ilco hat in der jüngeren Vergangenheit einen wirklich großen Schritt gemacht, dass er sich auf das Wesentliche konzentriert.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler

LAOLA1: Wie dicht ist der Kader mittlerweile?

Lederer: Es spricht für die Dichte des Kaders, wenn wir trotz oftmaliger Ausfälle immer wieder Punkte holen können. Es tun sich zudem immer wieder neue Optionen auf. Christian Gartner und Thorsten Röcher fehlen hier noch ein Stückchen, aber wenn sie die nächsten Entwicklungsschritte machen a la Seidl oder Farkas, dann werden wir noch stärker als Kollektiv.

LAOLA1: Werden Spieler auch insofern schon angenähert, um bei etwaigen Abgängen die Lücken aufzufüllen?

Lederer: Soweit denke ich zumindest nicht. Ich schaue, wenn irgendjemand verletzt, krank oder gesperrt ist, eine Alternative zu haben. Da bin ich natürlich sehr zufrieden, wenn das nicht nur einer ist, sondern mehrere sind. Beispiel Seidl, wenn er ausfällt: Dann habe ich einen Prietl, einen Lovin, einen Gartner. Das ist wunderbar für eine Mannschaft und natürlich für mich als Trainer. Was die fernere Zukunft betrifft, es geht so schnell im Fußball, damit muss man sich noch nicht beschäftigen.

LAOLA1: Mattersburg ist zu Hause als einziges Team der Bundesliga ungeschlagen. Was weniger erfreulich ist, zuletzt gegen Ried kamen nur 2800 Zuschauer.

Lederer: Es liegt in erster Linie in unserer Hand, das zu ändern. Mit guten Leistungen und mehr Siegen und mehr Punkten, dann werden wir sehen, ob wir das Stadion wieder voll machen können. Die Burschen hätten es sich verdient. Und wenn die Haupttribüne wieder einmal voll ist und 10.000 Zuschauer Gas geben, dann bekommt jeder Kicker noch mehr Luft und Vertrauen in sich selbst. Dann können wir auch große Dinge leisten. Aber ich glaube, es kommt etwas. Die Leute sind viel aufmerksamer, das merkt man im engsten Umfeld, das hört man auch, das liest man auch. So einen Hype wie damals beim Aufstieg kann Mattersburg nur ganz schwer wiederholen, das können Klubs wie Rapid, Austria, Sturm oder Salzburg. Für alle anderen sind 8.000-10.000 schon etwas Tolles.

LAOLA1:  Etwas Grundsätzliches: Wie bereiten Sie sich auf einen Gegner vor?

Lederer: Man beschäftigt sich mit den Stärken und Schwächen der Gegner und versucht das auch im Training unterzubringen. Auch kurz in einer Videoanalyse. Ich selektiere, was es wert ist, der Mannschaft zu zeigen. Man kann eine Mannschaft damit auch überlagern, wenn man zu viel über den Gegner spricht und wie großartig er nicht ist. Dann vergisst der eigene Kicker womöglich, dass er auch Stärken besitzt. Vordergründig ist für mich, dass die eigene Mannschaft weiß, was zu machen ist. Wenn da jeder bei sich bleibt und die Aufmerksamkeit 90 Minuten auf sich lenkt, dann können wir vor allem im eigenen Stadion jeden schlagen.

LAOLA1: Sie sind der am längsten dienende Bundesliga-Trainer Österreichs. Was sagen Sie als „Trainer-Opa“ zu den Vorfällen zwischen Ihren Kollegen Schmidt und Kühbauer vor zwei Wochen?

Lederer: (lacht) Opa bin ich noch nicht, auch nicht im wirklichen Leben. Aber es ist so, Emotionen gehören im Fußball dazu. Ich habe aber das Spiel und die Situationen damals nicht gesehen. Ein 4:4 ist Werbung für den Fußball, auch vom Spielverlauf her. Dass nicht immer Nettigkeiten, auch zwischen Trainern, ausgetauscht werden, kann ich nachvollziehen. Was dann in der Kabine vorgefallen ist, weiß ich nicht, und will ich auch nicht beurteilen. Das ist die Sache der Kollegen.